Aus Bielefelder JVA geflohener Straftäter meldet sich live bei TikTok

Bielefeld. Der gesuchte Straftäter, der am Dienstagmorgen aus der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne ausgebrochen ist, ist weiterhin flüchtig. Recherchen dieser Redaktion zeichnen ein Bild des Mannes, sie zeigen, wie er seine Flucht überhaupt schaffen konnte - und wohin er geflohen sein könnte. Selbst jetzt noch verhöhnt der Mann die Polizei, indem er sich live von seiner Flucht meldet. Eine Recherche.

Der 39-Jährige wirkt athletisch, zeigt sich kampfsportbegeistert. In Videos in sozialen Medien trainiert er Boxen mit Kindern und zeigt sich beim Schattenboxen. Der Mann, nach Informationen dieser Redaktion heißt er Ahmet A., trainiert offenbar viel. Er ist groß - laut Polizei exakt 1,86 Meter -, trägt Bart und Glatze.

Die Polizei hält ihn für nicht ungefährlich. In sozialen Medien verbreitete er auf diversen Profilen, die dem Mann zugerechnet werden können, eindeutig gewaltverherrlichende Videos. Zum Beispiel Aufnahmen auf einer Überwachungskamera, die eine Schlägerei in einem Parkhaus filmt. Er wurde Anfang Juni verhaftet, weil er auf der Plattform TikTok in zwei Livestreams eine Schusswaffe gezeigt und Polizisten gedroht haben soll. Das SEK schlug schließlich zu, auch weil A. wegen anderer Delikte zuvor zu einer Haftstrafe verurteilt wurde - selbst seine Festnahme ist in Ausschnitten eines Livestreams zu sehen. Er landete in der JVA Essen, wurde später nach Bielefeld verlegt.

Livestream in der Nacht Ahmet A. scheint die Polizei generell nicht sonderlich Ernst zu nehmen. In der Nacht auf Dienstag ging er immerhin erneut live bei TikTok mit anderen Personen. Dort zeigen ihn unter anderem Clips des Streams in einem Mercedes - mutmaßlich sein privates Auto, das er in anderen Videos immer wieder präsentierte. Er erklärt darin unter anderem, dass er geflohen sei. Bereits zuvor verbreitete er bei Instagram einen Post, in dem er die Berichte dieser Redaktion zu seiner Flucht als &bdquo;Lüge“ bezeichnete.

In dem TikTok-Stream von Dienstagnacht erzählt er auch, dass er angeblich in Österreich sei. Womöglich aber eine Lüge. Denn: Andere Spuren, die dieser Redaktion vorliegen, legen nahe, dass A. am frühen Mittwochmorgen am Flughafen in Brüssel war. Zumindest verbreitete er ein Foto auf einem anderen Kanal in den sozialen Medien, das ihn dort - zusammen mit anderen Personen - zeigt. Ob er einen Flug von dort genommen hat, ist offen - aber wahrscheinlich. Naheliegend wäre eine Flucht in die Türkei.

Fluchtversuch schon einen Tag zuvor? Ebenfalls erzählt er, er habe angeblich einen Tag vor seiner gelungenen Flucht bereits versucht, aus dem Gefängnis auszubrechen - eine Bestätigung für die Aussage fehlt bisher. Faktisch handelt es sich bei der JVA Bielefeld-Senne zwar um einen offenen Vollzug und die Insassen dürfen tagsüber das Gefängnis verlassen, jedoch war A. laut Behörden in einem Teil untergebracht, in dem ihm dieses Privileg nicht gestattet war.

Doch sowohl das Live-Video als auch das Foto bei Instagram zeigen, dass A. sein Äußeres mittlerweile verändert hat. Sein Bart ist mittlerweile ab. Die Polizei fahndet weiter nach ihm, bisher jedoch noch nicht mit einem öffentlichen Foto.

Straftäter überwand meterhohe Hürden Die Recherchen zu A. geben jedoch auch weiter Aufschluss zu seiner Flucht. Laut Behörden spielte sich der Ausbruch so ab: A., der seit dem 11. Juni in der JVA Bielefeld-Senne war und dem hier eine Untauglichkeit für den offenen Vollzug attestiert wurde, sollte in den geschlossenen Vollzug der JVA Geldern verlegt werden. Grund für seine Haftstrafe, die bis 2028 dauern soll, sind Verkehrsdelikte.

Als er am Dienstagmorgen verlegt werden soll, habe er einen Bediensteten - insgesamt waren fünf im Einsatz - umgestoßen und anschließend ein etwa 2,80 Meter hohes Rolltor sowie einen gleichhohen Zaun überwunden haben. Anschließend floh er von der JVA im Bielefelder Süden in Richtung A33, dort verlor sich die Spur.

Hatte A. Hilfe bei der Flucht? In sozialen Medien veröffentlichte A. Videos, die zeigen, wie athletisch er wirklich war - und dass es für ihn offenbar ein Leichtes war, selbst diese Höhe zu überwinden. So zeigt eine Aufnahme A., wie er nahezu aus dem Stand über ein Auto springt oder ein etwa vier Meter hohes Klettergerüst in Windeseile erklimmt, um anschließend mit einem Salto vom Dach des Spielgerätes zu springen.

Und was ist mit seinem Rocker-Hintergrund, der anfangs gemeldet wurde? Bei seiner Festnahme Anfang Juni fand die Polizei eine Kutte, die ein möglicher Hinweis auf seine Zugehörigkeit zur Rockerszene sein könnte. Er selbst dementiert das. Videos in sozialen Medien zeigen ihn allerdings mit Selo A. aus Duisburg - der gilt als einflussreichster Hells Angel in Nordrhein-Westfalen.

Viele Hintergründe seiner Flucht bleiben aber auch mehr als 24 Stunden danach ungeklärt. Hatte er Hilfe? Und wenn ja; von wem? War die Flucht geplant - oder spontan? Indizien, die mittlerweile bekannt sind, deuten zumindest darauf hin, dass er durchaus Hilfe gehabt haben könnte. Von wem ist offen. In einem Livestream während seiner Flucht sagte er nur in &bdquo;Straßenslang“: &bdquo;Ich bin mit den Jungs.“

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