
Hövelhof/Augustdorf. Das Blöken der gut 500 Lämmer ist nicht zu überhören. So ist die Herde aus 1.200 Heidschnucken, die durch die hügelige Sennelandschaft zieht, leicht zu finden. Unter den Augen der Schäfermeisterin Renate Regier und Markus Laabs sorgen die drei Altdeutschen Hütehunde Ari, Bouny und Fluse dafür, dass die Tiere zusammenbleiben.
"Eigentlich ist das hier das Dach der Welt", sagt Regier beim Blick in die Weiten der Sennelandschaft zwischen Augustdorf, Hövelhof und Paderborn. Der Wind weht übers Gras und sorgt dafür, dass auch das Fell der Heidschnucken gut durchgepustet wird. "Man hat das Gefühl, man steht über allem", sagt die Schäfermeisterin, während sie die Heidschnucken begutachtet. Seit 25 Jahren wird auf diese Weise in der Senne Natur- und Landschaftsschutz betrieben. Das feiert die zur Biologischen Station Kreis Paderborn-Senne gehörende Heidschnuckenschäferei im August.

Ein anderes Jubiläum wird schon heute gefeiert: Die Schafzüchtervereinigung NRW gibt es bereits seit 100 Jahren. "Vor hundert Jahren hat die Wolle noch einen ganz anderen Stellenwert gehabt", erzählt Regier. "Man hatte ja kein anderes Material zum Wärmen." Auch der Schafdung spiele heute kaum noch eine Rolle. So steht die Fleischproduktion im Mittelpunkt der Schafzucht. "Es ist ein sehr gesundes Fleisch", sagt die Schäferin, denn die Tiere werden draußen und sehr artgerecht gehalten. Beim Anblick der natürlichen Weideflächen kann hieran kein Zweifel aufkommen.
Und noch eine Triebfeder gibt es. Regier: "Die Landschaftspflege ist sehr wichtig." Die Beweidung durch die Schafe sorge für den Erhalt von Heide- oder Moorflächen. Denn die Tiere seien so vorsichtig, dass sie Insekten, darunter Heuschrecken oder Eidechsen schonten. Auch Eier von brütenden Vögeln würden nicht zerstört. "Das ist die ökologischste Art der Landschaftspflege", so Regier.
Deshalb sieht Regier in der Schafzucht auch eine sinnvolle Zukunft. Allerdings gibt es auch Probleme, die den Schafzüchtern durchaus Sorgen bereiten. So werden in OWL immer mehr Flächen für den Anbau von Mais genutzt, der später als Energielieferant für Biogasanlagen verwendet wird. "Uns fehlen diese Weideflächen", sagt Regier nachdenklich.
Ebenso wurde die Förderung der Schafzucht durch die EU von der Muttertierprämie auf eine Flächenprämie umgestellt. "Die Leute, die viel Fläche haben, werden belohnt, die anderen bekommen nichts", kritisiert Regier. Die Heideflächen in der Senne würden grundsätzlich als nicht förderungsfähig anerkannt. Denn es gebe die Bedingung, dass solche Flächen ständig zugänglich sein müssten, was auf den Truppenübungsplatzflächen nicht immer gegeben sei.
"Die Zahl der Schafhalter und Schafe sinkt dramatisch; allein in den letzten acht Jahren sind die Zahlen um etwa 30 Prozent zurückgegangen", sagte Ernst Brüggemann, Zuchtleiter und Geschäftsführer der Schafzüchtervereinigung NRW, auf Anfrage. "Wir haben große Sorgen, dass dieser Rückgang sich fortsetzt, da die Erzeugung von Lammfleisch in der Regel unwirtschaftlich ist."
Die Landschaftspflege durch Schafe müsse von der Gesellschaft aber "angemessen honoriert werden", fordert Brüggemann. Dem widerspreche die derzeit rückläufige Zahl der Tiere. "Der Schäfer übt einen Beruf aus, der wie kaum ein anderer dem Schutz und der Wiederherstellung natürlicher Lebensräume für viele gefährdete Tiere und Pflanzen dient", unterstreicht Brüggemann. Von der Politik fordert der Schafzuchtverband ein "Abspecken" der umfangreichen Dokumentationspflichten für die Züchter. Die vorgeschriebene elektronisch lesbare Ohrmarke mit Chip koste etwa das 20fache einer Ohrmarke ohne Chip, so Brüggemann. Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof werde derzeit verhandelt.
Doch von all diesen Problemen lässt sich Renate Regier, die im Wechsel mit ihrem Lebensgefährten Markus Laabs die große Heidschnuckenherde betreut, nicht aus der Bahn werfen. "Wir leisten gute Arbeit, und gute Arbeit wird auch belohnt", sagt sie selbstbewusst, während die blökende Heidschnuckenherde graszupfend über die Hügel der Augustdorfer Dünen von dannen zieht.