Lemgoer Mietnomaden wollen in geräumte Bleibe zurück - und ziehen erfolgreich vor Gericht

Lemgo. War das, was Christine Seidel und ihr Mann Wilfried am Nachmittag des 14. Novembers in ihrer Ferienwohnung an der Leopoldstraße durchgeführt haben, eine sogenannte kalte Räumung (die LZ berichtete) ? Haben sie Dieter P. und seine Frau in &bdquo;verbotener Eigenmacht“ auf die Straße gesetzt? Und ist dem Ehepaar P., das eine einstweilige Verfügung gegen seine ehemaligen Vermieter angestrengt hat und in die Wohnung zurückwill, damit Recht zu geben?

Mit dieser Frage muss sich am Donnerstagmittag Richter Ulrich Heistermann auseinandersetzen - und er nimmt sich viel Zeit, den Anwesenden immer wieder deutlich zu machen, dass es hier nicht um die im Raum stehenden Vorwürfe des Betrugs gehe, sondern einzig und allein um die Detailfrage, ob dem Ehepaar P. ein &bdquo;vorläufiger Rechtsschutz“ zustehe.

Wessen Version stimmt? Er müsse sich ein Bild davon machen, ob unzulässige Selbsthilfe vorliege oder ob das Ehepaar P. ohnehin auszugsbereit war, seine Kisten gepackt hatte und lediglich zum Gehen aufgefordert wurde. Eine Frage der Glaubhaftmachung: Wessen Version der Geschichte ist stimmiger und näher an der Wahrheit? Heistermann betont: &bdquo;Das ist der Plot, um den es heute geht. Und ich verstehe, dass es aufgrund der Vorgeschichte schwer nachzuvollziehen sein mag, dass es nicht zu einer umfassenden Klärung aller Fragen kommen kann.“

Der Richter nennt ausdrücklich den Straftatbestand des Eingehungsbetrugs, der vorliegt, wenn jemand schon beim Abschließen eines Vertrags weiß, dass er die vereinbarte Leistung nicht erfüllen kann oder will - was die mutmaßliche Masche des Ehepaars P. recht genau umschreibt. &bdquo;Dies wäre dann in einem Hauptverfahren zu klären“, so Heistermann. Er will den Eindruck entkräften, als Vermieter sei man wehrlos und habe keine Rechte. &bdquo;Das Gesetz sieht hier schon Möglichkeiten vor“ - nämlich eine ordentliche Räumungsklage.

Eine solche hatte Christine Seidel am Amtsgericht auch eingereicht - bis dieser stattgegeben würde und ein Räumungstitel vorliegt, können jedoch Monate verstreichen. Doch schon am Abend des strittigen Tages erwarteten die Seidels neue Mieter für ihre Ferienwohnung. Sie schritten zur Tat, kamen mit Sohn und Schwiegersohn - und stellten die Kisten der P.s vor die Tür.

Vor Gericht schildert Christine Seidel die Vorgeschichte des infrage stehenden Nachmittags. Fakt ist: Herr P. hatte für die Ferienwohnung lediglich einen gültigen Mietvertrag vom 3. bis zum 8. November. Für diese fünf Nächte hatte der Mann in Vorkasse 475 Euro bezahlt. Dann allerdings wollte er vermeintlich länger bleiben, hatte laut Seidel angegeben, als Professor an der Technischen Hochschule tätig zu sein und dort eines seiner Patente umsetzen zu wollen, weshalb er in Zukunft öfter vor Ort sein werde. Ein möglicher neuer Mietvertrag sollte auf seine GmbH laufen, so Dieter P.s Wunsch.

Vermieterin wurde stutzig Christine Seidel erklärt, dass sie bei der GmbH stutzig wurde und recherchierte. Ein Handelsregisterauszug, den ihr Mann abrief, ergab, dass das Unternehmen insolvent und in Abwicklung sei. Damit konfrontiert, ließ Dieter P. laut Seidel einen Gesprächstermin verstreichen, antwortete nicht auf SMS und Anrufe, die ihn zum Auszug aufforderten. Zwei Tage lang sei das Ehepaar &bdquo;untergetaucht“. Schließlich riefen die Seidels am Abend des 11. November die Polizei, stellten eine Strafanzeige und entschlossen sich, die Schlösser an ihrer Wohnung zu tauschen. Die P.s hätten sie darüber informiert.

Doch als die am 13. November vor verschlossener Tür standen, riefen sie ihrerseits die Polizei. Bei deren Eintreffen hätte Herr P. dann vor den Beamten zugesagt, die Wohnung bis zur gesetzten Frist, dem 14. November um 15 Uhr, zu verlassen. Als die Seidels das Ehepaar P. an dem besagten Freitag nach wie vor in der Wohnung antrafen, hätten sie schließlich &bdquo;geholfen, die fertigen Kisten herauszutragen“, wie es der Richter nach Seidels Bericht zusammenfasst.

&bdquo;Starke Männer“ Bei Dieter P., der - seine Aktentasche vor sich auf dem Tisch - immer wieder süffisant lächelt, klingt die Geschichte anders. Die Kisten seien nicht fertig gepackt, sondern ganz im Gegenteil bereit zum Auspacken gewesen. Das Ehepaar und deren &bdquo;starke Männer“ seien &bdquo;gewaltsam eingedrungen“, er habe aufgrund der Aktion &bdquo;Ödeme am Körper“. Er habe protestiert, das sei &bdquo;Hausfriedensbruch“, und es nur geschehen lassen, um Schlimmeres zu verhindern.

Eine Verlängerung des Mietverhältnisses habe im Raum gestanden, er hätte jedoch keine neue Rechnung erhalten - was heißen soll, das er auch keine begleichen konnte. Auch sei die GmbH nicht insolvent, sondern habe 2023 drei Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet - der Handelsregisterauszug sei somit falsch, sagt er. Kopfschütteln im Zuschauerraum. Richter Heistermann muss das Gehörte offensichtlich sacken lassen, bevor er zu einer Entscheidung kommt. &bdquo;Diese Zeit, nachzudenken, müssen sie mir einräumen.“ Vom Ehepaar P. will er wissen, ob es nach wie vor in die Wohnung zurückkehren wolle. &bdquo;Ja“, antwortet Dieter P.

Ratlosigkeit der Betroffenen Vor der Tür von Saal 200 stehen die insgesamt vier Geschädigten zusammen, wirken ratlos: Mathias Bierhenke, die Seidels, Gerd Linden, bei dem das Ehepaar P. nach der Räumung einzog, sowie Hans-Jürgen Horstmann, der die P.s erst mit einem Räumungstitel nach 15 Monaten wieder &bdquo;loswurde“.

&bdquo;Haben Sie denn kein schlechtes Gewissen?“, ruft die anwesende Fernsehreporterin Dieter P. hinterher, als der schon auf der Treppe ist. &bdquo;Und warum immer wieder Ferienwohnungen?“ P.s letzte Worte: &bdquo;Genau da gehen wir auch jetzt wieder hin.“

Ein schwer verdaulicher Beschluss Am späten Nachmittag teilt das Amtsgericht dann den Beschluss mit: Richter Heistermann habe entschieden, dass Wilfried Seidel als offizieller Vermieter den Eheleuten P. wieder Zutritt zu der ursprünglich angemieteten Ferienwohnung verschaffen und ihnen den Schlüssel hierzu aushändigen muss. Dass die Eheleute P. an Eides statt versichert und auch in der Verhandlung bestätigt hätten, dass sie regelrecht aus der Wohnung geworfen worden seien, hätte Seidel durch die eigene Darstellung nicht entkräften können.

Gerichtssprecherin Petra Borgschulte weiter: &bdquo;Für den juristischen Laien unverständlich kam es für die Entscheidung nicht darauf an, dass die Eheleute P. keine weitere Miete zahlten. Unerheblich ist auch, dass der Mietvertrag zeitlich befristet und bereits ausgelaufen war.“ Im Ergebnis sei dies &bdquo;ein für den Vermieter schwer verdauliches Urteil“. Es bleibe offen, ob das Gebaren des Herrn P. auch strafrechtliche Konsequenzen haben wird – &bdquo;mehrere Strafanzeigen liegen der Staatsanwaltschaft Detmold vor“.

Die LZ wird den Fall weiter verfolgen und an dieser Stelle auf Updates hinweisen.

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