Kritik an Polizei: Wieso Videos wie im Fall Philipos so spät auftauchen

Bielefeld/Bad Oeynhausen. Selbst der Staatsanwalt entschuldigt sich für diese Versäumnisse: Die Polizei hat im Zuge der Ermittlungen zu der Tötung von Philipos Tsanis in Bad Oeynhausen ein wichtiges Video erst beim zweiten Anlauf auf dem Handy eines Zeugen gefunden. Es zeigt das Opfer, das von einem mittlerweile angeklagten Syrer kurz zuvor schwer verletzt worden sein soll, während es auf dem Boden liegt und offenbar mit dem Leben kämpft. Wieso hat die Polizei diese relevante Aufnahme erst so spät gefunden?

Die Tat ereignete sich im vergangenen Sommer, der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter läuft seit Dezember 2024 am Landgericht Bielefeld. Die Verhandlung ist von Lügen und Falschaussagen der Zeugen geprägt, dennoch wurde im Verlauf klar, dass es Videos geben muss, die Teile der Tat oder das Opfer zeigen. Im ersten Anlauf fand die ermittelnde Bielefelder Polizei nichts, erst Monate später bei erneuten Auswertungen von Handys des Zeugen – wohl durch einen erfahrenen Beamten – wurden insgesamt drei relevante Videos sichtbar.

Generell, so heißt es aus Sicherheitskreisen, arbeitet die Polizei bei der Auswertung von Datenträgern mit einer Software, die die Ermittlungen erleichtern soll. Der Grund: Die Kripo steht oft vor enormen Datenbergen. Auf Handys kann beispielsweise eine fünf- bis sechsstellige Anzahl an Fotos und Videos gespeichert sein – so auch bei dem Zeugen im Fall Philipos, wie im Prozess klar wurde. Die Polizei-Software kann diese Datenberge durch Filter eingrenzen, zum Beispiel für einen vorher angegebenen Zeitraum.

Experte fordert bessere Schulungen der Kripo Dass die Software allerdings direkt relevante Aufnahmen ausspuckt, ist nicht der Fall. Oft sei ebenso eine händische Auswertung erforderlich, um wichtige Videos zu finden. Was ebenfalls problematisch ist: Hat eine Aufnahme zum Beispiel keinen Zeitstempel, wird es auch in den Ergebnissen durch entsprechende Filter der Software gelistet. Andere Videos können beispielsweise nicht immer abspielbar sein, die Kripo müsste in solchen Fällen technisch nachjustieren.

Der Kripo-Gewerkschafter Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter kennt die Vorgehensweise genau. &bdquo;Werden generell erst im zweiten Versuch bestimmte Aufnahmen gesichert, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die Person kann zum Beispiel in der Zeit etwas geschickt bekommen haben, die von der Polizei eingesetzte Software hat zwischenzeitlich ein Update bekommen – oder die auswertende Person ist nicht so sicher im Umgang mit dem Tool“, sagt Huth. Der Gewerkschafter fügt daher deutlich dazu: &bdquo;Sollte Letzteres der Fall sein, dann sollte der Umgang mit der Software generell besser geschult werden.“

In fast allen Ermittlungen spielen Handys und Laptop große Rolle Huth berichtet von hohen Belastungen bei der Kripo im Rahmen der Auswertung von Datenträgern. &bdquo;Es gibt kaum ein Verfahren, in dem Handys, Laptops oder andere Speichermedien keine Rolle mehr spielen“, sagt Huth. &bdquo;Gerade im Bereich Kinderpornografie schieben wir einen Berg vor uns her.“ Das liegt allerdings auch daran, weil Datenträger im Rahmen von Ermittlungen erst &bdquo;geknackt“ werden müssen, sofern deren Besitzer die Passwörter nicht angeben. Gerade im Kampf gegen Kinderpornografie werden Computer in der Regel aufwendig geschützt, berichten mit solchen Ermittlungen vertraute Personen.

Huth sieht daher auch eine Überlastung bei der Kripo als möglichen Grund für einen Fehler, wie er offensichtlich im Fall Philipos Tsanis passiert ist. &bdquo;Es fehlt bei der Kriminalpolizei an Personal, das sich gezielt mit der Auswertung von Datenträgern befasst oder die Kapazität hat, Laptops und Co. akribisch auszuwerten“, sagt Huth.

Was genau bei der Polizei Bielefeld schiefgelaufen ist, bleibt offen. Die Behörde will sich nicht zu dem Fall äußern, da der Prozess noch läuft. Im Rahmen der Gerichtsverhandlung kam zur Sprache, dass die Aufnahme des am Boden liegenden Philipos Tsanis erst durch einen Pfad zu einem Unterordner von Snapchat zutage gebracht wurde. Möglich, dass diese Möglichkeit im Rahmen der ersten Auswertung nicht bekannt war. Aus Sicherheitskreisen heißt es, dass generell nicht alle Beamten im Umgang mit der Software zur Auswertung von Datenträgern ausgebildet seien.

Bisher ist noch unklar, welche mögliche Folgen die gefundenen Aufnahmen für den Verlauf des Prozesses gegen den Syrer haben könnten.

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