Vodafone-Chef im Interview: "Unsere Branche liegt auf der Intensivstation"

Ohne Smartphones geht für viele Menschen kaum noch was. Doch die Unternehmen, die die Infrastruktur für den Mobilfunk betreiben, müssen sich heftig nach der Decke strecken. &bdquo;Unsere Branche liegt auf der Intensivstation“, sagt Philippe Rogge, Chef von Vodafone Deutschland, im Interview. Er nennt die von der Politik vorgegebenen ambitionierten Ziele für den Ausbau der Netze, steigende Kosten für Antennen und Energie und einen harten Wettbewerb. Aber es gibt auch Lichtblicke. So hat die Bundesnetzagentur angeboten, die Laufzeiten von Lizenzen für Funkfrequenzen kostenlos zu verlängern. Rogge begrüßt dies und verspricht, dass es dann &bdquo;weniger nervige Funklöcher und Gesprächsabbrüche“ geben werde - allerdings müssten zugleich auch faire Spielregeln für alle Mobilfunk-Anbieter geschaffen werden.

Herr Rogge, Wettbewerb haben Sie auch schon als Profisegler erlebt. Wie war das?

Ich liebe Wettbewerb. Bei der Arbeit und beim Sport. Mit sämtlichen Erfolgen, und auch mit Rückschlägen, aus denen man lernt. Vor fast 30 Jahren habe ich in meiner Bootsklasse die Norm für die Teilnahme an den Olympischen Spiele geschafft – nahezu zeitgleich mit einem meiner Landsmänner. Der eine Startplatz für Belgien bei den Olympischen Spielen ging an ihn. Ich habe in Atlanta als Zuschauer mitverfolgt, wie mein Landsmann eine Olympische Medaille gewann.

Sie sind also auch im übertragenen Sinn mit Gegenwind und stürmischen Situationen vertraut?

Ich habe beim Sport gelernt, konstruktiv mit Druck und Herausforderungen umzugehen. Das hilft – auch bei der Arbeit. Die Telekommunikationsbranche ist hart umkämpft. Sie steht vor vielen sportlichen Herausforderungen. Zeitgleich sehe ich große Chancen für Vodafone.

Welche Herausforderungen meinen Sie?

Unsere Branche liegt auf der Intensivstation. Die Ausbauziele sind groß. Die Investitionsdruck auch. Der Wettbewerb ist riesig. Die Mobilfunkpreise fallen seit Jahren. Zeitgleich steigen die Kosten: Für Auktionen wurden Milliarden investiert. Antennen und Energie sind teurer geworden. Der Ausbau wird allein von den Netzbetreibern gestemmt. Die großen Anbieter von Online-Services, die für mehr als die Hälfte des gesamten Datenverkehrs verantwortlich sind und damit riesige Gewinne machen, leisten keinen Beitrag. Eine faire Beteiligung würde Mobilfunk-Deutschland guttun.

Derzeit wird die Herausforderung noch durch den Fall Huawei gesteigert. Das Innenministerium will die Mobilfunker wegen Sicherheitsbedenken dazu verdonnern, Huawei-Technik in den Netzen durch Bauteile anderer Hersteller zu ersetzen.

Ein angeordneter Rückbau von Antennen-Technik einzelner Anbieter würde die Situation zusätzlich erschweren. Viel wichtiger aber: Er würde die Qualität der Netze über Jahre verschlechtern und den 5G-Ausbau ausbremsen. Deutschland braucht sichere und hochwertige Netze. Und dafür einen Ansatz, der nicht zu Lasten von Millionen Smartphone-Nutzern geht.

Die Bundesnetzagentur will eine Reihe von Mobilfunkfrequenzen nicht - wie bislang üblich - versteigern, sondern deren Laufzeit kostenlos verlängern. Ein kluger Vorschlag?

Es ist gut und wichtig, dass die Bundesnetzagentur einen Weg anstrebt, bei dem wir alle stärker in neue Mobilfunkmasten investieren können, statt in regelmäßigen Abständen Milliarden für Lizenzscheine auszugeben.

Also eine Lernkurve bei der Netzagentur?

Definitiv. Nicht nur bei der Netzagentur, sondern bei allen Verantwortlichen. Eine Verlängerung der so wichtigen Flächenfrequenzen wäre das Zeichen, dass man vor allem darauf fokussiert ist die Netze in Deutschland weiter zu verbessern – das wäre gut so.

Was bedeutet der Verzicht auf eine Auktion für die Kunden?

Das hängt von der Ausgestaltung einer Verlängerung ab. Sie muss mit realistisch erreichbaren Zielen einhergehen und gerahmt sein von fairen Spielregeln für alle Wettbewerber. Gelingt das, könnte es künftig weniger nervige Funklöcher und Gesprächsabbrüche geben.

Aber momentan kämpfen auch Nutzer mit hochmodernen 5G-Handys damit, dass sie schon am Rand von Großstädten immer noch mit Datengeschwindigkeiten aus dem Zeitalter der Edge-Technik, also vor 15 Jahren, versorgt werden. Woran liegt das?

5G wächst schneller als alle anderen Mobilfunkgenerationen. Wir versorgen mehr als 90 Prozent der Menschen mit dem schnellen Netz. Dennoch gibts mancherorts noch Funklöcher – auch weil in der Vergangenheit viel Geld in Lizenzscheine, statt in Masten investiert wurde. Und wenn wir beispielsweise im Zug sitzen, fühlt sich das Netz oft alles andere als optimal an, weil es nur schwer in den Waggon hineinkommt.

Vodafone kann mit einer Verlängerung der Frequenzen endlich wieder richtig viel Geld verdienen?

Das alles hängt von der Ausgestaltung ab. Wenn im Gegenzug der faire Wettbewerb durch eine sogenannte Dienstanbieterverpflichtung ausgebremst wird, dann machen wir eine Rolle rückwärts. Dann müssten die Netzbetreiber, die bei steigenden Kosten sehr viel Geld für neue Masten bezahlen, 5G zu festgeschriebenen Preisen an alle Service-Anbieter abgeben, die keinen Cent in Deutschlands Infrastruktur investieren. Dabei nutzen viele dieser Anbieter schon heute 5G – zu fair verhandelten Konditionen.

Was wäre die Konsequenz?

Es käme zu einer Umverteilung der Gelder. Weg von jenen, die sie für den Ausbau der Mobilfunknetze dringend brauchen. Hin zu denen, die ihre Gewinne weiter maximieren wollen, ohne ein einziges Funkloch zu schließen. Und deren Geschäft schon heute sehr lukrativ ist: Nirgendwo anders sind so viele Service-Anbieter im Markt, wie in Deutschland.

Vodafone selbst hatte massive eigene Probleme mit erheblichem Kundenschwund. Was ist da schiefgelaufen?

Kunden haben uns aus drei Gründen verlassen: Das Preis-Leistung-Verhältnis im Mobilfunk stimmte nicht überall. Wir haben unseren Kunden nicht immer gut genug geholfen, wenn sie einmal Probleme hatten. Und unser Festnetz war nicht stabil genug. Vor allem beim Upload. Die gute Nachricht: Wir haben das erkannt und in allen drei Bereichen massive Verbesserungen erzielt.

Welche Verbesserungen genau?

Wir haben unser Festnetz mit 2.800 Segmentierungsmaßnahmen und zusätzlichen Glasfaserabschnitten gestärkt. Mobilfunk-Experten bescheinigen massive Fortschritte und Testsiege. Im Mobilfunk haben wir Preis-Leistung mit attraktiven Promo-Angeboten verbessert und begonnen, wieder Kunden zu gewinnen. Zudem haben wir die Erreichbarkeit an unseren Hotlines erhöht. Wir haben begonnen, alles was wir tun, konsequent an unseren Kunden auszurichten und wollen genau das liefern, was wir versprechen.

Wie meinen Sie das?

Telekommunikationsunternehmen sind zu Anbietern von leeren Versprechen geworden. Sie buhlen um Neukunden, aber behandeln Bestandskunden schlecht. Wenn man auf Plakaten &bdquo;kostenlos“ sieht, dann ist oft gewiss, dass die Preise nach dem dritten Monat massiv steigen. Wir sind Teil des Problems. Und wir wollen Teil der Lösung sein. Das ist ein langer Weg. Aber einer, den es sich lohnt zu gehen: Denn kein angepriesenes Gigabit mehr wiegen einen Kunden auf, den man gerade enttäuscht hat.

Trotz Frust bei Kunden ist das Smartphone für viele das mit Abstand wichtigste technische Gerät geworden. Ohne Handy geht gar nichts mehr. Ist ihre Branche in dieser Hinsicht am Ziel angekommen?

Mein Handy ist heute mein Büro: Computer, Faxgerät, Notizblock und Telefon in einem. Und es ist für mich unter der Woche, wenn ich in Düsseldorf bin, das Sprachrohr zu meinen Liebsten in der Heimat. Das Smartphone ist aus meinem Alltag nicht mehr wegzudenken. So geht es vielen. Wenn man es also so nimmt: Ziel erreicht! Aber wir sind lange nicht am Ende. Im Gegenteil: Die Herausforderungen in der Branche sind riesig. Und die Chancen sind es auch.

Der permanente Blick aufs Handy ist vielfach ein Dauerzustand. Ist das noch gesund?

Es ist wie so oft im Leben: Die Dosis macht das Gift. Bei allen Vorteilen, die es uns in den vergangenen Jahren brachte: Das Smartphone ist auch der Totengräber der Privatsphäre, wie wir sie einmal kannten. Alles, was wir tun, ist direkt auch online. Manchmal ist das schade. Denn die kostbarsten Momente sind doch eigentlich die, die wir in echt erleben – ganz real und unbearbeitet.

Wie halten Sie es mit der Smartphone-Nutzung?

Bei uns gibts auch mal Handy-Pause. Zum Beispiel bei Ausflügen im Urlaub. Das gilt für die Kinder, genauso wie für Mama und Papa. Ist das als CEO immer einfach? Natürlich nicht. Aber es ist keineswegs weniger wichtig.

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