Welche Kürzungen kommen auf Pflegebedürftige zu?

Bis zum Ende des Jahres sollen die Grundzüge einer Pflegereform stehen – so die Zusage der schwarz-roten Bundesregierung. Seit mehreren Wochen tagt dazu die von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) einberufene Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Inzwischen liegen erste Entwürfe für einen Abschlussbericht vor, die allerdings noch nicht politisch abgestimmt sind. Es kristallisieren sich aber einige Eckpunkte heraus, bei denen offensichtlich Konsens herrscht. Was könnte auf die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen zukommen? Ein Überblick.

Pflegeeinstufung Die Bedingungen, um den Pflegegrad 1, 2 oder 3 zu bekommen, sollen deutlich verschärft werden. Das wird erreicht, indem die Schwellwerte bei der Pflegegrad-Einstufung angehoben werden. Hintergrund: Die Pflegebegutachtung zur Bestimmung des Pflegegrades erfolgt in zwei Stufen: Zunächst werden für verschiedene Kriterien – etwa Mobilität, Selbstversorgung oder kognitive und kommunikative Fähigkeiten – Punkte vergeben. Je höher die Punktzahl, desto stärker die Beeinträchtigung. Die Punkte werden anschließend in einen sogenannten Score-Wert umgerechnet, auf dessen Basis dann die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade vorgenommen wird. Die Schwellwerte bestimmen darüber, ob eine Person überhaupt als pflegebedürftig anerkannt beziehungsweise welcher Pflegegrad zugestanden wird. Die Neuregelung soll für Neuanträge und Höherstufungen gelten.

Pflegeleistungen Wer erstmalig in den Pflegegrad 2 oder 3 eingestuft wird, erhält bei der Pflege zu Hause durch Angehörige in den ersten drei Monaten nur die Hälfte des Pflegegeldes. Im Gegenzug werden die Bedürftigen und deren Angehörigen in dieser Zeit stärker bei der Organisation der Pflege unterstützt. Das sollen professionelle Kräfte übernehmen. Die Rede ist von einer &bdquo;intensiven fachpflegerischen Begleitung“. Auch im Pflegegrad 1 soll es diese neue Unterstützung geben. Hier wird im Gegenzug der &bdquo;Entlastungsbetrag“ von 131 Euro, der bisher für Dienstleistungen im Haushalt verwendet werden kann, gestrichen. In den Pflegegraden 2 bis 5 soll die Verwendung des Entlastungsbetrags stärker reglementiert und auf &bdquo;Angebote zur Unterstützung im Alltag“ beschränkt werden. Im Beschlussentwurf ist davon die Rede, dass durch diese Begrenzung künftig ein höherer monatlicher Betrag möglich sei. Eine Summe wird aber nicht genannt.

Prävention/Rehabilitation Das gesamte Pflegesystem soll stärker darauf ausgerichtet werden, die Pflegebedürftigkeit so weit wie möglich zeitlich zu verzögern. Dazu sollen unter anderem für alle Menschen ab 60 regelmäßige Gesundheits-Check-ups erprobt werden. Bei diesen Vorsorgeuntersuchungen sollen Risiken für eine spätere Pflegebedürftigkeit entdeckt und entsprechende Empfehlungen gegeben werden. Auch im weiteren Verlauf der Pflege soll die Rehabilitation einen größeren Stellenwert bekommen, etwa durch konkrete Maßnahmenpläne für die Pflegebedürftigen.

Notfall Die pflegerische Versorgung bei Akutfällen, etwa beim Ausfall der Hauptpflegeperson, soll verbessert werden. Dazu wird angestrebt, einen &bdquo;Pflegenotdienst“ zu organisieren beziehungsweise eine ausreichende Anzahl von Kurzzeitpflegeplätzen vorzuhalten. Zudem soll von den Pflegekassen ein &bdquo;Pflegenotfalltelefon“ mit einer bundesweit einheitlichen Nummer eingerichtet werden.

.responsive23-R6mAzFhP5jf3N2yh-choro-deutschland-so-hoch-ist-die { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-R6mAzFhP5jf3N2yh-choro-deutschland-so-hoch-ist-die { padding-top: 90.91%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-R6mAzFhP5jf3N2yh-choro-deutschland-so-hoch-ist-die { padding-top: 142.86%; } } Eigenanteile im Pflegeheim Die Arbeitsgruppe ist sich darüber einig, dass die seit einigen Jahren kräftig steigenden Eigenanteile im Heim begrenzt werden müssen. Wie das erreicht werden soll, ist aber weiterhin umstritten. In dem Entwurf werden mehrere Optionen genannt, darunter:

&bdquo;Sockel-Spitze-Tausch“: Bisher zahlt die Pflegeversicherung einen Teil der Leistungen (Sockel), während der Pflegebedürftige alle nicht abgedeckten Kosten (Spitze) übernehmen muss. Bei der getauschten Variante wird der Eigenanteil der Pflegebedürftigen bei einem bestimmten Betrag gedeckelt (Sockel) – im Beschlussentwurf werden monatlich 1.000 oder 1.200 Euro genannt. Die restlichen Kosten (Spitze) übernimmt die Pflegeversicherung. Dieses Modell findet vor allem bei der SPD und den Grünen Unterstützung.

Verpflichtende Zusatzversicherung: Als weitere Möglichkeit genannt wird eine Pflegekostenversicherung, die einen festgelegten Prozentsatz des Eigenanteils absichert. Laut Beschlussentwurf würde eine Versicherung, die 90 Prozent der Kosten übernimmt, für einen 20-Jährigen rund 51 Euro monatlich kosten. Bei einer 40-prozentigen Absicherung läge demnach die Prämie für einen 70-Jährigen bei 37 Euro. Als (teurere) Alternative wird eine Pflegetagegeldversicherung ins Spiel gebracht, die auch im Fall der Pflege zu Hause zahlt. Sie würde den Angaben zufolge für einen 20-Jährigen bei einer Leistung von 1.500 Euro stationär und 500 Euro ambulant monatlich etwa 62 Euro kosten. Das Modell einer Zusatzversicherung wird insbesondere von der Union unterstützt.

Übernahme der Ausbildungskosten durch den Bund: Die Ausbildungskosten sind derzeit zum Teil in den Eigenanteilen enthalten. Würde der Bund diese Kosten als gesamtgesellschaftliche Aufgabe übernehmen, könnten die Eigenanteile um 136 Euro monatlich sinken.

Übernahme der Investitionskosten für Pflegeheime durch die Länder: Auch diese Kosten zahlen die Pflegebedürftigen, obwohl dafür die Länder zuständig sind. Bei einer vollständigen Übernahme könnten die Eigenanteile um 536 Euro sinken. Im Beschlussentwurf wird zumindest eine Übernahme von 200 Euro durch die Länder als Kompromiss genannt.

Medizinische Behandlungspflege: Sie ist mit einem Betrag von 226 Euro in den Heim-Eigenanteilen enthalten. Diskutiert wird schon seit Jahren, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten übernimmt.

Einnahmen Um die Pflegeversicherung dauerhaft zu finanzieren, sind höhere Einnahmen nötig. In dem Beschlussentwurf werden wiederum mehrere Alternativen genannt, die allerdings alle heftig umstritten sind. Möglich wäre grundsätzlich auch eine Kombination aus mehreren Maßnahmen:

Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze: Für die Pflege müssen bis zur Bemessungsgrenze der Krankenversicherung (ab 2026: 5.812,50 Euro) Beiträge gezahlt werden. Bei einer Erhöhung auf das Niveau der Rentenversicherung (2026: 8.450 Euro) gäbe es Mehreinnahmen von 4 Milliarden Euro.

Ausweitung der Beitragszahlung auf Kapitalerträge und Mieteinnahmen: Das würde etwa zwei Milliarden Euro mehr bringen.

Beitragszuschlag für Babyboomer-Generation: Genannt wird beispielhaft ein Zuschlag von 0,1 Prozent für die Jahrgänge 1955 bis 1970. Das gäbe ein Plus von 600 Millionen Euro.

Höhere Arbeitgeberanteile: Analog zur Kranken- und Rentenversicherung könnte bei geringfügigen Jobs auch ein Pauschalbeitrag an die Pflegeversicherung abgeführt werden. Das würde Mehreinnahmen von 1,2 Milliarden Euro bringen.

Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige durch den Bund: Diese Ausgaben in Höhe von rund drei Milliarden Euro gelten als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuern bezahlt werden sollte.

Begleichung der Corona-Kosten durch den Bund: Die Pflegeversicherung hat in der Corona-Zeit Kosten zum Beispiel für Hygienemaßnahmen geschultert, die eigentlich der Bund hätte zahlen müssen. Diese Ausgaben im Umfang von mehr als fünf Milliarden Euro hat der Bund bisher nicht beglichen.

Pflegevorsorgefonds: Der Fonds, in dem aktuell rund 14 Milliarden Euro angespart sind, wird stärker als bisher aus Beiträgen gespeist und renditeorientiert angelegt. Später können die Erträge genutzt werden, um die Beiträge zu stabilisieren.

Worauf sich die Arbeitsgruppe am Ende einigen wird, ist derzeit völlig offen. Am wahrscheinlichsten scheint, dass der Vorsorgefonds Bestandteil einer Lösung sein wird. Eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze oder eine Ausweitung der Beitragszahlung sind dagegen eher unwahrscheinlich.

Welche Kürzungen kommen auf Pflegebedürftige zu?

Pflege im Heim noch teurer - Druck für Entlastung

Was bringt 2025 bei der Pflege?

Kosten abhängig vom Wohnort: Hier zahlen Pflegebedürftige in OWL am meisten

Pflegeversicherung: Finanzlage «ernst wie nie»

Zahl der Pflegebedürftigen steigt auch in Lippe

SPD: Keine Streichung von Pflegegrad 1

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus!

0,99 Euro im ersten Monat

Weiterlesen mit LZplus