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Games-Kritik

„Lost Ember: Rekindled Edition“ im Test: Indie-Geheimtipp kehrt technisch poliert zurück

„Lost Ember: Rekindled Edition“ ist eine zweite Chance – für ein unterschätztes Indie-Spiel, aber auch für Spielerinnen und Spieler, die sich zwischen Open-World-Überdruss und Blockbuster-Lärm nach leiserem Eskapismus sehnen. Die Neuauflage inszeniert ein bewusst entschleunigtes Abenteuer über Erinnerung, Schuld und das fragile Verhältnis von Mensch und Natur – technisch poliert, inhaltlich aber erstaunlich kompromisslos. Wer hier nur „Remaster mit 4K und HDR“ erwartet, unterschätzt, wie radikal „Lost Ember“ in seiner Haltung zur klassischen Fortschritts- und Belohnungslogik vieler AAA-Spiele ist.

Gleichzeitig bleibt dieses Spiel ein Prüfstein: Wer ohne Lootspirale, Skilltree und Questmarker in Panik gerät, wird auch mit der „Rekindled Edition“ fremdeln. Mooneye Studios schärfen die ursprüngliche Vision, anstatt sie zu verwässern.

Die Unreal-Engine-5-Optik, die neue Free-Roam-Option und Zusatzinhalte wie „Legendary Souls“ sind keine Anbiederung an den Mainstream, sondern ein Rahmen, der die kontemplative Kernidee konsequenter zur Geltung bringt. „Lost Ember: Rekindled Edition“ ist damit weniger Produktpflege als kulturpessimistische Protestnote gegen die Dauerreiz-Beschallung zeitgenössischer Spiele – im Guten wie im Problematischen.

Worum geht’s in dem Spiel?

Ob auf vier Beinen oder auf zwei Flügeln, irgendwie geht's immer voran in "Lost Ember". Und der Perspektivwechsel lohnt sich, wie im echten Leben auch. - © Mooneye Studios
Ob auf vier Beinen oder auf zwei Flügeln, irgendwie geht's immer voran in "Lost Ember". Und der Perspektivwechsel lohnt sich, wie im echten Leben auch. (© Mooneye Studios)

Im Zentrum steht ein namenloser Wolf, der die tolle Fähigkeit besitzt, sein Bewusstsein in andere Tiere zu übertragen – von Vögeln über Fische bis hin zu Büffeln oder Maulwürfen. Begleitet wird er von einem schwebenden Geist (manche würden auch sagen, es ist der rote Nachfahre von Zini), der sich an die glanzvollen Zeiten einer untergegangenen Zivilisation, der Yanren, erinnert und den Wolf auffordert, mit ihm die „City of Light“ zu erreichen.

Narrativ verwebt „Lost Ember“ eine Reise durch eine posthumane Welt mit der sehr konkreten Geschichte der Yanren-Frau Kalani, deren Leben und Schuld in Fragmenten rekonstruiert werden. Während die Natur die Ruinen zurückerobert, stößt das Duo auf Erinnerungsfragmente, die als Zwischensequenzen die Vergangenheit freilegen – vom gesellschaftlichen Zerfall der Yanren bis hin zu ganz persönlichen Verfehlungen.

Das Spiel ist dabei streng linear, treibt aber nicht über Missionslisten, sondern über emotionale Neugier an: Die eigentliche „Frage“ ist weniger, was als Nächstes passiert, sondern wer diese Figuren waren und warum die Welt so geworden ist, wie sie ist.

Was hat uns gefallen?

Wir folgen den Spuren der untergegangenen Zivilisation, der Yanren. - © Mooneye Studios
Wir folgen den Spuren der untergegangenen Zivilisation, der Yanren. (© Mooneye Studios)

Stärkster Trumpf der „Rekindled Edition“ ist definitiv ihre audiovisuell verdichtete Atmosphäre, die die ursprüngliche Faszination von „Lost Ember“ endlich mit der technischen Brillanz zusammenbringt, die das Konzept verdient. In 4K mit HDR-Unterstützung, verbesserten Lichteffekten, weicherem Schattenwurf und deutlich stabilerer Performance wirkt die Welt weniger wie ein Indie-Projekt mit guten Ideen, sondern wie ein durchkomponiertes, bewegtes Gemälde: Wälder, die in Lichtschächten glühen, verregnete Ruinen, die von Moos überwachsen sind, und sanft flirrende Wüstenpanoramen erzeugen eine Bildsprache, die mehr an impressionistische Landschaftsmalerei als an Checklisten-Open-World denken lässt.

Dass die „Rekindled Edition“ dabei viele technische Schwächen der Urfassung – von Framerate-Einbrüchen bis zu kleineren Bugs – spürbar glättet, ist nicht nur Komfortgewinn, sondern auch ein ästhetisches Statement: Die Meditation funktioniert besser, wenn nichts ruckelt.

Spielerisch überzeugt „Lost Ember“ gerade in seinen stärksten Momenten durch Minimalismus und Perspektivwechsel. Die Möglichkeit, nahtlos zwischen Tierkörpern zu springen – vom stolzen Wolf zum elegant gleitenden Vogel, zur wendigen Ente im Wasser oder zum schwerfälligen Büffel, der Wände einreißt – verknüpft Umweltpuzzle und Weltaneignung auf eine Weise, die sich wie eine poetische Geste anfühlt. Es geht selten darum, die „richtige Lösung“ zu finden, sondern darum, die Welt aus möglichst vielen Blickwinkeln zu erleben; die Welt wird nicht als Spielplatz für den Spieler inszeniert, sondern als Ökosystem, in das man sich temporär einfügt und das vor allem ohne menschliche Dominanz weiterexistiert.

Wer aufmerksam sucht, entdeckt Relikte wie diesen seltsamen Ball. Wozu der wohl mal gut war ... - © Mooneye Studios
Wer aufmerksam sucht, entdeckt Relikte wie diesen seltsamen Ball. Wozu der wohl mal gut war ... (© Mooneye Studios)

Besonders positiv sticht heraus, wie entschieden das Spiel seine emotionale Erzählung in den Vordergrund stellt und dabei auf allzu sentimentale Kitschfallen weitestgehend verzichtet. Die Beziehung zwischen Wolf und Geist bleibt asymmetrisch – der eine stumm, die andere Stimme voller Schuld, Hoffnung und gelegentlicher Nervigkeit –, doch genau diese Spannung macht den Reiz aus; „Lost Ember“ verweigert den einfachen Trost und entscheidet sich für Ambivalenz, wenn es um Schuld, Vergebung und Erinnerung geht. Die finale Auflösung, die „Rekindled Edition“ überarbeitet, aber nicht grundsätzlich umschreibt, wirkt dadurch weniger wie eine rührselige Pointe, sondern eher wie ein leises, aber ehrliches Einverständnis mit der eigenen Vergangenheit – ein Abschluss, der nicht alles geradebiegt, aber emotional trägt.

Hinzu kommt, dass die „Rekindled Edition“ den Umfang und die Spielweisen sinnvoll erweitert, ohne die Grundidee zu verraten. Der neue Free-Roam-Modus baut eine offene Welt über mehrere Biome hinweg, in der alle spielbaren Tiere zugänglich sind und optionale Mini-Challenges zum Experimentieren einladen – eine Art „Post-Game-Atelier“, in dem man die Mechaniken und die Landschaften losgelöst von der linearen Story auskosten kann. Neue Extras wie ein weihnachtlicher Modus und der parallel erscheinende DLC „Legendary Souls“ setzen zusätzliche Anreize zur Rückkehr.

Was hat uns nicht gefallen?

Irgendwann entdecken wir auch diese geheimnisvollen Ruinen. - © Mooneye Studios
Irgendwann entdecken wir auch diese geheimnisvollen Ruinen. (© Mooneye Studios)

Gerade weil „Lost Ember: Rekindled Edition“ seine kontemplative Identität so konsequent schützt, bleibt es anfällig für dieselben Kritikpunkte, die schon das Original spalteten – und diese Reibung verschärft sich 2025, wo die Erwartung an Interaktivität höher ist als je zuvor. Die spielerischen Systeme bleiben rudimentär: Die Tierwechsel sind oft klar vorgegeben, die kleinen Rätsel selten mehr als „Finde das passende Tier für diese Barriere“, und der lineare Levelaufbau lässt abseits der Storypfade nur punktuelle Erkundung zu. Wer unter „Exploration“ eine offene Welt mit emergenten Systemen versteht, wird hier eher durch einen sorgfältig dekorierten Korridor geführt – wunderschön anzusehen, aber in seiner Steuerbarkeit strikt reglementiert.

Dazu kommt, dass die Neuauflage zwar technisch glänzt, aber naturgemäß nicht alle Erbschaften des Originals tilgen kann – und an anderer Stelle neue Spannungen erzeugt. Auch wenn viele Performance-Probleme behoben sind, bleibt die Interaktion manchmal hakelig: Kameraperspektiven geraten in engen Passagen ins Stolpern, Tierwechsel fühlen sich in bestimmten Situationen weniger fließend an, und kleinere Glitches unterbrechen die sonst so sorgfältig aufgebaute Immersion. Gerade im Free-Roam-Modus zeigt sich, dass die Mechaniken für eine wirklich freie Sandbox-Erfahrung eigentlich zu flach sind; die zusätzlichen Biome sind visuell reizvoll, doch spielerisch oft nicht tief genug, um uns langfristig zu fesseln.

Schließlich bleibt ein gewisser Wertungs-Spagat: Die „Rekindled Edition“ positioniert sich mit Unreal Engine 5, 4K, HDR und Next-Gen-Plattformfokus selbstbewusst im visuell aufgerüsteten Segment, ohne ihre Indie-Wurzeln spielerisch hinter sich zu lassen. Das führt dazu, dass die Erwartungshaltung – gerade auf PS5 und Xbox Series – schnell an „Prestige-Indie“ mit komplexeren Systemen oder größeren Entscheidungsfreiheiten denkt, während „Lost Ember“ im Kern ein sehr geführtes, eher kurzes Story-Erlebnis bleibt, das mehr an interaktiven Film als an modernes Adventure erinnert. Wer damit leben kann, bekommt eine klare, fokussierte Vision; wer für seinen Kaufpreis „Systemtiefe“ einfordert, wird sich an der sanften, aber unnachgiebigen Linearität reiben.

Unser Fazit zu „Lost Ember: Rekindled Edition“

„Lost Ember: Rekindled Edition“ ist kein typisches Remaster, sondern eine späte, aber überfällige Korrektur der Wahrnehmung eines Spiels, das 2019 zwischen Indie-Hype-Wellen beinahe untergegangen wäre. Die Neuauflage schließt die optische und technische Lücke zur ursprünglichen Ambition und macht aus einem schönen, aber spröden Rohdiamanten ein deutlich kohärenteres, audiovisuell überzeugendes Gesamterlebnis – ohne den Kernkompromiss aufzugeben, dass hier Story, Stimmung und Perspektivwechsel wichtiger sind als Systeme, Sammelobjekte oder Spielzeitstreckung.

Empfehlen lässt sich „Lost Ember: Rekindled Edition“ darum mit aller Deutlichkeit – aber nicht bedingungslos. Wer erzählerische, lineare Erkundungsabenteuer schätzt, mit ruhigem Tempo leben kann und die Idee liebt, eine vom Menschen verlassene Welt in den Körpern ihrer Tiere neu zu erfahren, findet hier eines der konsequentesten Beispiele des Genres, das im Gewand der Unreal Engine 5 seine volle Wirkung entfaltet.

Wer hingegen mechanische Komplexität, lang anhaltende Progressionssysteme oder offene Spielplätze erwartet, wird trotz Free Roam und DLC eher das Gefühl haben, eine wunderschöne, aber nach einigen Stunden abgeschlossene Bilderbuchreise zu erleben – und genau das will dieses Spiel sein.

„Lost Ember: Rekindled Edition“ ist seit dem 27. November 2025 erhältlich für PC, PS5 und Xbox Series und kostet rund 30 Euro. Das Spiel ist ab 12 Jahren freigegeben.

Transparenzhinweis: Für diesen Test wurde uns vom Publisher ein kostenloser Review-Code zur Verfügung gestellt. Dies hatte keinen Einfluss auf unsere Wertung. Wir haben das Spiel auf der Playstation 5 Pro getestet.

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