Düsseldorf. Der hat gesessen. Als Ralf Witzel (FDP) im Landtag ans Mikrofon tritt, schleudert er NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk prompt einen Satz entgegen. „Herr Finanzminister, Sie sind der neue Schulden-Junkie unseres Landes.“ Noch vor zehn Jahren, so führt es Witzel aus, habe Optendrenk seinen Amts-Vorvorgänger Norbert Walter-Borjans dafür kritisiert, voll auf steigende Steuereinnahmen zu setzen. Anstatt Ausgaben zu reduzieren. Heute, zehn Jahre später, sei Optendrenk kein Stück besser - sondern nehme sogar noch viel mehr Schulden auf, moniert Witzel. Und führt als Beleg eine damalige Pressemitteilung des CDU-Politikers an.
Damit landet Witzel einen Treffer. Der FDP-Finanzexperte gilt als seriöser Zahlenmensch. Aber auch als knallharter Oppositionspolitiker. Und als Verfechter der „schwarzen null“. Seine FDP und Optendrenks CDU hätten früher gemeinsam „jahrelang“ vor einer Lockerung der Schuldenbremse gewarnt. Doch jetzt, wo die CDU regiere und Optendrenk Finanzminister sei, werde das Land bei seinem Haushalt „immer abhängiger“ von Schulden, beschwert sich Witzel.
Tatsächlich plant die schwarz-grüne Landesregierung für den Haushalt 2026 mit einer Rekordverschuldung von 4,3 Milliarden Euro. Gewisse Mechanismen lassen das zu. Die Summe erscheint bei einem gesamten Haushaltsvolumen von 112,3 Milliarden Euro (ebenfalls Rekord) zwar verhältnismäßig klein. Aber: Für die CDU ist das eine finanzpolitische Kehrtwende - und durchaus ungewöhnlich. Vor allem Optendrenk konnte bis vor wenigen Jahren gut und viel erklären, warum er eine Schuldenaufnahme kritisch sieht. Das passt nicht so wirklich zu dem, wie sich seine Partei heute in NRW finanziell verhält. Zumindest auf den ersten Blick.
FDP-Mann Witzel kritisiert hohe Ausgaben des Landes
Ein Dorn im Auge sind Witzel vor allem die Ausgaben des Landes. Vor zehn Jahren habe Optendrenk einen Anstieg der Ausgaben noch selbst kritisiert. Die waren damals um vier Prozent auf 67 Milliarden Euro gestiegen. Heute liege das Volumen des Haushalts bei 112 Milliarden Euro - und 6,5 Prozent höher als vor einem Jahr. In 2025 forderte Optendrenk von Finanzminister Walter-Borjans einen „konkreten Plan“, wie die Neuverschuldung abgebaut werden könne, zitiert ihr Witzel aus einer alten Pressemitteilung. Jetzt nehme er selbst Kredite auf, wirft ihm der FDP-Mann vor. „Merken Sie eigentlich noch etwas? Sie sind an Ihren eigenen Ansprüchen gescheitert.“
Optendrenk wirkt getroffen. Der CDU-Politiker ist ebenfalls ein Mann der Zahlen und Akten. Kein Emotionsbolzen. Doch Witzels Vorwürfe ärgern ihn. „Sie haben eine ausgesprochen selektive Wahrnehmung der Wirklichkeit“, schleudert Optendrenk dem Oppositionspolitiker zurück. Und wirft ihm vor, die Entwicklung bewusst auszublenden. Hinter Deutschland würden drei Jahre Rezession liegen. Selbst konservative Wirtschaftsexperten rieten heute dazu, kräftig zu investieren - im Zweifel auch durch Schulden, rechtfertigt sich Optendrenk. NRW investiere nun 12 Milliarden Euro aus „eigenen“ Mitteln. Das sei Rekord. Walter-Borjans und die damalige SPD-Regierung hätten hingegen nur eine Investitionsquote von acht Prozent aufgebracht, also deutlich weniger.
Auch wenn die jüngste Steuerzahlung im Vergleich zu bisherigen Schätzungen um rund 300 Millionen Euro besser ausfalle, so räumt Optendrenk ein, dass NRW „trotzdem nicht“ ohne neue Schulden auskomme. Das mache man aber mit Bedacht. „Die Schulden von heute sind die Zinslasten von morgen“, weiß Optendrenk.
SPD sieht finanzielle Spielräume nicht ausgeschöpft
Und zur Wahrheit gehört dazu: Was der FDP zu viel ist, ist der SPD zu wenig. Finanzexperte Alexander Baer wirft Optendrenk vor, „finanzielle Spielräume“ nicht zu nutzen. Und spricht gar von einer „Tragödie“. Hochschulen seien alarmiert und die freie Wohlfahrtspflege sei „gefährlich“ unterfinanziert, nennt Baer nur zwei von vielen Beispielen. Noch vor einem Jahr demonstrierten rund 30.000 Menschen vor dem Landtag gegen Sozialkürzungen. Die nahm das Land daraufhin in Teilen zurück.
Baer wirft Optendrenk vor, den sozialen Haushalt nun erneut „kaputt zu sparen“. Der geplante Haushalt für 2026 sei nicht „enkelgerecht“, sondern „enkelgefährdend“, meint der SPD-Politiker aus Lippe. Eines also hat Optendrenk als Finanzminister in schwierigen Zeiten sicher verinnerlicht: Allen recht machen kann er es auf keinen Fall.