Clan-Kriminalität in OWL: Bielefeld, Lippe und Minden mit Hunderten Straftaten

Bielefeld. Die Sicherheitsbehörden in Ostwestfalen-Lippe haben 2024 fast 350 Straftaten erfasst, bei denen die Polizei einen Bezug zu türkisch-arabischen Großfamilien sieht. Das geht aus einem Lagebild hervor, das NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch vorgestellt hat.

Demnach erfasste die Polizei die meisten Clan-Straftaten im Kreis Minden-Lübbecke (81), gefolgt von Bielefeld (68) und dem Kreis Lippe (66). In Paderborn nennen die Sicherheitsbehörden 55 Straftaten mit Clan-Bezug, im Kreis Gütersloh 40. Die wenigsten Fälle meldet die Polizei in den Kreisen Herford (24) und Höxter (13).

Die insgesamt 347 Fälle entsprechen etwa 5,5 Prozent aller Clan-Straftaten in NRW. Laut Lagebild ballen sich die Straftaten neben der Stadt Bielefeld auch in Minden, Bad Salzuflen, Detmold und Paderborn. Aus Sicherheitskreisen heißt es, die Behörden in OWL erfassen Clan-Straftaten, &bdquo;die sich durch das ganze Strafgesetzbuch ziehen“. Die Polizei Bielefeld beurteilt die Region jedoch nicht als Schwerpunkt in Sachen Clan-Kriminalität.

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In ganz NRW weist das Lagebild etwa 6.700 Taten aus – knapp 300 weniger als 2023. Das liege vor allem an einem Rückgang der Drogendelikte in Folge der Cannabislegalisierung, heißt es.

Weitere Erkenntnisse zur Clankriminalität: 118 Namen im Fokus: Bei der Auswertung arbeiten die Sicherheitsbehörden namensbasiert. So gelten im Bundesland 118 türkisch-arabische Familiennamen (in verschiedener Schreibweise) als polizeilich relevant. Deren Mitglieder treten laut Polizei überdurchschnittlich oft als Tatverdächtige für Straftaten in Erscheinung, teilweise werden die Delikte auch im Familienbund begangen. Clans gelten per Definition als hierarchisch strukturierte Gruppe, deren Mitglieder ein eigenes Normen- und Werteverständnis pflegen – teilweise auch abgeschottet agieren.

Die Hälfte der Verdächtigen ist deutsch – viele sind jung: Etwas mehr als 50 Prozent der verdächtigen Clan-Angehörigen besitzen laut Statistik die deutsche Staatsbürgerschaft. Gut ein Drittel der Verdächtigen ist unter 21 Jahre alt.

Drei Mehrfachstraftäter in OWL: Aus Daten, die dieser Redaktion vorliegen, geht hervor, dass die Polizei 2024 insgesamt 217 Verdächtige aus der Region für Clan-Straftaten erfasste. Bei drei von ihnen (zwei Personen aus Bielefeld, eine aus Paderborn) handelt es sich um Mehrfachstraftäter, die mehr als fünf Taten in dem Jahr begangen haben sollen.

Meiste Verdächtige leben im Norden: Die meisten der Verdächtigen mit Clan-Bezug in OWL leben im Kreis Minden-Lübbecke (65). Im Kreis Lippe sind es 45, in Bielefeld 37. 28 Verdächtige mit Clan-Bezug erfasst die Paderborner Polizei, die Gütersloher 20. 16 mutmaßliche Straftäter aus dem Kreis Herford und sieben aus dem Kreis Höxter sollen einer polizeilich relevanten türkisch-arabischen Großfamilie angehören.

Fokus auf rohe Gewalt: Bei fast 2.000 der erfassten Straftaten handelt es sich um Rohheitsdelikte (gefährliche oder einfache Körperverletzung, räuberische Erpressung, Erpressung, Bedrohung). In 13 Fällen handelte es sich um Tötungsdelikte (sowohl versucht, als auch vollendet). Die Ermittler führten 2024 sechs Verfahren im Bereich der Organisierten Kriminalität gegen mehr als 200 Clan-Mitglieder aus NRW (vor allem wegen Drogenhandel).

Hunderte Clan-Immobilien kontrolliert: Laut Reul haben die Behörden 2024 etwa 1.700 Objekte kontrolliert, die Clans zugerechnet werden – darunter Barbershops, Wettbüros oder Shishabars. In den vergangenen sieben Jahren waren es insgesamt mehr als 10.000 Kontrollen. Auch die Bielefelder Polizei beteiligte sich daran, wie eine Sprecherin bestätigt. &bdquo;Zu dabei gewonnen Ergebnissen gibt die Polizei grundsätzlich keine Auskunft, da diese ermittlungstaktische Relevanz entwickeln können“, betont sie.

Polizisten gezielt eingeschüchtert Patrick Schlüter, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) aus Versmold im Kreis Gütersloh, appelliert: &bdquo;Clan-Kriminalität erstreckt sich über das ganze Land, bis nach Ostwestfalen. Wir müssen das Problem weiter konsequent bekämpfen. Wichtig ist aber, dass wir die kriminellen Strukturen aufdecken, und nicht nur einzelne Kriminelle mit Clan-Hintergrund hochnehmen.“ Das Problem sei eines der herausforderndsten Themen für die Polizei, weil es enorm komplex sei und eine Menge Personalaufwand erfordere.

Schlüter warnt: &bdquo;Clans etablieren Parallelgesellschaften – das ist eine enorm gefährliche Entwicklung. Zudem begehen Angehörige teilweise systematisch Straftaten.“ Die Vergangenheit habe immer wieder gezeigt, dass auch Polizisten nicht sicher vor Clans seien. &bdquo;Manchen Kollegen wurde gezielt nachgestellt, um sie einzuschüchtern“, erläutert Schlüter.

&bdquo;Clankriminalität macht auch vor OWL nicht Halt“ Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, warnt vor dem anhaltenden Problem durch Clan-Kriminalität in NRW. Die Bielefelderin betont: &bdquo;Die Zahl der Straftaten bleibt auf einem hohen Niveau, nachdem es bereits in den vergangenen zwei Jahren zu erheblichen Anstiegen kam. Von einer Trendwende kann also keine Rede sein.“ Besorgniserregend sei die Zahl der Tatverdächtigen, die mit fast 4.300 Personen einen Höchststand erreicht habe. &bdquo;Besonders problematisch: Eine kleine Gruppe von Mehrfachtätern ist für fast ein Viertel aller Straftaten verantwortlich“, mahnt sie.

Zwar liegen die Schwerpunkte im Ruhrgebiet, dennoch zeigen die Zahlen, &bdquo;dass Clan-Kriminalität auch vor Ostwestfalen-Lippe nicht Halt macht“. Kampmann fordert daher, Kinder und Jugendliche aus Clanfamilien frühzeitig in &bdquo;positive Lebenswege“ zu begleiten. Kriminelle Gewinne müssen laut der Innenexpertin konsequent abgeschöpft werden. Zudem müsse die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Justiz und Kommunen noch mehr intensiviert werden.

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