Panzer, U-Boote, Sprengsätze: NRW will Basis für Zeitenwende werden

Düsseldorf. Wie tragisch die Zeiten sind, zeigt sich an der Industrie. Während das Leitmotiv der schwarz-grünen Landesregierung bislang war, bis 2045 klimaneutral zu werden und frühzeitig aus der Kohleverstromung auszusteigen, so rücken plötzlich weitere Zielsetzungen nach vorn. Europa rüstet auf – und NRW will Drehscheibe und &bdquo;zentraler Standort“ für die Rüstungsindustrie werden, kündigte der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, an. Auch die Wirtschaft sieht darin eine &bdquo;riesige Chance“. Was bedeutet das konkret für das Land und die Region OWL?

Kampfpanzer, U-Boote, Drohnen, Sprengzünder, Uniformen: Wer es mit der viel zitierten Zeitenwende ernst meint, der wird sich fragen müssen, wo und wie all dieses Kriegsmaterial produziert werden soll. Schon jetzt gibt es verschiedene Werke in NRW, vor allem im Rheinland, die darauf spezialisiert sind. Das Unternehmen Rheinmetall in Düsseldorf ist nur eines. Auch Thyssenkrupp (Essen/Duisburg), Icos (Düsseldorf) und Dynitec (Troisdorf) sind in diesem Bereich tätig.

Doch die NRW-Landesregierung will die Tätigkeiten massiv ausbauen. Liminski formuliert gar das Ziel, in NRW die &bdquo;industrielle Basis für die Zeitenwende“ stellen zu wollen. Man wolle den Zulieferern die Möglichkeit geben, an diesem &bdquo;industriellen Aufbruch“ zu partizipieren, sagt Liminski, der auch Europaminister in NRW ist. Sprich: Das Land hofft, dass die Aufrüstungspläne in der EU Arbeitsplätze in NRW erhalten oder schaffen, Geld in die Kassen der heimischen Unternehmen spülen – und den Standort somit stärken.

Erste Konferenz fand in Südwestfalen statt Die Landesregierung sei aktuell dabei, dieses Feld &bdquo;aufzuarbeiten“, sagt Liminski. So habe es bereits im Oktober in Südwestfalen eine erste Konferenz mit hochrangigen Wirtschaftsvertretern gegeben. Arndt Kirchhoff, Unternehmerpräsident in NRW, bezeichnet das Thema Verteidigung aus Sicht der Industrie als eine &bdquo;riesige Chance“. Aber: &bdquo;Wir müssen dafür erst mal eine Industrie aufbauen. Die Kapazitäten sind dafür noch gar nicht da“, sagt Kirchhoff.

Tatsächlich verfügt NRW über einen großen logistischen Vorteil: Das Unternehmen Thyssenkrupp mit Standorten in Essen und Duisburg produziert Stahl direkt in NRW – und den braucht es für Fahrzeuge und Flieger. Der Chef der SPD-Fraktion, Jochen Ott, meint, es sei auch eine &bdquo;Frage der Verteidigung“, den Heimatstahl zu sichern. Die besonders energieintensive Industrie in NRW warnt seit Jahren davor, den Standort zu verlassen, da die Kosten für Energie und Strom zu hoch, Bürokratie zu komplex und zum Beispiel der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zu teuer und langwierig sei.

Ott fordert einen &bdquo;Leitmarkt“ für grünen Stahl in NRW, den man auch zur &bdquo;verteidigungsfähigen Kraft“ nutzen solle. &bdquo;Von hier könnte ein Signal des Friedens und Wohlstands ausgehen“, sagt der SPD-Politiker. Spezialstähle, die zum Beispiel in Marineschiffen, Flugzeugen und U-Booten benötigt würden, seien keine Produkte, &bdquo;die man von der Stange aus anderen Teilen der Welt bekommen kann“, sagt Ott. &bdquo;Die werden hier produziert.“

Ein mögliches Handlungsfeld könnte etwa eine Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Amerikanern beim Bau eines Kampfflugzeugs sein. Für den Tarnkappen-Jet F-35 A, der als fortschrittlichstes Kampfflugzeug der Welt gilt, entsteht am Niederrhein eine moderne Fabrik, in der Rumpfteile für den Flieger hergestellt werden sollen. Im Norden von Los Angeles werden wiederum Luftfahrtexperten des Unternehmens Rheinmetall ausgebildet, die später als Multiplikatoren für die Ausbildung im Bereich der Mittelrumpf-Fertigung in Düsseldorf-Weeze dienen sollen.

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Auch unter Beteiligten in der Region Ostwestfalen-Lippe spielen Rüstungsfragen inzwischen eine Rolle. Die Industrie- und Handelskammern haben verteidigungspolitische Ansprechpartner benannt, die sich derzeit in ersten Runden über mögliche Handlungsoptionen austauschen. &bdquo;Vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Entwicklungen hat das Thema Sicherheits- und Verteidigungspolitik deutlich an Relevanz gewonnen“, sagt Petra Pigerl-Radtke, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld, dieser Redaktion.

In Ostwestfalen seien bislang zwar keine großen Unternehmen der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie ansässig, allerdings seien einige Zulieferer – insbesondere aus dem Maschinenbau – in Teilbereichen auch für militärische Anwendungen tätig, erklärt Pigerl-Radtke. &bdquo;Sollte es im Zuge der Stärkung der Verteidigungskräfte Deutschlands, der EU und der NATO zu neuen Produktionsstätten von Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie kommen, wären entsprechende Ansiedlungen in Ostwestfalen grundsätzlich denkbar, sofern geeignete Gewerbeflächen verfügbar sind.“

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