Bielefelder Paar wandert aus: Aus dem lauschigen Dingerdissen nach Los Angeles

Bielefeld/Los Angeles. Felder, Wiesen, gurgelnde Bäche und der Blick auf den nahen Teutoburger Wald: Dingerdissen ist ein lauschiges Stückchen Bielefeld. Julia und Tobias Kutz sind hier aufgewachsen, aber seit Jahren schon sehen sie die Welt aus einem anderen Blickwinkel. Auf der einen Seite sind nun die endlosen Häuserschluchten der Megametropole Los Angeles, auf der anderen Seite Yachten, Palmen und Pazifikstrände.

&bdquo;Das Wetter ist der Wahnsinn“, schwärmt Tobias Kutz. &bdquo;Wir sind dauernd draußen, auch bei Feiern oder Meetings“, sagt Julia Kutz. Die beiden genießen ihr Leben in der neuen Welt als Familie, zusammen mit zwei Töchtern, die in Kalifornien zur Welt gekommen sind. Neben dem deutschen Pass besitzen die vier inzwischen auch die US-Staatsbürgerschaft.

Julia Kutz (heute 37) hatte nach der Schulzeit eine Ausbildung im Bereich Marketing und Kommunikation bei der Bielefelder Radio-Produktionsgesellschaft AMS absolviert, Tobias (heute 38) studierte Grafikdesign an der Fachhochschule.

Für ein Auslandssemester nach Los Angeles Der erste Schritt aus der ostwestfälischen Heimat führte die beiden Bielefelder 2012 nach Stuttgart. Tobias schrieb sich dort für einen Masterstudiengang ein und lernte alles über 3-D-Animation, Julia machte den Bachelor in Medienwirtschaft. &bdquo;Wenn man einmal aus der Komfortzone ausgebrochen ist, fällt es leichter, über den Horizont hinauszublicken“, erklärt Tobias Kutz die Bedeutung des ersten Schrittes.

Ein Auslandssemester führte Julia Kutz dann nach Los Angeles (&bdquo;LA“), ihr damaliger Lebensgefährte kam mit für ein Praktikum in einem Studio für &bdquo;Motion Grafic Design“ (audiovisuelle Animation und Grafik). Mit seinem Chef verstand sich Tobias Kutz blendend, ihm wurde sogar eine feste Stelle angeboten. Er nahm an einer Lotterie für die Vergabe von &bdquo;Green Cards“ teil, einer dauerhaften Arbeitserlaubnis. Und bingo – er gewann.

Seine Freundin allerdings hätte nicht arbeiten und nicht längerfristig bleiben dürfen. Von Stuttgart aus führte der Weg sie daher nach München, wo sie bei ProSieben einen Job im Team von &bdquo;Gemanys next Top Model“ übernahm. &bdquo;Ich war happy bei ProSieben und musste sogar öfter nach LA reisen“, sagt Julia Kutz.

Paar darf nach Hochzeit gemeinsam in den USA leben

Tobias wurde unterdessen hartnäckig von seinem Ex-Chef nach Kalifornien gelockt. Die Hochzeit des Paares im Jahr 2015 änderte dann alles: Das Ehepaar durfte nun gemeinsam in den USA leben. 2017 war es so weit, Julia und Tobias Kutz zogen buchstäblich an den Pazifik: &bdquo;Von unserer Wohnung aus hatten wir einen direkten Blick auf den Ozean“, schwelgen die beiden Bielefelder in Erinnerungen.

Tobias Kutz heuerte in der Firma an, die er vom Praktikum her kannte – er konnte fortan seine Karriere im heißesten Film- und Fernsehmarkt aufbauen. &bdquo;Die Budgets, die für wichtige Produktionen zur Verfügung stehen, kann sich in Deutschland und Europa kaum jemand vorstellen“, sagt er heute. Den großen Senderketten sei das Geld beinahe egal – das Ziel sei stets die beste Show mit dem besten Design.

Für Julia Kutz hingegen begann eine schwere Zeit. Denn die großen Chancen in der kalifornischen Medienwirtschaft ziehen Talente aus aller Welt an, der Wettbewerb in den Metropolen ist mörderisch. &bdquo;Hier gibt es tausende Bewerber für eine einzige Stelle“, erfuhr sie. &bdquo;Ich habe 400 Bewerbungen rausgeschickt.“ Im Juli waren die beiden Bielefelder in Los Angeles gelandet, bis Oktober hatte sie immer noch keinen Job. &bdquo;Ich hatte nichts in Aussicht, wir waren kur vor dem Aufgeben“, sagt sie.

Julia Kutz heute bei Harley Davidson im Sattel

Im November dann der Silberstreif: Julia Kutz bekam einen Jahresvertrag bei einer IT-Agentur, die für den Messaging-Dienst Snapchat arbeitete. Der Job erwies sich als Sprungbrett, der nächste Vertrag führte sie für drei Jahre zum Schuh-Giganten Skechers. Nach der Geburt der ersten Tochter Hailey (heute 4) suchte die junge Mutter einen Remote-Arbeitsplatz, den sie vom Homeoffice aus – oder auch auf Reisen – erledigen konnte. Sie fand ihn bei der legendären Motorrad-Schmiede Harley Davidson, für die sie heute arbeitet.

Tobias Kutz hat sich inzwischen als &bdquo;Art Director“ selbstständig gemacht, er arbeitet für ein Studio, das für die größten TV-Networks aktiv ist: CBS, NBC, CNN und andere. Football bis hin zum Super-Bowl, Baseball, Basketball, Olympia – die größten Sportevents sind seine Themen. Er produziert zum Beispiel &bdquo;Replays“ (engl.: kurze Wiederholungen), Überblendungen oder Grafik-Collagen für Sportsendungen und deren Vor- und Abspänne.

&bdquo;Ich glaube, in dem, was ich mache, bin ich gut“, sagt der 38-Jährige, der am 26. Oktober Geburtstag hat, vorsichtig. &bdquo;Nein“, widerspricht ihm seine Frau. &bdquo;Er ist nicht nur gut, er ist spitze.“ So hat er unter anderem bereits drei Nominierungen für den weltweit beachteten US-amerikanischen TV-Preis &bdquo;Emmy Award“ eingeheimst.

Tobias Kutz und seine alte Leidenschaft

Nach der Geburt der zweiten Tochter Zoe (heute 2) suchte sich die Familie, die bis dahin in einer Etagenwohnung lebte, ein eigenes Haus. Sie fanden es in Redondo Beach im Südwesten von Los Angeles, nur 150 Meter entfernt vom Yachthafen. Das Leben hier sei trotzdem ähnlich wie in Deutschland, sagen Julia und Tobias: Kita und Vorschule für die Kinder sind ganz in der Nähe, ebenso wie Shoppingmöglichkeiten, Restaurants und alles, was man braucht.

Die verwirrende und hitzige politische Lage beschäftige sie kaum. &bdquo;Unsere Eltern in Deutschland sind oft besser informiert als wir“. Dabei seien die Kalifornier ohnehin besonders locker und liberal. Die Bielefelder fühlen sich hier wohl und sicher. Glücklich.

Denken sie überhaupt noch an Deutschland? &bdquo;Natürlich!“ Einmal im Jahr kommen sie für ein paar Wochen nach Dingerdissen, um die Eltern und alte Freunde zu besuchen. Und dann ist da noch Tobias` alte Leidenschaft Arminia: &bdquo;Ich schaue jedes Spiel, auch von den USA aus“, grinst er. Viele Jahre lang war er selbst als Verteidiger für Jugend- und Herrenteams des DSC am Ball. Das DFB-Pokalfinale in Berlin hat er sich nicht entgehen lassen. Und mehrfach hat er an Entwurf und Gestaltung von Choreografien für die Fanszene auf der Südtribüne maßgeblich mitgewirkt. Alte Verbindungen halten dauerhaft. Vor allem unter Ostwestfalen.

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