Probetour im autonomen Bus durch Herford: „Ich habe mich komplett sicher gefühlt“

Herford. Kann man fast 17 Minuten so gut wie vollautomatisch in einem Fahrzeug auf Herfords Straßen unterwegs sein? Anscheinend schon, wie jetzt eine Testfahrt im autonomen Ultimo-Bus beweist. Die Redaktion ist dabei gewesen.

Knapp drei Kilometer zuckelt der Elektro-Shuttle am Dienstagmittag, 25. Juni, durch die City, legt (fast) den gesamten Rundkurs – Start- und Endpunkt ist der ZOB am Bahnhof – im Autopilotmodus zurück. Mit an Bord ist auch Bürgermeister Tim Kähler. Dieser wird nachher sagen: &bdquo;Sobald das Ding ne’ Zulassung hat, wird das bei uns eingesetzt!“ So oder so: Bald können alle interessierten Bürger im Zuge der derzeit laufenden Erprobungsphase in den Genuss einer Ultimo-Fahrt kommen. Doch dazu später mehr.

Bevor sich die Türen des Ultimo-Busses am Dienstag schließen und dieser auf die Piste geht, gibt es einige Infos von Jonathan Scheu rund um das ambitionierte ÖPNV-Projekt. Scheu ist Projektmanager beim Unternehmen ZF Mobility Solutions. Der Technologiekonzern hat das rund 9,2 Tonnen und bis zu 54 km/h schwere Elektromobil gemeinsam mit dem Shuttle-Hersteller eVersum entwickelt. Auch die Deutsche Bahn ist beteiligt, koordiniert die aufwendige Maßnahme. Herford gehört neben Oslo und bald auch Genf zu den drei Städten, die an dem zukunftsweisenden Mobilitätsprojekt beteiligt sind.

Mit 35 km/h durch die City Scheu sagt: &bdquo;Theoretisch hätten 22 Passagiere im Ultimo-Bus-Platz. Für die laufende Testphase stehen aber nur neun Sitzplätze zur Verfügung.“ Die sind am Dienstag ratzfatz belegt. Neben Bürgermeister Kähler ist auch dessen Stellvertreter Werner Seeger mit von der Partie, dazu Pressevertreter sowie Offizielle von ZF und der DB.

Allerdings: Am Ultimo-Steuer sitzt ZF-Mitarbeiter Sebastian Weber. Auf dem Platz neben ihm überwacht seine Kollegin Elisabeth Zanker einen Bildschirm. Projektmanager Scheu versichert jedoch, dass die Technik während der Fahrt zum größten Teil die Kontrolle über den Mini-Bus übernehme. Der Pilot werde nur an bestimmten Stellen eingreifen, beispielsweise bei der Anfahrt. Dann fährt der Shuttle los.

Sebastian Weber lenkt das Gefährt vom ZOB auf Bahnhofstraße, an der Go-Parc-Kreuzung Richtung Engerstraße ab. Kurz darauf blinkt es auf einem Display im Cockpit. Der Bus fährt jetzt autonom – allerdings in recht gemütlichem Tempo. 35 Stundenkilometer ist auf einer Anzeigetafel zu lesen. &bdquo;Schneller wird es heute auch nicht. Künftig sind höhere Geschwindigkeiten zwischen 40 und 50 km/h möglich. Wir feilen derzeit noch an der Performance“, so Jonathan Scheu.

Darum gibt es Fehlbremsungen Am Kreisverkehr lenkt der Bus auf den Westring. Dort befindet sich eine der vier Haltestellen, die künftig angefahren werden sollen. &bdquo;Nämlich an der Weberei. Weitere Punkte sind Im kleinen Felde, am Deichkamp und eben am Bahnhof“, erläutert der Projektmanager.

Plötzlich bremst der Shuttle vorm Verkehrskreisel mit der Diebrocker Straße etwas unsanft. Gibt es etwa ein Problem? Nein, sagt Scheu und liefert eine Erklärung für das abrupte Manöver. Denn der mit modernster Technik ausgestattete Ultimo-Bus interagiere per Sensoren schließlich mit seiner Umgebung. &bdquo;Solche Fehlbremsungen sind auf Radarreflektionen von Metallteilen an der Strecke zurückzuführen. Dabei kann es sich um Zäune oder Verkehrsschilder handeln. Mit dem nächsten Systemupdate wird das repariert.“

Über die Straße &bdquo;Im kleinen Felde“ geht es nun weiter Richtung Marktkauf. An der Bahnbrücke Deichkamp übernimmt Sebastian Weber kurz die Kontrolle über den Ultimo-Bus. Ein kurzer Ruck geht durch das Fahrzeug, als vom autonomen auf &bdquo;menschliches“ Fahren umgestellt wird. An der Kreuzung von Wittekindstraße und Auf der Freiheit gibt’s wieder eine Fehlbremsung. Und erneut greift der Fahrer ein, ehe es zum ZOB zurückgeht.

Bald kann jeder mitfahren Projektmanager Scheu und sein DB-Kollege Stefan Kretzschmar sind mehr als zufrieden mit dem bisherigen Projektverlauf. Künftig soll der Bus fahren, ohne dass ein Mensch einschreiten muss – auch wenn aus Sicherheitsgründen immer ein Pilot an Bord sein wird.

In einem nächsten Schritt können sich Probe-Passagiere für Ultimo-Fahrten melden, die dann das autonome Fahrerlebnis bewerten dürfen. Ab Spätsommer soll in eine Art Linienverkehr übergegangen werden. &bdquo;Dann können sich Interessierte einmal registrieren, den Bus dann so oft auf der festgelegten Route nutzen, wie sie wollen - kostenfrei“, sagt Stefan Kretzschmar. Dann soll auch ein zweites Ultimo-Fahrzeug in Herford. Fest steht jedoch: Der Mini-Bus, so wie er jetzt im Einsatz ist, wird wohl nie in Serie gehen. Sollte sich eine autonome ÖPNV-Variante künftig durchsetzen, würde eine neue Shuttle-Generation am Start sein. &bdquo;Das wäre dann auch ein Fahrzeug ganz ohne Fahrerplatz“, betont Jonathan Scheu.

Und die würde Tim Kähler dann gern auch in der Hansestadt einsetzen. &bdquo;Das System funktioniert! Man sitzt ein einem leisen, wohltemperierten Bus. Ich habe mich die ganze Zeit sicher gefühlt“, zeigt er sich nach der Testfahrt überzeugt. Nun bleibt abzuwarten, ob das die künftigen Test-Passagiere auch so sehen.

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