Geschäftsführer von Karlchen’s Backstube: „Unser Marketing drückt unsere Seele aus“

Sie sind jetzt seit 20 Jahren als Inhaber von Karlchen´s Backstube erfolgreich am Markt. Wissen Sie noch, wie viel die Kunden damals für ein Brötchen gezahlt haben?

Simone Böhne: Ich schätze mal um die 30 Cent.

Verkosten Sie Ihre eigenen Produkte regelmäßig?

Böhne: Ja. Jeden Mittwoch haben wir beide einen gemeinsamen Qualitätstisch. Und probieren natürlich alles, was hier neu gebacken wird. Alles, was wir verbessern wollen. Hier geht kein Produkt raus, was nicht vorher einmal unsere Gaumen berührt hat. Wobei uns immer ganz klar dabei ist: Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Geschmäcker sind ja unterschiedlich. Wir betrachten, ob es die richtige Konsistenz aufweist, die richtige Süße. Ob es im Endeffekt dann ankommt, das muss dann der Kunde entscheiden.

Was ist Ihr Lieblingsprodukt?

Böhne: Ich bin verrückt nach Käsebällchen. Ich bin ja mehr so der herzhafte Typ und ich brauche immer, wenn ich abends nach Hause komme, erst eine Käseknifte.

Karsten Krüger: Also ich finde unseren Käsekuchen sensationell. Und unser Brot Nummer 1 ist ein sehr, sehr schönes Brot.

Wie teilen Sie sich die gemeinsamen Geschäftsführungspositionen auf?

Böhne: Wir haben ja noch seit 1. Januar einen dritten Geschäftsführer: Frank Könemann. Der ist aber auch schon seit 27 Jahren im Unternehmen. Er kümmert sich um die Verwaltung. Ich bin zuständig für Vertrieb und Marketing und Personalentwicklung.

Krüger: Ich bin für den Bereich praktische Produktion und die Logistik zuständig. Und ich kümmere mich um das Thema Produktentwicklung – und dann natürlich auch um Investitionen in Produktion.

Was ist Ihre Motivation, ein Unternehmen mit mehr als 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu führen?

Böhne: Also, ich stehe ja auf den Faktor Mensch. Ich finde es wunderbar, so vielen Menschen zu begegnen und oft auch deren Stärken zu entwickeln. Jungen Menschen eine Perspektive zu bieten, älteren Menschen einen Arbeitsplatz zu geben, der zu deren Leben passt. Wir freuen uns immer darüber, dass unsere Eltern früher keine Fleischerei hatten. Wir freuen uns darüber, dass wir eine Bäckerei haben, die warm ist und in der es gut duftet.

Aus dem Unternehmen in Löhne, das Sie 2005 von Ihrem Vater gekauft haben, ist mittlerweile ein Unternehmen mit 67 Standorten und Läden geworden. Ist das stetige Wachstum ein Garant für Erfolg?

Krüger: Das kann man so nicht sagen. Es gibt ja auch Unternehmen, die zwischendurch auf der Strecke geblieben sind; die vorher stark gewachsen waren, aber dann auch Opfer ihres Wachstums oder von Marktveränderungen wurden. Als Garant für Erfolg sehen wir vielmehr die Kunden- und Mitarbeiterorientierung, die wir hier im Unternehmen haben.

Böhne: Ja, aber auch gemeinsame Visionen zu haben. Karsten und ich arbeiten ja sehr stark daran. Wir haben alle sechs Monate eine Strategietagung. Themen sind: Wie wollen wir das Unternehmen neu entwickeln, an welchem Punkt stehen wir gerade, was ist das, was uns ausmacht? Zwischendurch ist das Thema Wachstum mal ganz wichtig. Und dann ist auch mal wieder eine Zeit wichtig, in der man darauf achtet, dass alle Abteilungen mitwachsen. Von daher versuchen wir, da im Laufe der Jahre immer einen Ausgleich zu schaffen.

Gibt es in Sachen Ladenkonzeption eine gewisse Einheitlichkeit, einen roten Faden? Wie passen Sie die Gestaltung den Gegebenheiten an?

Krüger: Durch den eigenen Ladenbau, den wir haben, ist es so, dass wir bewusst immer wieder ähnliche Materialien einsetzen. Auf der anderen Seite finden wir an jedem Standort andere Voraussetzungen, andere Gegebenheiten. Wir sind dann natürlich bestrebt, sowohl diesen Gegebenheiten gerecht zu werden als auch einem gewissen Stil und auch Standard im La denbau.

Für uns hat das Thema Ladenbau zwei Funktionen: Wir wollen unseren Produkten einfach eine sehr, sehr schöne Bühne geben, auf der wir sie wirklich gut präsentieren können. Zudem wollen wir natürlich ein Ambiente schaffen, das möglichst gemütlicher ist als zu Hause. Sonst gibt es ja keine große Berechtigung, bei uns auch mal frühstücken zu gehen.

Böhne: Außerdem ist der Ladenbau wirklich total bezeichnend für uns beide. Ich mache die Pläne dafür. Kümmere mich darum, dass die Mitarbeiter kurze Arbeitswege haben, eine vernünftige Arbeitshöhe entsteht, dass der Arbeitsplatz hinten genauso schön ist wie vorne für den Kunden. Und Karsten ist der total Designverliebte. Er gibt dem ganzen Laden optisch ein Thema und so sind Struktur und Design einfach sichtbar. Auch das ist wieder eine Gemeinschaftsarbeit.

Das hört sich nach einem gewissen Aufwand an. In welchem Umfang investieren Sie in ein neues Ladengeschäft?

Krüger: Die Investitionen liegen so zwischen ungefähr 100.000 und 400.000 Euro pro Standort. Es richtet sich immer etwas danach, in welchem Zustand wir die Gebäude vorfinden – und auch, welche Größe wir haben. Wir haben Standorte von 60, 70, 80 Quadratmetern in den Vorkassenzonen; aber auch unsere &bdquo;Brotschaften“ in der Größe bis zu 400 Quadratmetern.

Gibt es einen Ort, an dem Sie niemals ein Ladengeschäft eröffnen werden?

Böhne (breit lächelnd): Auf dem Mond.

Der Umzug vor zwei Jahren von der Oeynhausener Straße an die Bielefelder Straße, von Löhne nach Herford, mag sinnbildlich sein. Geht es in zehn Jahren an die Berliner Straße nach Köln oder sind hier vor Ort noch genug Kapazitäten vorhanden?

Krüger: Also, wir haben hier noch zwei Baufenster von jeweils 4.000, 5.000 Quadratmetern und verfügen jetzt schon über eine Gebäudegröße von 10.000 Quadratmetern. Für 150 bis 200 Filialen sehen wir den Standort als endentwickelt.

Böhne: Und wir sind vom Herzen her Ostwestfalen.

Bei allen Erfolgen: Welche Schwierigkeiten, welche möglichen Rückschläge, welche widrigen Einflüsse haben Sie im Laufe der Jahre an Ihrem Erfolg zweifeln lassen? Und wie sind Sie dem begegnet?

Krüger: Die beiden größten Herausforderungen haben wir in den letzten drei, vier Jahren erlebt. Zu Anfang von Corona wusste – glaube ich – kein Unternehmer oder kein Unternehmen, wie denn die Zukunft aussehen wird. Da wurde einfach die Weltordnung einmal verdreht. Und da muss man auch ganz ehrlich sagen: Bei allen Schwierigkeiten und Problemen, die wir in Deutschland haben, sind wohl nirgendwo Unternehmen so stark unterstützt worden, wie in Deutschland. Aber das wussten wir natürlich am Anfang der Corona-Krise nicht.

Die zweite Herausforderung war natürlich, dass durch den Überfall auf die Ukraine alles, was wir hier brauchen – von Energie bis hin zu Rohstoffen – preislich explodiert ist. Das war natürlich für uns eine sehr anstrengende Situation. Zumal wir hier in Herford gleichzeitig auch noch in der Bauphase waren und die Baukosten gestiegen sind. Wir lösen Probleme Stück für Stück. Und da muss man einfach jeden Tag schauen, welche Themen kann ich heute lösen, welche Baustellen kriege ich heute weg. Simone und ich kümmern uns in der Regel immer zunächst um das größtmögliche Problem, die größtmögliche Herausforderung. Also da, wo es am meisten wehtut, aber es auch am meisten bringt, wenn man das beseitigt. Wir beschäftigen uns relativ wenig mit Nebenkriegsschauplätzen.

Was machen Sie anders als Ihre Mitbewerber; was zeichnet Sie aus?

Krüger: Wir denken gar nicht für uns als Unternehmer, sondern wir denken für unsere Kunden, für unsere Mitarbeiter. Wenn man hier die Frühstücksräume sieht, die Umkleideräume mit Rain-Shower-Duschen, die Sozialbereiche, dann sind die schon prima. Im Produktionsbereich gilt: Auf einen Arbeitsplatz zu schauen und sich zu überlegen, wie kann ich den einfacher machen? Was kann ich tun, dass es weniger körperliche Belastung gibt, weniger Lärmbelastung? Also, wir schauen einfach, dass wir für unsere Kunden angenehm sind, für unsere Mitarbeiter angenehm sind, für unsere Lieferanten angenehm sind. Das in Summe fällt dann auch auf das Unternehmen insgesamt zurück.

Böhne: Ein großer Unterschied ist: Unser Marketing ist keine Reklame. Unser Marketing drückt unsere Seele aus. Wir haben genauso ein nach innen weisendes Marketing zu unseren Mitarbeitern, wie nach außen hin zu unseren Kunden. Und ich glaube, wir sind einfach in jedem Punkt authentisch. Dazu gehört auch, dass auch mal was schiefläuft. Aber das ist okay. Denn wir operieren ja nicht am offenen Herzen. Wir wollen gute Backwaren verkaufen. Und wenn dann mal etwas nicht perfekt ist, dann versuchen wir, es beim nächsten Mal besser zu machen.

Wenn die Mitarbeiter Ihnen enorm wichtig sind, haben Sie dann dennoch Probleme, am Arbeitsmarkt geeignetes Personal zu finden?

Böhne: Je schneller wir expandieren, desto schwieriger ist es natürlich. Es dauert immer so seine Zeit, bis ein Mitarbeiter auch wirklich innerlich zum &bdquo;Karlchen“ entwickelt ist. Wir müssen einfach verstanden werden, das Unternehmen muss verstanden werden, der Auftrag muss verstanden werden. So, wie wir versuchen, unser Unternehmen kaufmännisch und visionär zu führen, erwarten wir halt von unseren Mitarbeitern, dass sie im Vertrieb gut und freundlich verkaufen. So hat jeder seinen Auftrag. Wir haben hier zwischen 120 und 150 Bewerbungen jeden Monat. Wer hier im Umkreis gerne Backwaren herstellen möchte, der ist schon – glaube ich – interessiert daran, hier zu arbeiten. Weil es einfach ein moderner, guter Arbeitsplatz ist.

Krüger: Ich würde gerne dafür werben, dass junge Leute in diese Branche oder in diesen Beruf kommen sollten. Nachtarbeiten und auch Wochenendarbeiten sind in modernen Bäckereibetrieben – und das sind wir – nicht mehr so stark vorhanden. Früher war es so, dass der Bäcker nachts gearbeitet hat, und heute bieten wir den Mitarbeitern mehr oder weniger ihre Wunscharbeitszeiten an. Das heißt, dass es auch die schwere körperliche Arbeit nicht mehr so gibt.

Wenn man als Bäcker gearbeitet hat, und dieses sensationelle Gefühl kennt, morgens ein frisches Brot aus dem Ofen zu ziehen oder diese frische Backware zu spüren, dann ist das ein unglaublich tolles Gefühl. Zudem kann der Beruf unglaublich kreativ sein und man kann natürlich auch unglaublich gut Karriere machen: Wenn ich als Bäcker starte, werde Bäckermeister, danach Betriebswirt des Handwerks und bekomme eine Position in der Produktionsleitung – dann gibt es viele andere Branchen, wo man so einen Job oder so einen Status oder auch die finanzielle Entlohnung nicht erreichen kann.

Dennoch mag es ja sein, dass eine junge Bäckerin, ein junger Bäcker, sich selbstständig machen möchte. Welchen Rat haben Sie parat?

Böhne: Für Karsten und mich war der wichtigste Antrieb, dass wir immer ein Unternehmen schaffen, in dem wir auch unsere persönliche Freiheit haben. Wenn ich ein zu kleines Unternehmen habe, dann ist deine Freiheit immer kleiner - weil du halt immer selber am Tanzen bist. Man muss es sich gut überlegen: Was passt zu meinem Leben. Wenn ich davon keine Ahnung habe, dann sollte ich einfach meine Finger davon lassen, denn . . . das kann dann nur nach hinten losgehen.

Wir denken auch über Möglichkeiten nach, jungen Leuten in unserem Unternehmen eine Selbstständigkeit anbieten zu können. Das ist zwar noch nicht soweit, aber grundsätzlich schließen wir beide das nicht aus. Ich glaube, das ist einfacher und auch sicherer, dann ein Teil von etwas Großem zu sein.

Krüger: Ich finde es auch sehr, sehr schwierig, bestehende Betriebe zu übernehmen. Man findet eigentlich wenig gute Betriebe und braucht sehr, sehr viel Finanzkraft, um diese Betriebe wieder flott zu machen. Und einen Standort, wo ich sage: Ich habe jetzt ja eine Backstube und verkaufe vorne aus dem Laden. Da muss ich natürlich auch gucken, dass ich den richtigen Standort bekomme und das halte ich schon für schwierig. Filialunternehmen von null auf aufzubauen auf irgendwann 50 oder 100 Filialen, halte ich heutzutage auch für nicht so ganz einfach, weil natürlich auch gewisse Märkte einfach besetzt sind.

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