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Temu: Was steckt hinter der chinesischen Shopping-App?

Wer im Internet surft, bekommt immer öfter Werbung für "Temu" angezeigt. Der chinesische Online-Shop stürmt die Download-Charts. Umweltschützer sind alarmiert.

Johanna Apel

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Hinter Temu steht die chinesische Konzerngruppe PDD Holdings, zu der auch die in China beliebte Online-Plattform Pinduoduo gehört. - © picture alliance / empics
Hinter Temu steht die chinesische Konzerngruppe PDD Holdings, zu der auch die in China beliebte Online-Plattform Pinduoduo gehört. (© picture alliance / empics)

Ein Sommerkleid für 8 Euro, Kopfhörer für weniger als 2 Euro: Wer die App Temu öffnet, bekommt unschlagbare Preise angezeigt. "Shopping like a billionaire", verspricht das Portal seiner zumeist jungen Kundschaft. Einkaufen wie ein Milliardär - der Konsumrausch kann beginnen.

Der Mix aus schriller Werbung und spottbilligen Angeboten trifft offenbar einen Nerv. Temu stürmt derzeit die App-Charts und wird massenhaft heruntergeladen. Der Online-Marktplatz wirbt in den sozialen Netzwerken mit Rabatten von bis zu 90 Prozent, selbst beim amerikanischen Superbowl wurde fleißig die Werbetrommel gerührt.

In Deutschland ist Temu erst seit wenigen Wochen aktiv, in den USA bereits seit vergangenem Herbst. Dahinter steht die chinesische Konzerngruppe PDD Holdings, zu der auch die in China beliebte Online-Plattform Pinduoduo gehört.

Temu sei weder eine reine Shopping-App wie Zalando, noch eine typische Social-Media-Anwendung wie Instagram, sagt Christoph Tripp, Professor für für Distributions- und Handelslogistik an der Technischen Hochschule Nürnberg. Vielmehr sei es eine Kombination aus beidem.

Erdbeerschneider und Zahnpasta-Ausdrücker

Und Temu kombiniert dabei geschickt beide Welten: In den sozialen Medien wie TikTok wird die App beworben, Influencer verteilen fleißig Shopping-Codes an ihre Follower. Gleichzeitig animiert die App zum spielerischen Einkaufen. "Temu setzt auf die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse und Triebe", erklärt Tripp. "Kommunikation, Neugier, Gier und Belohnung sind die heimlichen Eckpfeiler des Geschäftsmodells und sollen für schnelles Wachstum sorgen." Temu konzentriere sich dabei weniger auf die bislang im Online-Handel bekannte Bedarfsdeckung, sondern auf die vor allem im stationären Handel verfolgte Strategie der Bedarfsweckung und der Spontankäufe.

Wer auf die Seite klickt, sieht sofort, was damit gemeint ist: Im Angebot finden sich massenhaft Produkte, von denen wohl nur die wenigsten vorher wussten, dass diese überhaupt existieren: Erdbeerschneider, Zahnpasta-Ausdrücker, Hängematten für Meerschweinchen, ein Gel zum Entfernen von Staub im Auto.

Temu bringt die Produkte allerdings nicht selbst auf den Markt. "Im Unterschied zu Amazon, Shein und Co. versteht sich Temu ausschließlich als Marktplatz - beziehungsweise Plattformbetreiber", erklärt Handelsexperte Tripp. Täglich kämen Tausende neue Artikel hinzu - und das zu extrem billigen Preisen. Der Hochschulprofessor rechnet allerdings nicht damit, dass das dauerhaft so bleibt. "Es ist damit zu rechnen, dass die Preise langfristig auch steigen werden, allerdings auf einem sehr gemäßigten Niveau", sagt er. Das sorge dann für erheblichen Preis- und Kostendruck im sogenannten "Non-Food-Low-Quality-Bereich". Allerdings wisse momentan niemand, ob, wann und wie die hohen Download-Raten der App und die massiven Marketinginvestitionen sich in Umsätzen und Gewinnen bei Temu bemerkbar machen.

Tripp vermutet zudem, dass das Nutzen der App die Lücke zwischen moralischer Grundhaltung und tatsächlichem Handeln in manchen Teilen der Gesellschaft noch vergrößern werde. Das Temu-Geschäftsmodell sei - wie viele andere auch - vermutlich weder sozial und ökologisch nachhaltig, noch steuertransparent.

Verschwendung von Ressourcen

Umwelt- und Verbraucherschützer blicken deshalb mit Sorge auf den Temu-Hype. "Wir haben nur endliche Ressourcen", sagt Viola Wohlgemuth, Konsum-Expertin bei Greenpeace. "Was diese App aber vorantreibt, ist das Übernutzen von Ressourcen. Das können wir uns nicht mehr leisten." Problematisch seien beispielsweise Billig-Elektroartikel. Schnell kaufen, schnell wegwerfen: "Dieses ganze Modell ist etwas, das wir als Greenpeace ablehnen." Kritisch blickt Wohlgemuth außerdem auf den Einsatz von Chemikalien. Zwar liegen der Umweltschutzorganisation zu Temu noch keine Daten vor, aber beim chinesischen Billig-Anbieter Shein sei es bereits vorgekommen, dass gefährliche Chemikalien verarbeitet worden seien. Das könne sich bei Temu wiederholen, fürchtet sie.

Andrea Steinbach von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz verweist darauf, dass bei Einfuhren aus China auch Zollgebühren anfallen können. Zudem gebe es andere Bedingungen mit Blick auf Rücksendungen und Kundenservice. "Man muss schauen, ob die günstige Bestellung diese Risiken rechtfertigt." Anders als in Deutschland könne die Verbraucherzentrale auch keinen Anbieter in China verklagen, sollten sich Beschwerden häufen. "Da können wir nicht tätig werden." Insgesamt hält sie Temu aber für einen seriösen Anbieter - auch wenn man ein paar Dinge beachten sollte. Beim Herunterladen der App etwa: Man solle darauf achten, dass das über einen offiziellen App-Store passiere, sagt Steinbach - und sich fragen, in welche Datenübertragung man einwillige.

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