EM-Senkrechtstarterin Carlotta Wamser: Ihre Wurzeln liegen in Lippe

Kreis Lippe. Aus Lippe in die Fußball-Nationalmannschaft: Carlotta Wamser stammt aus Bad Salzuflen, auch wenn sie das Licht der Welt in Herford erblickte. Bei der Fußball-Europameisterschaft in der Schweiz rückte die 21-Jährige auf einmal in den Fokus, als sich Spielführerin Giulia Gwinn im Auftaktspiel gegen Polen verletzte und Wamser nach ihrer Einwechslung brillierte. Am Samstag (21 Uhr, live im ZDF) muss die Lipperin ihren Teamkolleginnen beim Viertelfinale in Basel gegen Frankreich jedoch von außen die Daumen drücken. Denn: Gegen Schweden hatte die Rechtsverteidigerin nach einem Handspiel kurz vor der Torlinie die Rote Karte gesehen.

Bei den Minis begann Carlotta Wamser beim TuS Grastrup-Retzen ihre Karriere, dort trainierten sie unter anderem Jens Hüttemann und Uwe Becker. Es folgten einige Jahre beim TBV Lemgo unter ihrem langjährigen Coach Roman Spieß. Mit Jasper Süllwold kickte die fünfmalige Nationalspielerin bei SpVg Brakel unter anderem in der C-Jugend-Westfalenliga. Die LZ sprach mit ihren Wegbegleitern.

Jens Hüttemann (57) freut sich riesig, dass Wamser ausgerechnet im Jahr des 100. Geburtstages des TuS Grastrup-Retzen so richtig im DFB-Team durchstartet: &bdquo;Das passt einfach, sie ist das Aushängeschild unseres Vereins.“ Ihr älterer Bruder Connor sei damals bereits im Verein gewesen, dann entschied sich auch Carlotta für Fußball: &bdquo;Da mein Sohn Joshua in der F2 spielte, bin ich Trainer dieser Mannschaft geworden. Ich habe Carlotta, Joshua und die anderen Jungs zusammen mit meinem damaligen Co-Trainer Uwe Becker angeleitet. Bei den Minis war Alexander Pamp Carlottas Trainer. Ihr Talent war unverkennbar. Schon als kleines Mädchen konnte ich sehen, dass sie sportlich herausragend ist.“

&bdquo;Ich habe beim Zuschauen schon ein wenig Gänsehaut bekommen“ Ihr Talent sei ihr durch ihre Eltern – Kerstin und Peter, die beide unter anderem Sport unterrichten – in die Wiege gelegt worden. &bdquo;Carlotta war so fokussiert auf den Fußball, das fiel auch anderen auf“, berichtet Jens Hüttemann: &bdquo;Bei der Teilnahme am Weser-Werre-Lauf behauptete sich Carlotta als Achtjährige gegen Mädels, die fünf, sechs Jahre älter waren.“ Nun verfolgt Hüttemann, der mit seiner Familie in Retzen wohnt, Wamsers Weg aus der Ferne: &bdquo;Ich habe beim Zuschauen schon ein wenig Gänsehaut bekommen. Carlotta hat sich super entwickelt und bislang ein sehr gutes Turnier gespielt. Daran ändert auch die Rote Karte wegen des Handspiels nichts.“

Fast vier Jahre ist Roman Spieß , inzwischen 31 Jahre und Torwart der ersten Mannschaft des TBV, Trainer von Wamser in Lemgo gewesen. Er beschreibt sie als &bdquo;aufgeschlossen, wissbegierig und lustig“. An die erste Einheit mit dem einzigen Mädchen im Team kann sich Spieß noch bestens erinnern: &bdquo;Sie stieg aus dem Auto aus und ich wusste, dass wir bereits eine starke Truppe haben. Ich fragte mich, ob sie das wirklich packe. Aber dann sah ich, wie sie mit dem Ball lief und ihn gleich in den Knick schoss. Ihr Tempo war beeindruckend.“ Carlotta habe nicht nur Spaß am Fußball gehabt, sie &bdquo;entwickelte eine Leidenschaft, sprang überall rein und wollte nie vom Platz. Ich musste sie teilweise bremsen. Ihre Einstellung, ihre Mentalität – das bringen nicht viele mit.“

&bdquo;Carlotta war hingegen cool“ Festgesetzt haben sich bei Roman Spieß auch Szenen von einem Hallenturnier in Minden: &bdquo;Die Jungs waren total aufgeregt, fragten immer wieder, wann das nächste Spiel sei. Carlotta war hingegen cool, konzentrierte sich in den Pausen auf Handarbeiten, die sie zusammen mit ihrer Mutter machte. Aber wenn ich sagte, dass es nun soweit sei, konnte Carlotta sofort den Schalter umlegen.“ Deshalb war Roman Spieß auch überhaupt nicht überrascht, dass Wamser nach der Gwinn-Verletzung sofort eine Topleistung aufs Feld legen konnte: &bdquo;So ist sie einfach, sie denkt nicht lange nach.“

Der Sporker Jasper Süllwold kickte zusammen mit Wamser in Lemgo und in Brakel. Der nun 22-Jährige spielt beim TBV in der ersten Mannschaft und arbeitet bei den Stadtwerken Lemgo: &bdquo;Ich sah Carlotta das erste Mal, als wir mit dem TBV gegen Grastrup-R. mit 3:4 verloren. Es waren 40 Grad, aber Carlotta rannte und rannte, die Hitze störte sie überhaupt nicht. Im Mittelfeld trafen wir immer wieder aufeinander, läuferisch war sie definitiv besser als ich.“

&bdquo;Als einziges Mädchen war sie voll akzeptiert.“ Nach dem Wechsel von Carlotta nach Lemgo spielte Süllwold mit ihr zusammen in einem Team: &bdquo;Sie war sehr ruhig, gab im Training immer Vollgas. Wir sind gut klargekommen.“ In der C-Jugend wechselten Wamser und Süllwold dann gemeinsam zur SpVg Brakel, bildeten eine Fahrgemeinschaft: &bdquo;In der Landes- und Westfalenliga war Carlotta Stammspielerin, als einziges Mädchen war sie voll akzeptiert.“

Der Sprung nach ganz oben überrascht Jasper Süllwold nicht: &bdquo;Wir kannte alle kein besseres Mädchen, natürlich verfolge ich ihren Weg weiter, auch wenn wir keinen Kontakt mehr haben. Ich wünsche ihr, dass sie im Halbfinale wieder mitwirken kann. Gegen Frankreich wird es für Deutschland schwer, eine Chance hat unser Team aber definitiv.“

Karriere Carlotta Wamser (21), früher Stürmerin, jetzt Abwehrspielerin, spielte bis vor fünf Jahren noch bei den Jungs. 2020 wechselte sie nach einer Serie in der B-Junioren-Landesliga der SpVg Brakel zum Frauen-Bundesligisten SGS Essen. Ihr Bundesligadebüt gab sie am 4. September 2020 beim 0:3 beim VfL Wolfsburg. Die Lipperin kam 2020/2021 in allen Spielen zum Einsatz und war mit fünf Toren beste Torschützin ihrer Mannschaft. 2022/2023 wechselte sie zu Eintracht Frankfurt, ließ sich zwischenzeitlich zum 1. FC Köln verleihen. Zur neuen Saison schließt sich Carlotta Wamser Bayer Leverkusen an. Sie hat bisher fünf Länderspiele für Deutschland bestritten.

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