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Europas schmerzhafter Weg zur Wehrhaftigkeit

Eva Quadbeck

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Ein ukrainischer Soldat geht an dem Schauplatz schwerer Kämpfe mit russischen Truppen in der Region Donezk. Die internationalen Maßnahmen helfen der Ukraine nicht in ausreichendem Maße, meint unsere Autorin. - © dpa
Ein ukrainischer Soldat geht an dem Schauplatz schwerer Kämpfe mit russischen Truppen in der Region Donezk. Die internationalen Maßnahmen helfen der Ukraine nicht in ausreichendem Maße, meint unsere Autorin. (© dpa)

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor einem Jahr war die Lage ungleich zuversichtlicher. Damals war das Treffen getragen von der Überzeugung, die tapfereren Ukrainer würden den Krieg gewinnen. An diesem Wochenende hat das niemand mehr laut gesagt. Im Gegenteil. Auf den für die Öffentlichkeit bestimmten Panels waren die Regierungschefs, Ministerinnen und Präsidenten bei der Analyse der Lage bemüht, auch den Silberstreif am Horizont zu beschreiben. Darum hatte Konferenzchef Christoph Heusgen zum Auftakt ausdrücklich gebeten. Bei den vielen Gesprächen auf den Fluren und in den Hallen des Bayerischen Hofs machten sich vor allem düstere Szenarien breit von einem Diktator im Kreml, dem die Ukraine nicht genug sein wird.

Die westliche Allianz der Ukraine-Unterstützer hat kein Erkenntnisproblem. Bundeskanzler Olaf Scholz beschrieb klar in seiner Auftaktrede, dass Russland längst auf Kriegswirtschaft umgestellt hat. Die Massenproduktion billiger Waffen nannte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen „schnelle, dreckige“ Gewinne. Nur was eine einmal hochgefahrene Kriegswirtschaft in der Konsequenz bedeutet, wurde in München eher hinter vorgehaltener Hand deutlich: Die Waffen werden zum Einsatz produziert. Sie dienen den Plänen des imperialistischen Kreml-Herrschers. Wenn die Ukraine überrannt sein sollte, geht es weiter.

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An Klarsicht fehlt es in München nicht. An Weitsicht und Tempo in den Konsequenzen aus dem Agieren Russlands mangelt es sehr wohl. Ja, die Bundeswehr wird mit einem 100-Milliarden-Sondervermögen hochgerüstet. Ja, die Europäer wollen eine eigene, starke Rüstungsindustrie aufbauen. Ja, Deutschland hat die Milliardenhilfen für die Ukraine abermals aufgestockt.

Es braucht eine entschlossene Allianz der Demokratien

Alle diese Maßnahmen ändern nichts an der Tatsache, dass in der Ukraine die Front bröckelt, weil den Soldaten die Munition ausgeht und weil die ukrainische Armee mangelhaft ausgestattet ist, russische Raketen abzufangen. Präsident Selenskyj hat es bei seinem beeindruckenden Auftritt in München auf den Punkt gebracht: „Es reicht nicht, etwas zu tun. Man muss alles tun.“

An dem Punkt ist die westliche Allianz noch lange nicht. Sie ist immer noch im Reaktionsmodus. Wenn die Ukraine wie aktuell in die Defensive gerät, stockt sie Hilfen auf. Das wird Putin aber nicht ausreichend beeindrucken. Dieser hat sich bislang als strategischer Opportunist erwiesen. Sprich: Er geht so weit, wie er glaubt, dass er es kann.

Nur eine zu allem entschlossene Allianz demokratischer Staaten wird ihn aufhalten können. Putin versteht nur die Sprache des Stärkeren. Und auch wenn die Tonlage bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Vergleich zum Vorjahr klarer, schärfer und entschlossener geworden ist, wird die aktuelle Bereitschaft der Europäer zum Einsatz von Geld und Waffen nicht ausreichen, dass die Ukraine den Krieg nicht verliert.

Und gibt es einen Silberstreif?

Immerhin ist die Klagerei der Europäer über die schwindende Verlässlichkeit der USA leiser geworden ist. Das Lamentieren bringt auch wirklich gar nichts. Europa kann nicht in den Vereinigten Staaten wählen. Und unabhängig davon, ob die Amerikaner Joe Biden eine weitere Amtszeit gewähren oder erneut Donald Trump ins Weiße Haus einziehen lassen, muss Europa sich darauf einstellen, die Verantwortung für die Friedenssicherung auf dem eigenen Kontinent zu übernehmen.

In seiner Rede hatte Selenskyj beschrieben, dass es bei den Ukrainerinnen und Ukrainern von der Annexion der Krim 2014 bis zum Überfall auf das gesamte Land 2022 gedauert habe, bis die Bevölkerung mental bereit gewesen sei, das eigene Land zu verteidigen. Der schmerzhafte Weg, im Fall der Fälle sein Land zu verteidigen zu können, hat in den EU-Staaten erst begonnen.

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