Radikal und gewaltbereit: Junge Rechtsextreme aus OWL formieren sich

Bielefeld. Knapp 20 Maskierte posieren für die Kamera. Die meisten dürften noch als Jugendliche gelten. Sie zeigen ihre Muskeln, vor ihnen liegen Utensilien zum Kampfsporttraining. Es sind Neonazis, die meisten von ihnen organisiert in einem sogenannten &bdquo;Active Club“ in OWL. Ein Video zeigt die jungen Rechtsextremen beim Boxen im Wald. Sie alle gehören offensichtlich zu einer neuen Generation von Neonazis, die den Sicherheitsbehörden große Sorgen bereiten. Denn sie gelten als gewaltbereit – und manche sind bewaffnet, wie Recherchen dieser Redaktion zeigen.

September 2024: In ganz NRW geht die Polizei gegen mehrere Jugendliche vor. Im Fokus stehen eine Reihe Teenager, die sich in sozialen Medien organisieren und &bdquo;Asgard Warriors“ nennen. In der Snapchat-Gruppe landen neben rechtsextremen Inhalten auch Aufnahmen von Waffen. Einer der Jugendlichen: Leon P., damals 19 Jahre alt, aus Brilon im Hochsauerlandkreis, den die Behörden wegen seiner offensichtlichen Neigung zu Waffen und seiner rechtsextremen Ideologie schon länger im Fokus haben.

In der &bdquo;Asgard Warriors“-Gruppe soll er unter anderem ein Foto einer Schusswaffe geteilt haben, wahrscheinlich eine Schreckschusspistole, die Polizisten ihm zuvor bereits zeitweise abgenommen hatten. Dieser Redaktion liegen Fotos vor, die den jungen Mann mit einer Schusswaffe in der Hand oder in militärischer Kleidung zeigen.

Recherchen zeigen, dass P. gute Kontakte in die Neonazi-Szene in OWL zu pflegen scheint. Videoauswertungen legen nahe, dass er womöglich an Aktivitäten der rechtsextremen Gruppe &bdquo;Aktion Hermannsland“ beteiligt war. Ein Sammelbecken junger Rechtsextremer (wohl zwischen Teenager-Alter bis in die 30er), die ihre Banner- und Pyroaktionen öffentlichkeitswirksam inszenieren und so in den Fokus von Verfassungsschützern geraten sind.

Bundesweit gründen junge Rechtsextreme neue Gruppen Ende des vergangenen Jahres gab es zudem bei mindestens einem Anhänger von &bdquo;Aktion Hermannsland“ aus dem Kreis Lippe sowie drei Mitgliedern anderer rechtsextremer Gruppen aus OWL wie der &bdquo;Freischar Westfalen“ Durchsuchungen. Dabei fanden die Polizisten nach Informationen dieser Redaktion auch Waffen wie ein beidseitig geschliffenes Messer, Schreckschusspistolen und ein Luftdruckgewehr. Gegen einen damals 30-jährigen Rechtsextremisten aus Horn-Bad Meinberg läuft wegen der Waffenfunde aktuell ein Verfahren.

&bdquo;Active Club“, &bdquo;Freischar Westfalen“, &bdquo;Westfalens Erben“ oder andere Organisationen wie &bdquo;Deutscher Störtrupp“, &bdquo;Deutsche Jugend Voran“ sowie &bdquo;Jung und Stark“: In OWL und bundesweit gründen sich neue Gruppierungen. Ermittler und Verfassungsschützer sprechen von &bdquo;aktionsorientierten Jugendgruppen“. Die meisten ziehen vornehmlich Jugendliche an: Das zeigt sich zum Beispiel auf rechtsextremen Demos, die in ganz Deutschland regelmäßig angemeldet werden und auf denen vor allem junge Männer mitmarschieren. Einigen dieser Gruppen attestieren Sicherheitsbehörden zumindest, Gewalt zu befürworten.

.responsive23-XheEy0z7WrA5q6iH-bar-grouped-horizontal-straftaten-der-politisch { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-XheEy0z7WrA5q6iH-bar-grouped-horizontal-straftaten-der-politisch { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-XheEy0z7WrA5q6iH-bar-grouped-horizontal-straftaten-der-politisch { padding-top: 142.86%; } } Sicherheitsbehörden besorgt wegen Waffenaffinität Innerhalb der rechtsextremen Szene gibt es regelmäßig Funde von Waffen. Oft sind es erlaubnisfreie Waffen, wie Schreckschusspistolen, erlaubte Messer oder Teleskopschlagstöcke. Manchmal aber auch verbotene Gegenstände bis hin zu Schusswaffen. Generell ist die Affinität vor allem im Neonazi-Milieu zu Waffen groß, laut Verfassungsschützern nutzen die Extremisten sämtliche Möglichkeiten, sich auszurüsten. Die Sicherheitsbehörden sind deswegen alarmiert: Denn gerade in dieser Szene herrscht zeitgleich eine generell hohe Gewaltbereitschaft, auch verbunden mit einem Hang zu Kampfsport.

Die Gewaltbereitschaft zeigt sich derweil immer wieder. In OWL hat der Staatsschutz der Polizei im vergangenen Jahr zwölf rechte Gewalttaten erfasst, davon zehn Körperverletzungen. Insgesamt steigen die Zahlen rechter Straftaten rapide an. Experten warnen zudem: Die rechtsextreme Szene verändert sich, wird teils größer.

Jugendliche dominieren Teile der Szene, tragen Sneaker statt Springerstiefel und hören rechten Rap oder Techno statt Rock. Gruppen wie &bdquo;Active Clubs“ stellen laut Verfassungsschützern eine &bdquo;Erlebniswelt“ dar, dienen zur Rekrutierung neuer Anhänger und spielen bei der Radikalisierung eine große Rolle. Trotz Wandel in der Szene: An der radikalen Ideologie der Anhänger ändere sich dagegen nichts.

Vier junge Rechtsextreme klagen gegen Waffenverbot Als Spezialkräfte der Polizei im April 2023 mehrere Objekte im Kreis Lippe durchsuchen, in denen junge Neonazis leben, zeigt sich einmal mehr, wie groß der Drang zu Waffen in der Szene ist: Denn die Beamten finden unter anderem 36 Messer, drei Macheten (Schlagmesser), 15 PTB-Waffen (also etwa Schreckschusspistolen), vier Armbrüste und vier Sportbögen und sonstige Schlagwerkzeuge. Gegen die Rechtsextremen wurde zuvor wegen verschiedener Delikte ermittelt – unter anderem wegen einer Gewalttat.

Die vier jungen Neonazis (drei Brüder und ein enger Freund) sowie der Vater der Brüder erhalten ein Waffenverbot – wie einige andere Rechtsextreme aus OWL in der Vergangenheit auch. Dagegen klagen sie. Zeitnah wird sich das Verwaltungsgericht Minden mit dem Verbot befassen.

Den Sicherheitsbehörden sind die Personen bestens bekannt. Etwa weil sie seit vielen Jahren in der Szene aktiv sind und Teil extremistischer Organisationen sind. Teils wird ihnen ein aggressives Auftreten bis hin zu einer &bdquo;geringen Hemmschwelle zur Anwendung von Gewalt“ attestiert. Vor zwei Jahren wurde den drei Brüdern und dem Freund behördlich verboten, zu einem Neonazi-Kampfsportevent nach Ungarn zu reisen. Auch dagegen klagen sie damals vor dem Verwaltungsgericht – mit Erfolg.

Zurück zum &bdquo;Active Club“ in OWL: Seit einigen Monaten entstehen bundesweit Clubs wie diese. Junge Rechtsextreme organisieren sich konspirativ, betreiben gemeinsam Kampfsport, gehen wandern und sind politisch aktiv. Mitglieder werden von Verfassungsschützern vor allem der Neonaziszene zugerechnet. Experten halten sie für enorm gewaltbereit und daher für gefährlich.

Fotos mit Schusswaffe in der Hand Diese Redaktion hat in sozialen Medien mehrere Accounts ausfindig gemacht, die mindestens eine Nähe zu dem &bdquo;Active Club“ in OWL haben. Dabei handelt es sich primär um junge Menschen, laut eigenen Angaben teils erst 15 bis 18 Jahre alt und unter anderem aus Bielefeld. Dieser Redaktion liegen Aufnahmen vor, veröffentlicht von einem mutmaßlichen Mitglied des &bdquo;Active Clubs“. Auf einem Foto ist eine Schusswaffe zu sehen, ein sogenanntes Samurai-Schwert sowie zwei Messer. Ein anderes Bild zeigt, wie mutmaßlich der Rechtsextremist eine Schusswaffe in der Hand hält.

Und auch der Hang zu Kampfsport zeigt eine gewisse Gewaltbereitschaft des &bdquo;Active Clubs“ in OWL, was beispielsweise die Aufnahmen gemeinsamer Trainingseinheiten zeigen. Was ebenso dafür spricht: Der &bdquo;Active Club“ aus der Region ist offenbar nicht nur in sozialen Medien bestens vernetzt. Sei es mit anderen &bdquo;Active Clubs“ oder neugegründeten Gruppen für jugendliche Rechtsextreme bis hin zu militanten Neonazis. Dieser Redaktion liegen Aufnahmen vor, die bei einer gemeinsamen Wanderung des &bdquo;Active Clubs“ OWL in Porta Westfalica entstanden sein sollen. Auf einem Foto posieren teils maskierte Personen, geschätzt im Teenager-Alter, mit einer Reichsfahne. Ebenfalls dabei: bekannte Neonazis aus NRW und Niedersachsen, die als gewaltbereit anzusehen sind.

Der &bdquo;Active Club“ will von all dem nichts wissen. Nach einer ersten Berichterstattung über die rechtsextreme Organisation reagierte die Gruppe in sozialen Medien – und stellte sich als harmlose Vereinigung dar.

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