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Lagebild Clankriminalität: Rund 20 Prozent mehr Straftaten

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Polizeibeamte tragen während einer Razzia gegen Clankriminalität einen Koffer und Kartons aus einem Wohnhaus in Wuppertal. - © Marcel Kusch/dpa/Archiv
Polizeibeamte tragen während einer Razzia gegen Clankriminalität einen Koffer und Kartons aus einem Wohnhaus in Wuppertal. (© Marcel Kusch/dpa/Archiv)

Die nordrhein-westfälische Polizei hat im vergangenen Jahr 20,3 Prozent mehr Straftaten mit Clanbezug als 2021 gezählt. Das geht aus dem neuen Lagebild Clankriminalität des Landeskriminalamts (LKA) hervor, das am Dienstag veröffentlicht worden ist.

Dass es überhaupt ein neues Lagebild gibt (das erste veröffentlichte das LKA 2019), ist nicht selbstverständlich: Der grüne Koalitionspartner der CDU hadert mit der Statistik, für die Polizeisysteme nach Clan-Namen durchforstet werden.

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Methodik

«Das Lagebild Clankriminalita?t NRW 2022 bildet die polizeilich erfassten Straftaten aus dem Jahr 2022 ab, begangen von Tatverda?chtigen mit einem von den Ermittlungsbeho?rden als clanrelevant definierten Familiennamen», heißt es in der Einleitung des Lagebilds. Die Ermittler ergänzen ausdrücklich, «dass nicht alle Personen mit einem entsprechenden Familiennamen kriminell sind.» Das aktuelle Lagebild fokussiert sich auf tu?rkisch-arabischsta?mmige Großfamilien. Nach Massenschlägereien im Ruhrgebiet hatte Innenminister Reul vor wenigen Wochen angekündigt, dass man auch syrische Familien ins Visier nehmen müsse.

Clan-Namen

Das LKA hat für seine «namensbasierte Recherche» im aktuellen Lagebild 116 Clan-Namen identifiziert (2021: 113). In der aktuellen Statistik wurden auch weitere Schreibweisen für die Suche übernommen.

Verdächtige

Fu?r das Jahr 2022 wurden insgesamt 6573 Straftaten und 4035 Verda?chtigte festgestellt. Im Vergleich zum Vorjahr stieg damit auch die Zahl der mutmaßlichen Täter um 11,2 Prozent. Die Verdächtigen sind laut Lagebild ganz u?berwiegend ma?nnlich (81,1 Prozent) und meistens zwischen 26 und 30 Jahre alt.

Im Jahr 2022 hatten laut LKA 53,4 Prozent der Tatverda?chtigen die deutsche Staatsangeho?rigkeit, 16,7 Prozent die syrische, 13,6 Prozent die libanesische.

Taten

Rohheitsdelikte (z.B. Raub, Körperverletzung) und Straftaten gegen die perso?nliche Freiheit machen nach Angaben des LKA 30,9 Prozent aller Taten aus. 14,9 Prozent waren Vermo?gens- und Fa?lschungsdelikte, 14,6 Prozent Diebsta?hle. Die Statistik zählt auch 24 «Straftaten gegen das Leben», darunter Mord und Totschlag - wobei Versuche mit dazu zählen. Wie viele Tote es tatsächlich gab, geht aus dem Lagepapier nicht hervor.

Tatorte

«Essen la?sst sich in diesem Berichtsjahr als Stadt mit den meisten Straftaten (11,2 %) sowie Tatverda?chtigen (11,9 %) herausstellen und verzeichnet im Vergleich zum Vorjahr den gro?ßten Anstieg der Straftaten», heißt es im Lagebild. Eine NRW-Karte in dem Papier zeigt, dass das Ruhrgebiet ein Hotspot ist.

Razzien

Die Polizei hat laut LKA bei 615 Razzien u?ber 1570 Objekte kontrolliert, darunter mehr als 220 Shisha-Bars, 60 Restaurants, 30 Spielhallen und 90 Wettbu?ros: «23,2 Prozent der Objekte wurden unmittelbar durch die Beho?rden geschlossen, unter anderem wegen fehlender Konzessionen, aufgrund von Hygienema?ngeln oder wegen baurechtlicher Ma?ngel.»

Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte am Dienstag laut Mitteilung: «Clankriminalita?t la?sst sich nicht wegreden. Wir sehen, dass kriminelle Mitglieder von Clans weiter auf unseren Straßen unterwegs sind und ihre Fa?uste nicht in den Hosentaschen lassen. Die Gewaltbereitschaft ist enorm.» Deshalb gelte «Null-Toleranz», so Reul: «Niemand la?uft einen Marathon in einer Stunde. Unseren Dauerlauf im Kampf gegen Clankriminelle setzen wir fort, die Kondition dafu?r haben wir.»

Mit Bezug auf die jüngsten Auseinandersetzungen im Ruhrgebiet, bei denen ein sogenannter Friedensrichter vermittelt haben soll, sagte Reul: «Das Recht der Familie gilt bei uns nicht. Und Friedensrichter sind Erfindungen, die hier in Nordrhein-Westfalen sicher nicht patentiert werden. Das Gewaltmonopol des Staates ist nicht verhandelbar - egal wer sich da in die Haare kriegt.»

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte nach Gesprächen in der FDP-Landtagsfraktion, es gelte immer der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und es gebe klare Definitionen, was mit einem Clan gemeint sei. «Damit ist nicht ein reines Familienverhältnis gemeint», sagte Buschmann. «Es geht weder um Sippenhaft noch um Diskriminierung, sondern es geht um arbeitsteilige Strukturen, wo sich Menschen gemeinsam miteinander verabreden, permanent Verbrechen zu begehen und die durch eine besondere enge Verzahnung miteinander über das Ökonomische hinausgehen.» Solche Organisationen richteten großen Schaden an. «Das wegzuleugnen, dass es das gibt, wäre irrsinnig.»

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