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Kommentar

Populistischer Unsinn: Dobrindts Forderungen ignorieren die Realität

Bielefeld. Geflüchtete ohne Arbeit in die Ukraine ausweisen: Für diese Forderung erntet der CSU-Politiker Alexander Dobrindt zu Recht Empörung. Mit solchen Äußerungen folgt er anderen Parteien und ihrem gefährlichen Populismus. Der Vorschlag, arbeitslose ukrainische Flüchtlinge entweder in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren oder sie in ihre Heimat zurückzuschicken erscheint nicht nur unsensibel, sondern widerspricht auch den aktuellen Entwicklungen und Bemühungen auf dem Arbeitsmarkt.

Jüngste Aussagen der Bundesagentur für Arbeit zeigen eine andere Realität. Der sogenannte Job-Turbo, der Ende letzten Jahres eingeführt wurde, um Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, ist zwar als Bummelzug gestartet, zeigt aber inzwischen erste Erfolge.

Trotz schwächelnder Konjunktur und steigender Arbeitslosenzahlen nimmt die Beschäftigung von Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Herkunftsländern stetig zu. Allein im März 2024 fanden über 5.000 Ukrainerinnen und Ukrainer eine Anstellung – doppelt so viele wie im Vorjahr. Der Chef der Agentur für Arbeit in Gütersloh und Bielefeld bestätigt diesen Trend.

Sprache ist der Schlüssel zur Arbeit

Zwar habe das Unterstützungsprogramm von Arbeitsminister Hubertus Heil bisher nicht die Erfolge gebracht, die er angekündigt hatte. 33.000 statt 200.000 Flüchtlinge konnten bisher in den Arbeitsmarkt integriert werden. Aber das wichtige Signal ist, dass die Zahlen steigen. Da die Sprache der Schlüssel zum Job ist und Deutsch nicht leicht zu lernen ist, hat der Job Turbo etwas länger gebraucht, um Geschwindigkeit aufzunehmen. Dobrindts Forderungen ignorieren diese positiven Entwicklungen.

Sie verkennen aber auch die humanitäreren Aspekte der aktuellen Situation. Viele der ukrainischen Flüchtlinge sind alleinerziehende Mütter. Zu mangelnden Sprachkenntnissen kommen fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten und die langwierige Anerkennung von Berufsabschlüssen. Frauen und Kinder in ein Land zurückzuschicken, das immer noch unter den Angriffen Russlands leidet, ist nicht nur zynisch, sondern auch gefährlich für die Betroffenen. Die Politik muss woanders ansetzen. Endlose Anerkennungsverfahren von Abschlüssen, Mangel an Sprachkursen, schlechte Erfolgsquoten, unzureichende Kinderbetreuung - alles das darf es nicht mehr geben.

Dobrindts Forderungen schüren unnötige Ängste

Dobrindts Vorschlag, ukrainische Geflüchtete aus dem Bürgergeld rauszunehmen und ins Asylverfahren zu bringen, ist aus einem anderen Grund nicht durchdacht. In Deutschland beträgt das Bürgergeld für Erwachsene 563 Euro im Monat. Ukrainer, die ins Asylverfahren kommen, würden bis zu ihrer Anerkennung als Kriegsflüchtlinge Leistungen als Asylbewerber in Höhe von 460 Euro pro Monat bekommen – 103 Euro weniger als das Bürgergeld. Gleichzeitig würde mehr Bürokratie entstehen und der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Gesetzeslage weiter erschwert.

Die Forderungen des CSU-Politikers sind daher populistischer Unsinn. Sie schüren unnötige Ängste und Vorurteile gegenüber Geflüchteten und verschärfen die ohnehin hitzige Migrationsdebatte.

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