Bad Oeynhausener Kurpark-Prozess: Polizei kann gelöschtes Tat-Video rekonstruieren

Bad Oeynhausen. Überraschende Wende im Philipos’ Prozess. Noch am Morgen hatte ein Polizeibeamter als Zeuge ausgesagt, dass auf den sichergestellten Handys bisher kein Video des Kurpark-Totschlags zu finden sei. Nur wenige Stunden später taucht der besagte Polizist erneut im Bielefelder Landgericht auf. Mitgebracht hat er ein Video, das offenbar auf dem Handy des angeklagten Magdeburgers gefunden worden ist.

Das Video, das nach Ende des 13. Verhandlungstages nicht öffentlich im Gerichtssaal angeschaut worden ist, soll nach Informationen der Redaktion den am Boden liegenden Philipos zeigen und eine Person, die über ihm steht. Dabei soll es sich um den beschuldigten Syrer handeln. Zumindest seine auffällige Jacke soll auf den Aufnahmen, die in schlechter Qualität sein sollen, zu erkennen sein. Das Video soll in der Verhandlung am 7. April erneut gezeigt werden. Offenbar ist aber genau das auf den Bildern zu sehen, was die Zeugen an den letzten Verhandlungstagen beschrieben hätten. Bei den Aussagen im Laufe des Donnerstags sah vorher alles noch deutlich diffuser aus.

Für die Polizei stand der Täter im Fall Philipos offenbar schnell fest. &bdquo;Wir hatten weder vor der Tat noch danach Hinweise, dass ein anderer als der Angeklagte in den Totschlag involviert war“, erklärt ein Polizeibeamter am Donnerstag im Zeugenstand. Er war Aktenführer in der Mordkommission und sollte dem Gericht einen Überblick über die Ermittlungen geben. Bisher sind laut seiner Aussage zudem vier von fünf sichergestellten Handys ausgewertet worden - Videos und Fotos vom Tatgeschehen habe die Polizei auf diesen Geräten aber nicht gefunden. Außerdem wurde ein 20-jähriger Mindener erneut als Zeuge vernommen - er hat bei seiner ersten Vernehmung gelogen. Und auch nun wirkte er an manchen Stellen wenig glaubhaft. Weshalb die Schwester des verstorbenen Philipos den Zeugen direkt ansprach - immerhin war er in ihrer Abiturstufe und kam kurz nach der Tat zum Trösten vorbei.

Schon kurz nach der Tat detaillierte Täterbeschreibung Gleich am Morgen des 13. Verhandlungstages vor der IV. Großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld berichtet der 31-jährige Polizeibeamte über die Ermittlungen. Schon kurz nach der Tat habe es von einem von Philipos’ Begleitern eine detaillierte Täterbeschreibung gegeben. &bdquo;Südländisches Aussehen, dunkle Haare, Oberlippen- und Kinnbart sowie eine neonorangefarbene Trainingsjacke“, habe die gelautet. Mit genau dieser Beschreibung sei die Polizei dann am Sonntag an die Öffentlichkeit gegangen. In den zwei Tagen nach der Tat im Juni vergangenen Jahres seien dann rund 40 bis 50 Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen. In erster Linie seien das Fotos und Videos der Teilnehmer des Abiballs gewesen.

Während es wohl, so die Aussage des Beamten, zu Beginn nicht so ausgesehen habe, schnell einen Täter zu finden, sei man dann beruhigt gewesen, als man relativ schnell die Beteiligten habe ausmachen können. Durch eine Quellenvernehmung, so der Polizeibeamte, sei man dann auf den beschuldigten Syrer gekommen. Auch ein Kollege habe dann nähere Infos beisteuern können, weil er im Zuge eines Automatenaufbruchs mit dem Hauptangeklagten zu tun gehabt habe. Letztlich wurde ein erkennungsdienstliches Bild aus dem Jahr 2022 den Zeugen vorgelegt. &bdquo;Und dann haben sich ja die beiden anderen Angeklagten gemeldet und das Tatgeschehen beschrieben.“

Auch die Funkzellenauswertung habe gezeigt, dass der Angeklagte sich zur Tatzeit dort aufgehalten und mehrfach telefoniert habe. All das sei Grundlage für den Durchsuchungsbeschluss und die Festnahme des 19-jährigen Syrers am 27. Juni 2024 gewesen. Auch eine Videoauswertung vom Bahnhofsvorplatz habe den Beschuldigten samt gesuchter Jacke gezeigt. Die auffällige Jacke, die der 19-jährige Syrer bei der Tat getragen haben soll, ist allerdings weiterhin verschwunden. Auch bei der Hausdurchsuchung habe die Polizei sie nicht gefunden. Sichergestellt worden sei aber eine Jeans sowie mehrere Paare Schuhe.

Anwalt bemängelt die polizeiliche Ermittlung &bdquo;Ist es richtig, dass Sie keine Hinweise auf andere Personen hatten, die für die Tat infrage kommen?“, wollte Strafverteidiger Burkhard Benecken, der den Syrer vertritt, wissen. &bdquo;Nach der Aussage des weiteren Angeklagten ist ausschließlich mein Mandant als Täter geführt worden und kein anderer?“ Das, so bestätigte der Polizeibeamte, &bdquo;ist korrekt“. &bdquo;Haben Sie vieles so hingenommen, weil ja ein Verdächtiger feststand?“, fragte Benecken und spielte damit auf Chatnachrichten und gegoogelte Begriffe an. Nach Beneckens Theorie sei die Polizei froh gewesen, einen Beschuldigten gefunden zu haben. &bdquo;Nur so ist es zu erklären, warum die Polizei nicht in alle Richtungen ermittelt hat.“

Laut des Polizeibeamten soll zudem das zweite Opfer, ein Freund von Philipos, bei seiner Vernehmung zugegeben haben, dass er einen aus der Gruppe direkt angegriffen habe. Was wiederum den Pflichtverteidiger des zweiten Bad Oeynhausener Angeklagten zur Frage veranlasste, warum dann sein Mandant angeklagt sei und nicht umgekehrt. &bdquo;Es wird einen Grund geben, warum er als Beschuldigter geführt wird“, erklärte der Polizist.

Inzwischen sind alle sichergestellten Handys forensisch gesichert worden. Die Daten seien auf eine Festplatte gezogen worden und würden nun mittels Software ausgewertet. Noch am Morgen erklärte der Polizist, bisher seien keine Videos oder Fotos der Tat gefunden worden. Dass diese existiert haben, gab bei seiner zweiten Vernehmung auch ein 20-jähriger Mindener zu. Er habe die Videos verschwiegen, weil sie ja gelöscht gewesen seien und damit keine Rolle mehr spielten. Seinen Aussagen nach wollen sich die Freunde untereinander nie über diese Videos unterhalten haben. Laut Aussage des Mindeners soll auf dem Video eine Rangelei auf dem Boden und der einige Meter weiter am Boden liegende Philipos zu sehen gewesen sein. &bdquo;Auf dem Video stand eine andere Person bei Philipos. Und das war der Angeklagte“, schildert der Zeuge das, was er gesehen haben will.

Philipos Schwester konfrontiert Mitschüler Das wollte die Schwester von Philipos so nicht stehen lassen. &bdquo;Bist du nach deinem Urlaub selber zur Polizei? Oder ist die Polizei auf dich zugekommen? Warum hast du mich angelogen?“, wollte sie vom Zeugen wissen. Die beiden waren zusammen in der Jahrgangsstufe und haben vergangenes Jahr zusammen Abitur am Mindener Ratsgymnasium gemacht. Kurz nach der Tat habe er sie aufgesucht, sie getröstet. &bdquo;Du hast abgestritten, beteiligt gewesen zu sein. Du hast gesagt, du hast nichts gewusst. Du hast mir deine Hilfe angeboten, weil mein Bruder im Sterben lag. Was hast du zu verbergen? Du willst uns erzählen, dass ihr nicht über das Video gesprochen habt? Dass ihr stumm angeschaut habt, wie jemand tödlich verletzt wird und es dann zur Seite gelegt habt? Du ignorierst stumpf, dass ein Mensch verprügelt wird? Ist das normal?“

Der Prozess wird am 7. April mit dem Gutachten des LKA, das angeblich Blutspritzer am Schuh des Syrers gefunden hat, sowie dem Gutachten der Gerichtsgutachterin fortgesetzt. Wenn es dann keine weiteren Anträge gibt, könne, so der Vorsitzende Richter Carsten Glashörster, die Beweisaufnahme abgeschlossen und bereits im April statt erst im Mai plädiert werden. Das zumindest war die Aussage im offiziellen Teil des Verhandlungstages. Nun aber soll wohl das Video Thema des nächsten Prozesstages werden.

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