Kein Schuldeingeständnis im Philipos-Prozess – Verteidigung stellt sechs Anträge

Bad Oeynhausen/Bielefeld. Wer nach den doch relativ eindeutigen Videos von der Schlägerei mit Totschlag im Kurpark eine gewisse sicht- oder hörbare Reue oder gar ein verspätetes Schuldeingeständnis des Angeklagten 19-jährigen Syrers erwartet hatte, hatte offenbar zu viel erwartet. Stattdessen gab es sechs Anträge der Verteidigung, durch die erneut deutlich wurde, dass die Schuld weiterhin eher bei anderen gesucht wird. Für Staatsanwalt und Nebenklagevertreter eher Mittel zum Zweck, um den Prozess in die Länge zu ziehen, wie sie deutlich machten.

Seit Dezember stehen drei Angeklagte vor Gericht, gegen zwei von ihnen wurde das Verfahren jüngst eingestellt. Sie sollen an einer Schlägerei im Kurpark beteiligt gewesen sein. Der Hauptangeklagte, ein 19-Jähriger, muss sich außerdem wegen Totschlags vor der IV. Großen Strafkammer des Landgerichtes Bielefeld verantworten.

Die von Staatsanwalt Christoph Mackel geforderte rechtliche Belehrung des Angeklagten, dass auch ein Urteil wegen Mordes oder Raubmordes in Betracht kommen könne, griff der Vorsitzende Richter Carsten Glashörster zwar auf, aber schwächte sie deutlich ab. &bdquo;Es kann auch eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen geben, wegen versuchten Totschlages in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Diebstahl in besonders schwerem Fall und gefährlicher Körperverletzung in Betracht kommen“, zählte Glashörster auf. Große Teile davon seien bereits in der Anklageschrift zu finden.

Verteidiger im Philipos-Prozess stellen sechs Anträge Aus Sicht der Kammer seien der erste Schlag gegen Philipos und seinen Freund als vorsätzliche Körperverletzung zu werten. Möglicherweise habe der Angeklagte 19-Jährige als er die Verfolgung des flüchtenden Philipos aufnahm noch keine Tötungsabsicht gehabt, sondern erst danach bei den Tritten und Schlägen gegen den Kopf. Weil aber laut Rechtsmediziner nicht mehr festzustellen ist, welcher der beiden Schädelbrüche zum Tod von Philipos geführt hat, müsse, so der Richter, im Zweifel für den Angeklagten angenommen werden, dass möglicherweise schon der Sturz auf den Asphalt tödlich gewesen sei. Die weiteren Tritte würden dann als versuchter Totschlag angesehen.

Danach stellte Verteidiger Baris Devletli zusammen mit seinem Kollegen Burkhard Benecken - der nicht vor Ort war - sechs Anträge. Darin geht es unter anderem um Zeugenaussagen bei der polizeilichen Vernehmung vergangenen Sommer und um die Beantragung eines Sachverständigen, der die Schuhe des mutmaßlichen Täters dahingehend untersuchen soll, ob sie gereinigt wurden oder nicht.

Am vergangenen Prozesstag hatte ein Gutachter des Landeskriminalamtes erklärt, dass es eine minimale Blutspur von Philipos’ am Schuh des Angeklagten gegeben habe. Und zwar links vorne außen, in Höhe des kleinen Zehs. Weitere Spuren seien zwar gesichert worden, aber zu gering für eine verwertbare Analyse gewesen.

Nach Ansicht der Verteidigung hätte es vor allem Spuren am rechten Schuh und unter der Schuhsohle gegeben haben müssen, wenn ihr Mandant wie von Zeugen beschrieben zugetreten hätte. &bdquo;Mein Mandant ist Rechtshänder und damit hätte der rechte Schuh mehr Spuren aufweisen müssen“, führte Devletli als Begründung an. Allerdings ist nicht jeder Rechtshänder zwingend auch ein Rechtsfuß. Devletli: &bdquo;Wenn die Schuhe nicht gereinigt wurden, sind die Schilderungen der Zeugen frei erfunden, um ihre eigene mögliche Tat zu vertuschen.“ Der Richter erinnerte danach an die Aussage des Rechtsmediziners. So lasse ein Fehlen von DNA-Spuren nicht automatisch die Schlussfolgerung zu, dass nichts passiert sei.

Verteidiger im Philipos-Prozess beantragen Handy-Auswertung Zudem beantragten die Verteidiger, erneut zwei Handys auszuwerten, um das Foto des sterbenden Philipos zu rekonstruieren. &bdquo;Die Polizei hat äußerst unsorgfältig ermittelt“, bemängelte Devletli. Bereits im Sommer 2024 seien die Handys der Beteiligten durchsucht und keine Videos gefunden worden. Nun seien aber auf einem eben dieser Handys neun Monate nach der Tat zwei Videosequenzen aufgetaucht. &bdquo;Wie kann das in einem Tötungsverfahren passieren? Das zeigt, wie hier ermittelt, beziehungsweise nicht ermittelt wurde.“

Dieses Foto könne nach Ansicht der Verteidigung die Einlassung des 19-jährigen Syrers aus Februar stärken. Damals hatte er erklärt, er sei Philipos nur gefolgt und als der gestolpert und gefallen sei, habe er umgedreht. &bdquo;Das Foto würde zeigen, dass noch ein bis zwei andere bei Philipos waren, die möglicherweise auf Philipos eingetreten haben, als mein Mandant längst weg war“, so Devletli.

Staatsanwalt fordert Konsequenzen von Seiten des Angeklagten Während ein weiterer Freund von Philipos, sowie mehrere Zeugen ausgesagt hatten, dass derjenige, der auf den am Boden liegenden Philipos eingetreten habe, eine neonorangefarbene Trainingsjacke getragen habe und ihre Beschreibung auf den Hauptangeklagten passte, erklärter dieser, er habe lediglich den ersten Schlag gesetzt, mehr nicht.

Wie berichtet, war die Begegnung zwischen der Gruppe um Philipos und die zehnköpfige Gruppe um den Syrer vergangenen Juni im Bad Oeynhausener Kurpark eskaliert, weil dieser etwas vom Koks abhaben wollte. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte mehr Koks in der Tasche von Philipos vermutete und ihm deshalb nachsetzte. &bdquo;Es gibt hier nur einen, der permanent gelogen hat - nämlich der Angeklagte selbst“, erklärte Mackel und forderte Konsequenzen von Seiten des Angeklagten.

Einige Aussagen in der Einlassung des 19-jährigen Angeklagten hätten sich nach dem Anschauen der Videos eindeutig als Lügen entpuppt. Zum Beispiel, dass er die Tasche nicht an sich genommen habe. Oder, dass er Philipos nicht zu Boden gebracht habe. Und auch der Anwalt von Philipos’ Vater als Nebenkläger, Philippos Botsaris, sah das ähnlich: &bdquo;Nach dem Inhalt der heutigen Anträge dürfte ja bei der angekündigten Einlassung nichts Neues kommen. Das alles weiter zu verzögern, macht doch keinen Sinn.“

Auffällige Jacke im Fall Philipos weiterhin verschwunden Die erneute Einlassung des Syrers, dessen auffällige Jacke nach wie vor verschwunden ist, kündigte Devletli für den nächsten Verhandlungstag am 28. April an. Er und sein Kollege Benecken schafften es erst am 23. April, ihren Mandanten in der JVA Herford zu besuchen und die Einlassung zu besprechen.

Am 28. April wird sich das Gericht zudem zu den gestellten Anträgen verhalten. Außerdem stehen der Bericht der Jugendgerichtshilfe sowie das psychiatrische Gutachten und der Auszug aus dem Bundeszentralregister auf der Tagesordnung. &bdquo;Je nach Schnelligkeit können wir dann vielleicht die Beweisaufnahme schließen und mit den Schlussreden beginnen“, erklärte Richter Carsten Glashörster, der zudem noch den Polizeibeamten kontaktieren will, wie es sich mit dem möglichen Fund des noch verschollenen Fotos verhält.

Die Plädoyers werden nicht öffentlich sein. Das Urteil könnte dann am 7. oder 9. Mai gesprochen werden.

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