Berlin. Wer im Netz jetzt schon von der täglichen Frage nach dem Gebrauch von Cookies genervt ist, muss sich auf noch mehr juristische Nachfragen auf dem Bildschirm einstellen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat geurteilt, dass Besucher von Webseiten ihre Zustimmung geben müssen, bevor sie einen „Like"-Knopf für Facebook auch nur zu sehen bekommen. Die Luxemburger Richter stärken damit den Datenschutz in der Online-Welt (Rechtssache C-40/17).
Auf zahlreichen Webseiten stehen unter oder neben den eigentlichen Inhalten kleine Symbole, mit denen sich eine Meinung direkt in die sozialen Netzwerke schießen lässt.
Besonders häufig finden sich zwei Bildchen: ein Vogel, um den Inhalt auf Twitter zu teilen, und ein „f", das auf Facebook führt. Hier kann beispielsweise der Kunde eines Online-Shops der ganzen Welt mitteilen, dass er ein bestimmtes Produkt gekauft hat. Eine Variante ist eine Schaltfläche, die nur ein „Gefällt Mir"-Signal auf die Seite der Ware oder Dienstleistung auf Facebook sendet.
Jedes "Like" ist für die Ewigkeit
Doch die harmlosen Schaltflächen haben es in sich. Facebook merkt sich jedes „Like" für die Ewigkeit. Es wird Teil zum dort gespeicherten Profil des Konsumenten.
Zu den meisten seiner 2,4 Milliarden aktiven Nutzer besitzt der Konzern Hunderte, Tausende oder Zehntausende dieser sogenannten Datenpunkte. Er weiß bei sehr aktiven Teilnehmern nicht nur, welches Konzert sie gut fanden und wie sie zur Flüchtlingspolitik stehen. Er weiß auch, wie sie auf Beleidigungen reagieren oder ob sie mehr fröhliche oder mehr deprimierte Smileys verwenden.
Daraus gibt sich im Gesamtbild ein Profil, aus dem sich das Verhalten und Vorlieben ableiten lassen. Das wiederum erlaubt gezielte Werbung.
Politische Beeinflussung der Bürger
Die Wahlkampagnen für Donald Trump und für den Brexit haben diesen Datenschatz genutzt, um Bürger gezielt zu beeinflussen: Je nach ihrer vorherrschenden Meinung erhielten sie andere Argumente und emotionale Impulse. Wer beispielweise starkes Sicherheitsdenken gezeigt hatte, bekamen den Brexit als Schutz vor Einwanderern dargestellt. Abenteuerlustige Leute bekamen ihn als aufregenden Neuanfang präsentiert.
Aus diesen Gründen gelten solche Daten heute als das Erdöl des Informationszeitalters. Sie bringen echte wirtschaftliche und politische Macht. Die Analysten messen dabei für jeden Facebook-Nutzer 52.000 geistige Eigenschaften. Jede Veröffentlichung dort und jeder Like von einer anderen Webseite her dienen der Vervollständigung dieses Persönlichkeitsprofils.
So kann Facebook uns genau die Sachen zeigen, die uns interessieren. Facebook macht damit im Jahr gut 20 Milliarden Euro Jahresgewinn, also etwa so viel wie BASF, Siemens und Daimler zusammen.
Exemplarische Klagen gegen Peek & Cloppenburg
Der Verbraucherzentrale NRW waren die unschuldig aufgemachten „Gefällt Mir"-Knöpfe aus diesen Gründen ein Dorn im Auge. Aus Sicht der Experten stellen sie eine Datenschutz-Katastrophe dar.
Sie klagten daher exemplarisch gegen die Bekleidungskette Peek & Cloppenburg, die einen „Gefällt Mir"-Knopf auf ihrer Webseite eingebunden hatte. Die deutschen Richter haben dann den EuGH zur Auslegung der europäischen Datenschutzbestimmungen herangezogen.
"Das geht an der Realität vorbei"
Während Verbraucherschützer sich über das Urteil erfreut zeigen, befürchtet die Digitalbranche weitere Störungen beim Besuch von Webseiten. „Hier wieder das Einwilligungsprinzip für alle Nutzer zugrunde zu legen, geht an jeder Realität vorbei – das macht jede Webseitennutzung aus Sicht der Nutzer maximal kompliziert und umständlich", kritisiert Thomas Duhr, Vizepräsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVWD).
Durchleitungen von Seiten auf soziale Netze seien heute sehr häufig. Es sollte daher reichen, die Besucher in den vorhandenen Datenschutzbestimmungen zu informieren. „So müssen sich die Besucher aber durch Einwilligungstiraden quälen", so Duhr.
Verband bevorzugt Shariff-Button
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft bevorzugt technische Lösungen wie den „Shariff-Button". Das Wort ist eine Zusammenziehung aus „Share" und „Sherrif". Herkömmliche Like-Knöpfe übermitteln schon beim Öffnen der Seite erste Daten wie die Internetadresse (IP) des Computers an Facebook. Sie gelten daher schon länger als fragwürdig. Die Konzerne können darüber quasi schon im Vorbeiflug die Surfgewohnheiten verfolgen.
Die Shariff-Schaltfläche stellt dagegen erst dann den Kontakt zu Facebook und anderen Seiten her, wenn der Besucher wirklich draufklickt.