Rocker-Streit in NRW: Was hinter den Schüssen und Explosionen steckt

Bielefeld/Dortmund. Schüsse und Explosionen: Ein aktueller Streit in der Rocker-Szene hält die Sicherheitsbehörden in NRW auf Trab. Doch was steckt dahinter? Und was passiert gerade in der Szene?

Herbst 2024. In einem Duisburger Hochzeitssaal sitzen mehr als 100 Männer. Nahezu alle breit gebaut, grimmiger Blick. Der Reihe nach werden sie abgefilmt, später veröffentlichen Teilnehmer zudem gleich mehrere Gruppenbilder. Es ist eine Aufnahme, die Rocker-Ermittler in helle Aufregung versetzt haben dürfte: Denn die Fotos und Videos sind ein erster Beleg für den Überlauf mehrerer Bandidos aus NRW zu den rivalisierenden Hells Angels.

Seitdem die Aufnahmen in sozialen Medien gelandet sind, ist viel passiert. Mittlerweile ist die Rede von mindestens 150 Ex-Bandidos, die zu den Hells Angels gewechselt sind. Nach Recherchen dieser Redaktion sollen vor allem im Ruhrgebiet von heute auf morgen zwölf neue Charter (sog. Ortsgruppen, bei anderen Rockern heißen diese Chapter) entstanden sein, in denen sich ehemalige Rivalen tummeln.

Bandidos seit Jahren in NRW verboten – eigentlich Dieser Wechsel war wohl auch deshalb möglich, weil die Bandidos in NRW und ganz Westdeutschland streng genommen verboten wurden – und das schon 2021. Dutzende Chapter, die sich in der &bdquo;Federation West Central“ der Rocker-Gruppe organisierten, waren betroffen – denn die Dachorganisation soll darauf ausgerichtet worden sein, kriminelle Interessen durchzusetzen, hieß es.

Zudem ging es um Schießereien und andere Gewalttaten. Eine Klage gegen das Verbot scheiterte. Die allermeisten Rocker, da sind sich Ermittler sicher, werden sicherlich nicht aufgehört haben, Teil der Szene oder der Bandidos zu sein. Nur ohne Club. Offiziell, zumindest.

Die Bandidos und Hells Angels eint eine lange Vergangenheit – und eine lange Rivalität. Beide Motorradclubs stammen aus den USA, expandierten später. Und mit ihnen auch ein Konflikt, der bereits in Übersee entstand. Später schwappte er nach Skandinavien, dann nach Deutschland. Vor etwa 15 Jahren endeten die Konflikte in Schießereien und Anschlägen, unter anderem in NRW: In Ibbenbüren (Kreis Steinfurt) wurde ein Mitglied der Hells Angels Bremen erschossen, in Duisburg ein Bandidos-Mitglied aus Gelsenkirchen.

Immer wieder Streitereien in der Rocker-Szene Später wurde es ruhiger. &bdquo;Krieg schadet dem Geschäft“, heißt es immer wieder aus Sicherheitskreisen mit Blick auf die Szene. Immerhin sind einzelne Mitglieder beider Rocker-Clubs in ähnlichen Feldern unterwegs, wenn es nach Ermittlern geht: Rotlicht, Drogen, Waffen, Gewalt, Schutzgeld. Trotzdem kommt es bundesweit immer wieder zu einzelnen Konflikten in der Rocker-Szene.

Nicht immer zwangsläufig zwischen Höllenengeln und Bandidos, manchmal sind auch andere Clubs beteiligt, manchmal ist der Streit intern. Immer wieder gibt es blutige Attacken, oft mit Schusswaffen. Grund genug für Sicherheitsbehörden, der mehrere hundert Mann großen Szene in NRW pauschal eine hohe Gefahr zuzuschreiben.

Das zeigt derweil auch ein Zwischenfall aus OWL: Ein mutmaßliches Mitglied der Bandidos aus Bielefeld soll einen Mann in Bad Lippspringe angeschossen haben. Ebenso soll der Rocker samt Mitstreitern an Übergriffen und Erpressungen gegen einen Bielefelder Barbetreiber beteiligt gewesen sein.

Und nun beschäftigt wieder ein regelrechter Rocker-Krieg die Ermittler. Wieder in NRW. Bisher allerdings ohne Tote. In Holzwickede wird Anfang Februar ein Haus beschossen, zwei Tage später kommt ein Mann mit Schussverletzungen in ein Krankenhaus in Unna. Am selben Tag sowie einen Tag später explodieren in Bochum und Oberhausen Sprengsätze vor Wohnhäusern. Für die Ermittler steht fest: Es gibt einen Zusammenhang.

.responsive23-fnXoN4CswbplKeKa-pie-mitglieder-von-rocker-clubs-in { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-fnXoN4CswbplKeKa-pie-mitglieder-von-rocker-clubs-in { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-fnXoN4CswbplKeKa-pie-mitglieder-von-rocker-clubs-in { padding-top: 142.86%; } } Schnell ermittelt ein Team aus etwa 100 Polizisten bei der Kripo Dortmund mehrere Verdächtige, nimmt diese fest. Dabei werden auch Schusswaffen und Sprengstoff sichergestellt. Auch der Hintergrund der Taten wird schnell publik: Stress innerhalb eines Charters der Hells Angels, der dazu führte, dass zwei Verdächtige aus dem Club geflogen seien sollen.

Laut Ermittlern, die von Racheaktionen der Verdächtigen gegen führende Rocker sprechen, entbrannte der Streit in der Ortsgruppe Unna – einem der Charter, das nach Informationen dieser Redaktion im Zuge des Bandidos-Wechsels zu den Höllenengeln entstanden ist.

Bandidos stellen sich in NRW neu auf Brisant ist das auch deswegen, weil bereits Mitte Januar ein Tattoo-Studio in Dortmund beschossen wurde. Dieses Studio hat nach Informationen dieser Redaktion eindeutige Verbindungen zu den Hells Angels &bdquo;Dortmund City“ – ebenfalls ehemalige Bandidos (damals &bdquo;Metropol“). Der Präsident der Dortmunder Höllenengel soll eine Art treibende Kraft beim Übertritt Dutzender Bandidos zur Konkurrenz gewesen sein. Die Ermittler prüfen derzeit mögliche Zusammenhänge, auch zu einer Schussabgabe auf ein Haus in Unna wenige Tage zuvor.

Derweil zeigt sich eine weitere Entwicklung in der Rocker-Szene in NRW. Denn fast vier Jahre nach dem Verbot der Bandidos in NRW und umliegenden Bundesländern gründet der Motorradclub wieder neue Ableger in dem Gebiet. Dieser Redaktion liegen Hinweise zu rund zehn neuen Chaptern vor, darunter in Osnabrück, Ahlen (Kreis Warendorf) und St. Augustin (Rhein-Sieg-Kreis). Bei vielen Mitgliedern soll es sich um langjährige Bandidos handeln, die damals auch von dem Verbot betroffen waren. Offenbar stellen sich diese Rocker nun neu auf.

Ruhiger steht es derweil um die Rocker-Szene in OWL. Um die Bielefelder Hells Angels ist es nach mehreren Festnahmen und anschließendem Prozess ruhiger geworden. Das Charter &bdquo;Bielefeld“ hatte sich damals aufgelöst, ein weiterer Ableger namens &bdquo;Hellfield“ existiert weiterhin. Im Kreis Lippe haben zwei Gruppen der Freeway Riders ihre Dependancen (Detmold und Bad Salzuflen). Einzelne Rocker der Bandidos Paderborn sollen nach Recherchen dieser Redaktion mittlerweile bei einem neuen Chapter des &bdquo;Fat Mexican“ in Osnabrück angeheuert haben.

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