Bielefeld. Auftakt zu vier Lesungen unter dem Motto: "Theater Bielefeld im Wort bringt große Stars auf die große Bühne!" Große Namen erzeugen große Erwartungen. Zu Gast auf der Bühne des Stadttheaters sind die israelische Bestseller-Autorin Zeruya Shalev und die deutsche Schauspielerin Maria Schrader. Katharina Lustgarten, die 2011 eine Zeitlang Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld war, moderiert charmant den Leseabend und interviewt die Autorin und ihre deutsche Stimme.
"Für den Rest des Lebens", der jüngste Roman der studierten Bibelwissenschaftlerin, ist ein groß angelegtes Werk, das vier Generationen umspannt. Es geht – wie immer bei Zeruya Shalev – um die Liebe, konkret: um ihre Zerbrechlichkeit, um ihre Abwesenheit, um die Sehnsucht nach ihr, um ihre obsessive Spielart, die mitunter desaströser ist als ein Mangel an Liebe, gewissermaßen ihre dunkle Seite.
Ihr jüngstes Opus unterscheidet sich dennoch gravierend von ihrer Romantrilogie "Liebesleben", "Mann und Frau", "Späte Familie": Diesmal ist die am See Genezareth geborene Schriftstellerin ihrer eigenen Biographie riskant nahe gekommen. Der Wunsch nach Adoption eines Kindes ist einer der zahlreichen roten Fäden vom "Rest des Lebens".
Die Autorin ist selber Adoptivmutter
Die Autorin, hochvertraut mit dem Leben und Weben in einer Patchwork-Familie, ist selber Adoptivmutter; nach einer schweren Verwundung infolge eines Selbstmordattentats 2004 hat sie sich intensiv mit jener Spielart der Mutterliebe auseinandergesetzt. Kaum einer kann sich der Ausstrahlung der israelischen Schriftstellerin entziehen. Zeruya (zu deutsch "Balsam") ist in den Geschichtsbüchern der hebräischen Bibel eine Schwester des legendären Königs David.Ein Höhepunkt des Abends: Der von der Leipziger Buchmesse angereiste Gast aus Jerusalem liest die erste Seite des neuen Romans auf Hebräisch. Der Beobachter fragt sich verwundert: Warum nur eine Seite? Warum werden wir dem muttersprachlicher Zauber nicht länger anheim gegeben? Zumal doch bei dem Motto "Theater Bielefeld im Wort" zurecht die Erwartung im Raum steht, ein künstlerisch hochwertiges Programm erleben zu dürfen.
Da wäre ein dramaturgisch klug inszenierter Dialog zwischen hebräischem Original und deutscher Übertragung eine spannende Möglichkeit gewesen, die zudem dafür gesorgt hätte, Maria Schrader aus der Reserve zu locken, die unter ihren Möglichkeiten bleibt. Problematisch erscheint zudem der große Interview-Anteil, der wenig Erhellendes bietet und Zeruya Shalev meist nur die Gelegenheit gibt, die in den Fragen Katharina Lustgartens formulierten Aussagen zu bekräftigen. Auch das beeinträchtigt den künstlerischen Drive, den die Veranstaltung hätte haben können.
Großartig ist es, Zeruya Shalev zu erleben; gerne hat man, trotz einer gewissen Gebremstheit, Maria Schrader gelauscht. Und auch das Engagement Katharina Lustgartens ist von besten Vorsätzen geleitet. Doch die Dramaturgie des Abends lässt zu wünschen übrig. Große Namen laufen nicht zwangsläufig auf große Abende heraus.