Lemgo. An Urlaub ist für Tim Suton noch nicht zu denken. Sein Fernweh kann der 22-jährige „Energizer" von Handball-Bundesligist TBV Lemgo aber im Trikot der deutschen Nationalmannschaft stillen, die nach dem Länderspiel am Mittwoch in München zu einem elftägigen Trip nach Japan aufbricht.
Sie standen in jedem Bundesligaspiel auf der Platte. Vorne wie hinten. Fast immer über 60 Minuten. Wie viel Sprit hat man da nach 34 Spieltagen noch im Tank?
Tim Suton war mit 121 Treffern bester Feldtorschütze des TBV in der abgelaufenen Saison. Der 22-jährige Allrounder wurde in Kirchheim unter Teck geboren, lebte bis zu seinem sechsten Lebensjahr jedoch in Kroatien. Bereits mit 16 Jahren debütierte er bei der HG Saarlouis in der 2. Liga. 2014 wurde er als bester deutscher Nachwuchsspieler mit dem Erhard-Wunderlich-Gedächtnispreis ausgezeichnet.
Tim Suton: Noch genügend. Vielleicht ist es ja eine Altersfrage. Aber ich hätte durchaus Spaß, wenn es noch weitergehen würde.
In welcher Partie mussten Sie am meisten auf die Zähne beißen?
Suton: Es fällt schwer, eine Partie rauszupicken. Generell lässt sich sagen, dass uns in der Rückrunde im Rückraum etwas die Alternativen gefehlt haben. Da musste jeder einzelne noch etwas mehr investieren.
Nach drei Jahren Abstiegskampf pur: Was ist das für ein Gefühl, jetzt mal eine sorgenfreie Saison spielen zu dürfen?
Suton: Für mich persönlich waren es sogar fünf Jahre Abstiegskampf. Ganz sorgenfrei habe ich es in dieser Saison aber auch nicht empfunden. Doch der Druck war ein ganz anderer, als im vergangenen Jahr, wo wir die letzten drei Partien zwingend gewinnen mussten.
Der Klassenerhalt war schon sieben Spieltage vor Schluss perfekt. Wie haben Sie danach die Motivation hoch gehalten?
Suton: Wir hatten Spaß daran, weiter zu gewinnen. Ziel war der Klassenerhalt. Als wir gemerkt haben, dass wir auf einem guten Weg sind, haben wir uns zwischendurch neue, kleinere Ziele gesetzt. Und plötzlich war Platz neun in Sichtweite.
Gab es auch Ziele, die verfehlt worden sind?
Suton: Höchstens die beiden Derbies gegen Minden, die ja beide unentschieden ausgegangen sind. Ansonsten habe ich aber nichts auszusetzen an der Saison.
Inwieweit haben Sie die Grenzerfahrungen aus dem vergangenen Jahr nach vorne gebracht?
Suton: Nicht nur wir Spieler, sondern der ganze Verein, die Fans, der Vorstand, haben diese Erfahrungen mitgenommen. Das hat jeden noch mehr beflügelt. Wir haben im Abstiegskampf viel Selbstsicherheit gewonnen, die wir in die neue Serie übertragen konnten. Das hat einfach Spaß gemacht.
Was waren die wichtigsten Spiele der Saison?
Suton: Besonders schön fand ich unseren Heimsieg gegen Göppingen, einen direkten Nachbarn, weil wir danach eine längere Pause hatten. Gut war auch, dass wir zuhause gegen Topteams mitgehalten haben. Das Unentschieden gegen Magdeburg war etwas Besonderes.
Welche Rolle haben die Neuzugänge gespielt?
Suton: Peter Johannesson hätte ich so stark nicht erwartet. Da haben „Flo" (TBV-Trainer Kehrmann, die Red.) und die Geschäftsführung ein gutes Auge und ein gutes Gespür gehabt. Peter ist ein 6:0-Torhüter, der auch davon profitiert hat, dass wir mit Isaias Guardiola und Fabian van Olphen super Abwehrspieler hinzugewonnen haben. Weshalb es mit ihm in Balingen nicht so geklappt hat, kann ich nicht sagen. Balingen hat häufig offensiver gedeckt. Vielleicht war er der falsche Torhüter für ihr System.
Erklären Sie doch mal die Aura von Fabian van Olphen!
Suton: „Tulpe" ist in der Abwehr unglaublich erfahren. Das hilft auch den Leuten drumherum enorm. Sein Vorgänger Jonathan Stenbäcken war auch ein sehr guter Abwehrspieler. Das hat er ja auch bei seinem neuen Verein bewiesen. Mit Skjern ist er dänischer Meister geworden und erreichte das Champions-League-Viertelfinale. Das zeigt: Die Qualität ist da. Aber irgendwie hat es nicht ganz gepasst. Sowohl „Tulpe" als auch Isa sind andere Typen, die super in unsere Truppe reingefunden haben.
Inwiefern spielte das Outdoortrainingslager in den Niederlanden eine Rolle?
Suton: Dadurch ging die Saison direkt gut los. Die Vorbereitung lief besser als im Vorjahr. Das war übrigens in der Wintervorbereitung ähnlich. Es ist schon nicht schlecht, wenn man bereits in der Vorbereitung gute Ergebnisse gegen starke Mannschaften erzielt.
Haben Sie eigentlich eine gute Reiserücktrittversicherung? Mit der Nationalmannschaftsreise nach Japan haben Sie doch bestimmt nicht gerechnet?
Suton: Das kam für mich total überraschend, denn in den letzten Lehrgängen war ich ja nie dabei. Ich sehe es als Belohnung und Anerkennung für die Saison, und ich weiß, dass Steffen Fäth, Philipp Weber und Simon Ernst verletzt sind. Doch ich freue mich riesig. Den geplanten Abstecher mit Andrej Kogut nach Moskau werde ich vielleicht später mal nachholen können.
Das Interview führte LZ-Redakteur Jörg Hagemann.