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Redtube-Abmahnwelle rollt weiter

Viele Internetnutzer aus OWL betroffen

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Nur weiter ab 18... - © SCREENSHOT
Nur weiter ab 18... (© SCREENSHOT)

Bielefeld (sim/dpa). Zehntausende Internetnutzer wurden abgemahnt, weil sie urheberrechtlich geschützte Sexfilme im Internet aufgerufen haben. Die Kanzlei, die für den Versand der Abmahnungen verantwortlich ist, rechtfertigt ihr Verhalten.

Die Abmahnwelle hat längst auch Ostwestfalen-Lippe erreicht. Seit Tagen wird beispielsweise die Verbraucherberatung in Bielefeld von Anfragen besorgter Bürger regelrecht überrannt. Mindestens jeder dritte Anruf drehe sich um das Thema, sagt Beraterin Petra Schwenk. Bis Weihnachten könne man so gut wie keine Beratungstermine mehr anbieten.

Das gleiche Bild in Detmold: "Die Leute rennen uns hier die Tür ein", sagt Dorothea Nolting, Leiterin der Verbraucherberatungsstelle dort. Beide Beraterinnen raten Betroffenen, die Abmahnungen nicht zu ignorieren, sondern sich rechtlichen Rat zu holen und, sofern vorhanden, die Rechtsschutzversicherung nach einer Kostenübernahme zu fragen. Anders sehe die Sache aus, wenn die Schreiben der Anwaltskanzlei U+C nicht per Post, sondern per Mail eintrudelten. Die nämlich, sagt Schwenk, stammten nicht vom angeblichen Absender, sondern von "Trittbrettfahrern", die in den Mails Schadsoftware versteckt hätten. Der Rat hier: ungeöffnet löschen.

Doch der Fall wirft weiter zahlreiche Fragen auf:

Wie viele Menschen sind betroffen?

Nach Schätzungen von Anwälten hat die Abmahnwelle mehrere zehntausend Internetnutzer erfasst. Das Kölner Landgericht hat 62 Anträge bewilligt, mit denen die Deutsche Telekom aufgefordert wurde, Namen und Adressen ihrer Kunden herauszugeben, die angeblich die Sexfilme angeschaut haben. Pro Antrag seien etwa 400 bis 1000 IP-Adressen betroffen gewesen. Anwälte sprechen von der größten Abmahnwelle bisher.

Was wird den Nutzern vorgeworfen?

Es geht um die Verletzung des Urheberrechts. Die Abmahnungen werden im Auftrag von The Archive AG verschickt, einer Firma mit Sitz in der Schweiz.

Wurden die Filme illegal heruntergeladen?

Das ist einer der Knackpunkte des Falls. Den Betroffenen wird vorgeworfen, die Filme auf einer Videoseite im Web aufgerufen zu haben. Dabei werden die Dateien allerdings nicht heruntergeladen und ausgetauscht, wie das bei klassischen Tauschbörsen der Fall ist. Die Filme werden nur kurz auf dem Computer der Nutzer zwischengespeichert. Ob diese Kopie schon eine Urheberrechtsverletzung darstellt, ist bei Juristen umstritten.

Wie wurden die Nutzer ausfindig gemacht?

Die Rechteinhaber müssen die IP-Adressen der Nutzer herausfinden, um gegen sie vorgehen zu können. Die IP-Adresse ist die Anschrift eines Computers im Internet. Wie die IPs in diesem Fall gesammelt wurden, ist unklar. Theoretisch wäre es möglich, dass der Betreiber der Online-Videoseite  Redtube die IP-Adressen seiner Nutzer herausgegeben hat. In den Anträgen an das Landgericht sei von einer Überwachungssoftware die Rede, sagt Anwalt Christian Solmecke, der Betroffene vertritt. Wie genau diese Software funktioniert, sei nicht erklärt. Anwälte vermuten, dass die Rechteinhaber über Werbebanner an die IP-Adressen gekommen sind.

Kann jeder abgemahnt werden, der Filme im Internet-Stream schaut?

Für den Nutzer muss erkennbar sein, dass ein Angebot nicht legal ist. Das gilt bei einer Webseite wie kino.to: Hier waren auch Filme zu sehen, während die Streifen noch im Kino liefen. Damit ist offensichtlich, dass die Filme dort urheberrechtswidrig verbreitet wurden. Kino.to ist inzwischen geschlossen. Bei der Pornoseite  Redtube sei allerdings nicht eindeutig erkennbar, dass die Sexfilme gegen das Urheberrecht verstoßen, argumentieren Anwälte. Denn unter den Videos finden sich auch Amateurfilme oder kurze Clips aus Pornostreifen, die als Werbung für DVDs oder kostenpflichtige Online-Angebote kostenlos verbreitet werden.

Was sollen Betroffene unternehmen?

Verbraucherschützer warnen davor, die Briefe der Anwälte zu ignorieren und einfach in den Papierkorb zu werfen. Eine teure Klage könnte die Folge sein. "Betroffene sollten sich dringend Rechtsrat holen", rät die Verbraucherzentrale. Keinesfalls sollte man ungeprüft die geforderte Unterlassungserklärung unterzeichnen und die geforderte Geldsumme zahlen.

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