4.000 Euro für einen Heimplatz: Bielefelder Ehepaar droht trotz guter Renten Armut

Bielefeld. Pflegebedürftigkeit ist in Deutschland ein Armutsrisiko, weil die steigenden Eigenanteile für einen Platz im Pflegeheim die Renten und Ersparnisse vieler Menschen übersteigen. In NRW sind die Kosten mit durchschnittlich 3.314 Euro am Euro pro Monat besonders hoch – spiegeln jedoch die Realität vieler Betroffenen nicht wider, wie das Beispiel von Karin Rolf zeigt. Die Bielefelderin leidet an Alzheimer und muss für die Versorgung im Pflegeheim monatlich 4.081 Euro aufbringen. Eine Summe, die ihre und die Rente ihres Mannes Wilfried übersteigt.

Seit Januar lebt Karin Rolf im Pflegezentrum am Lohmannshof in Bielefeld. &bdquo;Meine Frau ist an Alzheimer erkrankt und hat erhebliche körperliche Einschränkungen“, erklärt Wilfried Rolf. Vor dem Umzug kümmert sich der 88-Jährige mit der Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes allein um seine sechs Jahre jüngere Frau. &bdquo;Ich habe alles versucht, doch der Alltag wurde immer schwieriger.“ Mehrfach muss Rolf den Rettungsdienst alarmieren, weil sich seine Frau bei Stürzen verletzt. &bdquo;Im Januar sagten mir dann die Ärzte im Krankenhaus, dass meine Frau nicht mehr zu Hause versorgt werden kann.“

Im Pflegezentrum am Lohmannshof findet Rolf einen Platz für seine Frau. &bdquo;Meine Schwiegermutter wurde dort bis zu ihrem Tod betreut, daher kannten wir die Einrichtung.“ Seit dem Umzug ist Rolf jeden Tag von 13 bis 17.30 Uhr bei seiner Frau. &bdquo;Sie braucht mich. Die Mitarbeiter in dem Heim geben ihr Bestes, aber ohne mich wäre sie verloren.“ Noch erkennt Karin Rolf ihren Mann. &bdquo;Sie lacht, wenn ich komme und weint, wenn ich gehe. Deshalb halte ich trotz aller Belastungen durch.“

4.081 Euro für den Eigenanteil und 3.890 Euro Rente Doch im Gespräch mit Rolf wird schnell sichtbar, wie sehr ihn die vergangenen Monate mitgenommen haben. &bdquo;Ich hätte nie gedacht, dass es Karin mal so schlecht gehen könnte. Doch als wären die Sorgen um meine Frau, mit der ich seit 32 Jahren zusammen bin, noch nicht genug, sind wir aufgrund der hohen Kosten im Pflegeheim von Armut bedroht.“ Der Bielefelder ist wütend, dass ihm das nach 49-jähriger Berufstätigkeit droht. &bdquo;Wir haben immer für das Alter vorgesorgt, aber es reicht einfach nicht, weil die Kosten so gewaltig sind.“

Seit Januar muss das Paar monatlich 4.081 Euro aufbringen. Die gemeinsamen Renteneinkünfte liegen inklusive betrieblicher Zusatzrenten jedoch nur bei 3.890 Euro. &bdquo;Die Rente meiner Frau liegt bei 2.000 Euro. Das bedeutet, dass ich jeden Monat mehr als 2.000 Euro dazugeben muss, damit meine Frau versorgt wird, weil neben dem Eigenanteil ja auch noch Kosten für Kleidung, Hygiene, Friseur und Fußpflege anfallen.“ Zusätzlich muss Rolf seine eigenen Lebenshaltungskosten finanzieren. &bdquo;Ich brauche nicht viel, aber wohnen, heizen und essen muss ich auch.“

Ersparnisse von Familie Rolf reichen noch für zwei Jahre Aktuell kann das Paar das noch mit Ersparnissen finanzieren. &bdquo;Die reichen aber nur noch zwei Jahre und wir wissen nicht, wie lange meine Frau noch lebt.“ Der Alltag von Wilfried Rolf, der in einer kleinen Mietwohnung lebt und ein 33 Jahre altes Auto fährt, ist deshalb von Verzicht geprägt. &bdquo;Einen Ausflug auf den Weihnachtsmarkt oder ein Stück Kuchen im Café sind absolute Ausnahmen für meine Frau und mich.“

Belastend ist für den 88-Jährigen auch die Bürokratie, der er sich seit dem Umzug seiner Frau stellen muss. &bdquo;Meine Frau hat Pflegerad 5 und einen Grad der Behinderung von 100 Prozent. Jeden Tag erhalte ich Post von Ämtern, Kassen oder dem Heim. Das überfordert mich, denn ich bin für alles alleine verantwortlich, weil sich sonst niemand kümmert.“

Eigenanteile steigen seit Jahren kontinuierlich an Vor der Bundestagswahl im Februar nutzt Rolf den Wahlkampf der Parteien, um Politiker in Bielefeld auf die Probleme von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen in NRW aufmerksam zu machen. An Wahlkampfständen und über die Geschäftsstellen nimmt Rolf Kontakt auf, doch die Reaktionen machen den Rentner fassungslos. &bdquo;Ich habe mit Politikern aller Parteien gesprochen, doch niemand wusste, wie hoch die Kosten sind, die Menschen wie meine Frau und ich jeden Monat stemmen müssen.“ Rolf kritisiert ein fehlendes Problembewusstsein. &bdquo;Außerdem konnte mir niemand sagen, wie sich das Problem lösen lässt. Stattdessen hieß es nur, dass ja alles immer teurer wird.“

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Angehöriger kritisiert: &bdquo;Pflege im Heim ist unkalkulierbar“ Die Betreiber von Heimen dürfen Pflegebedürftigen nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW die Kosten für Pflege und Betreuung, Verpflegung und Unterkunft, Investitionen sowie Ausbildung in Rechnung stellen. Haben Pflegebedürftige regelmäßig in eine Pflegeversicherung eingezahlt, erhalten sie in der vollstationären Pflege nach Angaben der Verbraucherschützer einen Zuschuss zu den Kosten für Pflege und Betreuung sowie zu den Ausbildungskosten. Die Kosten für alle anderen Posten müssen selber getragen werden.

Zusätzlich zu den Leistungen erhalten Menschen mit den Pflegegraden 2 bis 5 nach Angaben der Verbraucherzentrale einen weiteren Leistungszuschlag zu den Pflege- und Ausbildungskosten. &bdquo;Der Zuschlag steigt mit zunehmender Dauer des Heimaufenthalts“, erklärt ein Sprecher. So beträgt der Leistungszuschlag je nach Aufenthaltsdauer zwischen 15 und 75 Prozent des Eigenanteils an den Pflegekosten.

Auch Rolf wurde auf den steigenden Zuschuss ab dem zweiten Aufenthaltsjahr hingewiesen, jedoch auch auf steigende Kosten anderer Posten. &bdquo;Pflege im Heim ist unkalkulierbar. Für die gute Versorgung meiner Frau zahle ich gerne, Pflegebedürftigkeit darf doch aber nicht in die Armut führen.“

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