Fernando Carro spricht Klartext. Gegen saudi-arabische Mannschaften in der europäischen Champions-League werde er sich «zu 100 Prozent dagegenstemmen». Eine Spaltung der Deutschen Fußball Liga nach dem gescheiterten Investor-Einstieg wolle «eigentlich niemand. Ich will sie auch nicht. Aber wenn das die einzige Lösung ist, würde ich sie mittragen.» Und auch mit dem Anstoß, wieder den Verkauf der nationalen TV-Rechte an einen Anbieter möglich zu machen, sorgte er für Diskussions-Stoff.
Carro kommt aus der Wirtschaft, hat 25 Jahre in gehobenen Positionen bei Bertelsmann gearbeitet. Seit seinem Einstieg als Club-Chef bei Bayer Leverkusen 2018 treibt er nun bei dem Fußball-Bundesligisten neue Entwicklungen und Denkweisen voran. Dabei ist nichts tabu, der erlösende erste Titel nach dem DFB-Pokalsieg 1993 ist - in welchem Wettbewerb auch immer - der große Antrieb.
Schon drei Jahre nach seinem Wechsel in den Fußball wurde der Spanier 2021 als Board-Mitglied der europäischen Club-Vereinigung ECA einer der wichtigsten deutschen Funktionäre. Seine Wiederwahl Anfang September in Berlin gilt als ungefährdet. «Ich möchte weiterhin daran arbeiten, den europäischen Fußball auf oberstem Niveau zu festigen», sagte Carro im Interview der Deutschen Presse-Agentur: «Und mit dafür zu sorgen, dass Deutschland dabei eine wichtige Rolle spielt.»
Dabei ist er bei allem Ehrgeiz oft eine treibende Kraft bei Kompromissen. «Ich persönlich würde die 50+1-Regel streichen», sagte er: «Aber wenn die Mehrheit in Deutschland das anders sieht, muss ich als Demokrat die Mehrheit unterstützen.» Am neuen Format der Champions League, das 2024 greift, hat er gar entscheidend mitgearbeitet. Und das, obwohl er sich bei allem Geschäftssinn auch als «Traditionalist» bezeichnet.
«Mir haben die drei alten Wettbewerbe immer gut gefallen. Ich sah auch jetzt eigentlich keine große Notwendigkeit, etwas zu ändern», sagte er: «Aber durch den Druck der Super League war es wichtig, etwas Neues zu entwickeln, den betreffenden Vereinen Anreize zu schaffen. Daran habe ich mitgewirkt und im Vergleich zu den Alternativen, die es gab, ist es eine Variante, die auch Vorteile hat.»
In Bezug auf den deutschen Fußball sieht er trotz der jüngsten Entwicklung nicht schwarz. Auch nicht für die Heim-EM im kommenden Sommer. «Wir haben immer noch sehr viel Qualität auf dem Rasen und einen hervorragenden Nationaltrainer», sagte Carro. Er gehöre eindeutig «nicht zu den Kritikern» von Bundestrainer Hansi Flick. Zur Verpflichtung des neuen Nachwuchs-Direktors Hannes Wolf gratulierte er DFB-Chef Bernd Neuendorf gar und verriet: «Wir wollten ihn in diesem Sommer auch als Nachwuchs-Chef nach Leverkusen holen.»
In der aktuellen Schwächephase sieht er aber einen möglichen Zusammenhang zur gesellschaftlichen Entwicklung. «Deutschland ist ein hoch entwickeltes Land, das auf der ganzen Welt für seinen Anspruch an Qualität geschätzt wird. Mich selbst hat dieser Umstand ja vor mehr als 30 Jahren nach Deutschland geführt, um hier mein Arbeitsleben zu bestreiten», sagte der 59-Jährige: «Aber ich habe in den vergangenen Jahren zunehmend das Gefühl, dass es in einigen Bereichen nicht mehr das ist, was es mal war. Das beginnt bei der Qualität in vielen Dienstleistungen des alltäglichen Lebens. Ich merke immer mehr, dass es an Dingen hapert, die vorher gut geklappt haben. Vielleicht zeigt sich auch im Fußball, dass es uns als Gesellschaft zu gut gegangen ist und wir uns an einigen Stellen zu sehr auf alten Lorbeeren ausruhen.»
Carro will aber immer alles hinterfragen. Zum Beispiel auch die «one-single-buyer-rule», die der DFL aktuell verbietet, alle nationalen Rechte einem einzigen Anbieter zuzusprechen. Weshalb der Fußball-Fan mehrere Abos braucht, um alles zu sehen. Es müsse zumindest «die Möglichkeit bestehen», dass es anders kommt, sagte Carro. Er verspreche sich davon, «dass es mehrere Interessenten gibt und der Preis steigt. Wenn man den Kuchen verteilt, ist er weniger wert, als wenn die Möglichkeit besteht, den ganzen Kuchen zu bekommen.» Und deshalb forderte er gar ein Umdenken beim Kartellamt. Er wisse, dass es dort bereits thematisiert werde, sagte Carro: «Wie es dazu steht, weiß ich aber nicht. Ich hoffe aber, dass das Kartellamt sieht, dass es nicht immer gegen das Interesse des Kunden ist, wenn einer alles bekommt.»