„Sozialpolitischer Irrweg“ – Stimmen zur Einigung zwischen Union und SPD

Markus Söder hat sein Urteil über die Sondierungseinigung sehr kurz gefasst. &bdquo;Passt schon“, verkündete der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident zufrieden. Die CSU war dann auch der erste der drei möglichen künftigen Regierungsparteien, die den nächsten Schritt ging: Gleich am Sonntagmorgen stimmte der Parteivorstand einstimmig für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der SPD – obwohl es durchaus Gegrummel gab.

Zu viele neue Schulden seien geplant und zu wenig Einsparungen, hieß es in der Sitzung. Allen voran der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel, der in den 1990er Jahren die Einführung des Euro mit vorbereitet hatte und für dessen Stabilität eiserne Schuldendisziplin verordnet hatte, machte Bedenken geltend. Ex-CSU-Chef Horst Seehofer warf Söder und CDU-Chef Friedrich Merz via &bdquo;Bild am Sonntag“ Wortbruch vor: Die Pläne stimmten &bdquo;mit dem von uns versprochenen glaubwürdigen Politikwechsel nicht überein“.

Auch der SPD-Vorstand sprach sich noch am Sonntag für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen aus, ebenfalls einstimmig. Auch hier gab es allerdings Bedenken: Die SPD-Linke forderte, die Einigung müsse in den Koalitionsverhandlungen nachgebessert werden, insbesondere beim Bürgergeld und bei der Migrationspolitik. &bdquo;Sie werfen nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken auf, sondern stellen auch soziale und integrationspolitische Rückschritte dar“, sagte der Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD-Fraktion, Tim Klüssendorf, dieser Redaktion. Besonders problematisch sei die Überlegung, Doppelstaatlern bei Extremismushinweisen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen. Es drohe eine &bdquo;Staatsbürgerschaft zweiter Klasse“. Positiv seien die Beschlüsse zu Investitionen, Mindestlohn, Industriestrompreis, Rente und Tariftreuegesetz.

Junge Union bemängelt unzureichenden Reformgeist In der CDU, deren Gremien am Montag tagen, zeigten sich viele Kritiker des Finanzpakets nun zufrieden. Die Junge Union allerdings vermittelte gebremsten Enthusiasmus. Zwar habe es bei der Migrationspolitik Fortschritte gegeben, sagte JU-Chef Johannes Winkel. Richtige Strukturreformen allerdings gebe es nicht. Die Einigung &bdquo;strahlt noch nicht ausreichend Reformgeist aus“.

An dieser Stelle stimmt Winkel mit den Grünen überein, deren Zustimmung zum Finanzpaket Union und SPD im Bundestag wegen der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit dringend brauchen. CDU-Chef Friedrich Merz findet zwar, man erfülle &bdquo;fast alles, was die Grünen in der letzten Wahlperiode vorgetragen haben“. Er gehe also davon aus, dass die Zustimmung der Grünen &bdquo;sicher sein müsste“. Mehr Geld für Verteidigung und Ukraine-Hilfe führt er an. Und natürlich werde man mit den Infrastrukturgeldern auch Klimaschutzprojekte finanzieren.

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz allerdings ärgerte sich über &bdquo;das ignorante und selbstreferenzielle Agieren der schwarz-roten Akteure“ und deren &bdquo;bräsigen und selbstgefälligen Duktus. Dies sei wenig hilfreich. Und rechtlichen Zweifel an den Plänen gebe es obendrein. Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang forderte, die Klimakrise dürfe &bdquo;nicht wie eine Spinnerei behandelt“ werden.

Greenpeace empfiehlt Grünen rote Linien für Verhandlungen Der Deutschland-Chef der Umweltschutzorganisation Greenpeace, Martin Kaiser, empfiehlt für die Verhandlungen rote Linien. &bdquo;Die Grünen können dem Finanzpaket nicht zustimmen, wenn beim Sondervermögen nicht die Höhe der Investitionen für Klimaschutz verbindlich verankert ist“, sagte er. &bdquo;Außerdem müssen sie darauf dringen, dass bei den Verteidigungsausgaben der Sicherheitsbegriff um den Klima- und Naturschutz erweitert wird.“ Problematisch sei unter anderem, dass die Zukunft des Deutschlandtickets ungeklärt bleibe, Agrardiesel wieder subventioniert und die Pendlerpauschale erhöht werden solle.

Auch die Sprecherin von Fridays for Future, Carla Reemtsma, zeigt sich empört: &bdquo;Wenn die kommende Koalition nicht in einem klimapolitischen Märchenschloss leben will, müssen Union und SPD ordentlich nachlegen“, fordert sie. &bdquo;Im Koalitionsvertrag müssen ein klarer Plan für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas, den Ausbau von Bus und Bahn und bezahlbaren Klimaschutz folgen.“

DGB sieht sozialpolitischen &bdquo;Irrweg“ bei Bürgergeld-Plan Forderungen erhoben auch die Gewerkschaften. Die geplante Stabilisierung der Rente sei wichtig, betonte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Ein &bdquo;sozialpolitischer Irrweg“ sei aber der geplante vollständige Leistungsentzug für arbeitsfähige Bürgergeldempfänger, die Arbeitsangebote verweigern. Dies sei auch verfassungsrechtlich unzulässig. Ein weiteres Problem aus Sicht des DGB: der Ersatz der täglichen durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit. Gekoppelt mit den geplanten Anreizen für mehr Überstunden berge dies &bdquo;hohe Risiken für die Gesundheit der Beschäftigten“, sagte Piel. &bdquo;Wie so unverzichtbare Ruhezeiten gewährleistet bleiben und Missbrauch zulasten hart arbeitender Menschen abgewendet werden sollen, bleibt offen.“

Am Donnerstag sollen die Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden. Für den gleichen Tag ist die erste Bundestagsabstimmung über das Finanzpaket geplant. Merz hat sein Ziel vorgegeben: &bdquo;Scheitern ist keine wirkliche Option.“

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