Bad Oeynhausener Kurpark-Prozess: Verteidiger will Haftentlassung

Bielefeld/Bad Oeynhausen. Der achte Verhandlungstag im Fall des getöteten Philipos begann vor dem Landgericht Bielefeld, wie der siebte endete: Mit einer Zeugin, die sich an nichts erinnern konnte. Drei Stunden lang erklärte eine 17-jährige Bad Oeynhausenerin, von nichts zu wissen und auch nichts gesehen zu haben. Dann knickte sie unter den drängenden Fragen der Staatsanwaltschaft ein und gab in weiteren 90 Minuten Vernehmung zu, auf Anweisung eines Freundes gelogen zu haben. Mit ihrer Aussage belastete sie die beiden mitangeklagten Deutschen und einen weiteren, bisher unbekannten und nicht angeklagten jungen Mann schwer. Für Strafverteidiger Burkhard Benecken Grund, Antrag auf Haftentlassung für seinen Mandanten, einen 19-jähriger Syrer aus Bad Oeynhausen, zu stellen.

Die 17-Jährige aus Rehme hat die Tat nach eigenen Angaben nicht direkt mitbekommen, da sie zu dem Zeitpunkt mit ihrer Freundin auf der Toilette im GOP gewesen sei. Den hauptangeklagten Syrer habe sie flüchtig gekannt, sie habe ihn als höflich und nett kennengelernt, ein eher ruhigerer, stiller Typ. Zur Aufklärung der Tat aber will sie an diesem Morgen im Landgericht nur bedingt beitragen. Sie wisse nichts, wiederholt sie ständig. Das bringt den Vorsitzenden Richter Carsten Glashörster auf die Palme. &bdquo;Verarschen kann ich mich selbst. Sie wissen doch noch was von dem Abend. Der Junge ist tot“, appelliert er.

Totschlag im Kurpark: Der Fall Philipos T. im Überblick Der 20-jährige Philipos T. wurde in der Nacht zum 23. Juni 2024 am Rande einer Abi-Party im Kaiserpalais tödlich verletzt. Hauptbeschuldigter ist ein heute 19-jähriger Syrer. Er soll Philipos auf den Kurhausterrassen zuerst verbal attackiert, dann auf dessen Kopf eingeschlagen und eingetreten haben. Seine zwei deutschen Begleiter, beide 19 Jahre, sind wegen gefährlicher Körperverletzung und Hehlerei angeklagt. Der Hauptbeschuldigte hatte am vierten Tag der Hauptverhandlung für Empörung gesorgt, als er bestritt, für Philipos’ Tod verantwortlich zu sein. Man habe ihn frühzeitig vorverurteilt, weil er als syrischer Flüchtling gut ins Bild gepasst habe, so sein Vorwurf. Philipos’ Eltern haben bereits ausgesagt. Seiner Mutter liefen während der 50-minütigen Aussage immer wieder Tränen über die Wange. Sein Vater sagte aus, er komme mit dem Verlust nicht klar und befinde sich in psychologischer Behandlung. Freunde der Angeklagten fielen in Ihren Aussagen durch Erinnerungslücken und widersprüchlichen Angaben im Vergleich zur polizeilichen Vernehmung auf. Philipos’ Mutter wendet sich an die Zeugin Und auch Philipos’ Mutter ergreift das Wort, bevor sie den Saal kurzzeitig verlässt: &bdquo;Mein Sohn ist tot. Vielleicht überlegst du dir ein bisschen mehr, was war.“ So richtig fruchtet das nicht bei der 17-Jährigen, die vergangenen Sommer ihren Schulabschluss gemacht hat. &bdquo;Sie hängen da auf dem Stuhl, haben keinen Bock und mauern. Ich glaube nicht, dass Sie erleben möchten, wie mir der Arsch platzt. Sie wissen, dass eine Falschaussage strafbar ist“, wird Richter Glashörster deutlich. Wer die Chats lese, die die Polizei ausgewertet habe, könne sehen, dass bei ihr alle Fäden des Abends zusammenliefen. Die 17-Jährige ist diejenige, die sowohl Kontakte zu der Gruppe um den 19-jährigen Syrer als auch zu der Gruppe der Angeklagten aus Bad Oeynhausen und Magdeburg hatte. Nach drei Stunden knickt sie dann bei der Zeugenbefragung ein. Ein Freund habe gesagt, sie solle nichts sagen.

&bdquo;Warum?“, will Staatsanwalt Christoph Mackel wissen. Er habe seine Freunde schützen wollen, begründet sie. In ihren weiteren Aussagen erklärt die Zeugin, dass ihr Freund, der auch in ihrer Klasse gewesen sei, ihr gesagt habe, dass die beiden mitangeklagten 19-Jährigen Philipos geschlagen und getreten haben sollen. Auch eine dritte, bislang unbekannte und nicht angeklagte Person sei dabei gewesen. Diese soll ein Hemd getragen und braune Haare gehabt haben. Angeblich habe das Trio den Kopf Philipos’ auf den Boden geschlagen. Sie selbst habe das nicht gesehen, weil sie auf der Toilette gewesen sei. Letzteres bestätigten im Laufe des Prozesses bereits mehrere Zeugen. Die 17-Jährige gab deshalb nur wieder, was ihr Freund ihr von der Tat erzählt hatte. &bdquo;Er hat auch gesagt, dass zwei Leute geschlagen wurden.“

Zeugin belastet die Mitangeklagten

Dass es bei der Tatbeschreibung ihres Kumpels aber um Philipos gegangen sei, sei ihr klar gewesen. Weil ihr Freund Philipos gekannt und namentlich benannt habe. &bdquo;Die kommen ja beide aus Minden“, erklärt sie. Auch gibt sie zu, dass sich die Gruppe um die beiden Mitangeklagten vor der Aussage bei der Polizei abgesprochen habe. &bdquo;Alle haben mitgeschlagen“, sagt die 17-Jährige. Alle. Bis auf den bislang Hauptbeschuldigten.

Bei dieser Aussage ist ein leiser Triumph in den Gesichtszügen von Verteidiger Burkhard Benecken erkennbar. Während die Staatsanwaltschaft laut Anklage davon ausgeht, dass der 19-jährige Syrer Philipos in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 2024 im Kurpark von Bad Oeynhausen mit Schlägen und Tritten so schwer verletzt hat, dass er zwei Tage später im Klinikum Minden mit schweren Hirnschäden starb, und dem Syrer unter anderem Totschlag und Körperverletzung vorwirft, hatte sein Verteidiger von Anfang an von einem Komplott gegen seinen Mandanten gesprochen.

Was er in der Begründung für den Antrag auf Haftentlassung erneut aufgreift und aus einem Chat zitiert: &bdquo;Sag einfach, das war alles dieser Araber.“ Es bestehe, so Benecken, kein dringender Tatverdacht auf Totschlag mehr gegen seinen Mandanten, lediglich der Vorwurf der Körperverletzung. Auch bestehe keine Fluchtgefahr. Die verschiedenen Zeugenaussagen lenkten den Blick dagegen eher auf den Mitangeklagten aus Magdeburg. Der sei kein neutraler Zeuge, sondern eventuell selbst an der Tat beteiligt. Wie berichtet, hatte der Magdeburger bisher den Syrer schwer belastet, weil er die Tat in allen Einzelheiten beschreiben konnte.

Staatsanwalt wirft Verteidiger schlechte Beweisführung vor

&bdquo;Ihr Antrag ist eine Beweisführung für Anfänger“, wirft Mackel dem Staranwalt vor. Er plädiert für Haftfortdauer und lehnt den Antrag ab. Der dringende Tatverdacht habe sich mehr als bestätigt. Nun muss der Richter entscheiden.

Kurz vorher sagte eine gute Freundin des Syrers aus, die ihn am Tatabend aber nur für ein kurzes Gespräch am Bahnhof getroffen hatte. Sie ist bisher die erste Zeugin, die flüssig und ruhig über den Abend spricht, den jungen Mann als netten, hilfsbereiten und aufmerksamen Typ beschreibt. Die 18-jährige Auszubildende erzählt, dass der Hauptbeschuldigte im Juni ein Praktikum in einer Mindener Firma gemacht und gehofft habe, dort eine Ausbildung machen zu können. &bdquo;Eine Ausbildung zu haben, war ihm schon sehr wichtig“, erzählt sie. Er habe oft Gras geraucht, sei aber weder aggressiv noch auf Stress aus gewesen. Sorgen habe sie sich allerdings gemacht, als unmittelbar nach der Tat eine Gruppe gesucht wurde, in der einer eine auffällig neonorangefarbene Trainingsjacke getragen habe. &bdquo;Die hatte er an dem Abend an.“

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