Noch im Februar kündigte US-Präsident Donald Trump vollmundig an, die Vereinigten Staaten würden den Gazastreifen übernehmen und aus dem von Israel weitgehend zerbombten Kriegsgebiet eine „Riviera des Nahen Ostens“ machen. Vor dem Hintergrund dieser absurden Idee ist sein neuer 20-Punkte-Plan für ein Ende des Gazakriegs ungewohnt ausgewogen.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat bereits zugestimmt. Die islamistische Terrororganisation Hamas fordert zwar weitere Verhandlungen, akzeptiert den Plan zumindest in Teilen aber auch. Trumps Friedensinitiative ist die bislang beste Chance für eine echte Waffenruhe. Ob sie den Krieg dauerhaft beenden kann, ist allerdings zweifelhaft.
Zunächst zählt aber vor allem, ob es Trump gelingt, die Waffen zum Schweigen zu bringen und die verbliebenen Geiseln zurück nach Israel zu bringen. An diesem Dienstag jährt sich der von der Hamas angeführte Überfall auf Israel, der den Gazakrieg ausgelöst hat, zum zweiten Mal.
Noch immer 48 israelische Geiseln verschleppt
Von den damals mehr als 250 aus Israel verschleppten Geiseln sind immer noch 48 in der Gewalt der Hamas, 20 davon sollen noch am Leben sein. Für sie und ihre Angehörigen ist der Friedensplan die womöglich letzte Hoffnung. Das Gleiche gilt für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen: Sollte die Initiative erfolglos bleiben, drohen Trump und Netanjahu mit einer Eskalation der Gewalt, die zahlreiche weitere Menschen das Leben kosten dürfte.
Weder die Hamas noch Netanjahu haben in der Vergangenheit erkennen lassen, dass sie an einem Ende der Gewalt interessiert sind. Beide könnte Frieden ihre Macht kosten. Trump hat den Druck auf beide Seiten zuletzt deutlich erhöht. Der Hamas droht er mit der militärischen Auslöschung, sollte sie seinem neuen Plan nicht zustimmen.
Netanjahu spricht vor leeren Rängen der UN-Generalversammlung
Netanjahu kann es sich nicht leisten, mit Trump nicht nur seinen wichtigsten, sondern inzwischen auch letzten bedeutenden Verbündeten zu verlieren. Wie sehr er Israel mit seinem gnadenlosen Kriegskurs international isoliert hat, zeigte sich Ende vergangenen Monats in der UN-Generalversammlung. Netanjahu sprach vor weitgehend leeren Rängen, weil viele Delegationen aus Protest den Saal verließen.
Trumps Initiative ist richtig und wichtig. Dennoch hat sie viele Schwächen, die besonders zulasten der Palästinenser gehen. Das wichtigste Manko: Ein klares Bekenntnis zur Bildung eines Palästinenserstaats fehlt. Stattdessen ist davon die Rede, dass die Voraussetzungen für einen Weg dorthin irgendwann geschaffen sein könnten. Im vorletzten der 20 Punkte heißt es vage, das sei „ein Ziel, das wir als das Streben des palästinensischen Volkes anerkennen“.
Misstrauen auf palästinensischer Seite
Auf palästinensischer Seite schafft das umso mehr Misstrauen, als Netanjahu gerade erst bei der UN-Generalversammlung eine Zwei-Staaten-Lösung ausgeschlossen hat. Die Idee eines palästinensischen Staates stellte er nicht nur infrage, er bezeichnete sie als „Wahnsinn“.
Zwar heißt es in Trumps Plan, Israel werde den Gazastreifen weder besetzen noch annektieren. Einen konkreten Zeitplan für den Truppenrückzug gibt es aber nicht. Netanjahu hat bereits angekündigt: „Israel wird auf absehbare Zeit die Sicherheitsverantwortung behalten, einschließlich eines Sicherheitsgürtels.“ Bei allen Problemen bleibt aber festzuhalten: Die Umsetzung auch eines mangelhaften Plans wäre besser als der Status quo.
Trump hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass er mit seiner Initiative auf den Friedensnobelpreis spekuliert. Dass er nun aufs Tempo drückt, mag auch damit zusammenhängen, dass die Bekanntgabe des Preisträgers für kommenden Freitag geplant ist. Trump ist dieser Ehre angesichts seiner in vielen Punkten menschenverachtenden Politik nicht würdig. Sein Engagement für den Frieden im Nahen Osten aber verdient – unabhängig von den Beweggründen – Respekt und Anerkennung.