Flaschenpost ist für Oetker eine Baustelle

Bielefeld. Der Lieferdienst Flaschenpost ist für den Bielefelder Lebensmittelkonzern Dr. Oetker auch mehr als vier Jahre nach der Übernahme wohl noch kein Gewinnbringer. Genaue Informationen über die Ertragslage gibt das Unternehmen traditionell nicht heraus. Vor einem Dreivierteljahr, im April 2024, hatten Konzernchef Albert Christmann und Beiratschef Louis Schweizer, der als Vertreter der 15 Gesellschafter aus der Familie Oetker das letzte Wort bei strategischen Entscheidungen hat, allerdings erklärt, die Flaschenpost sei in Sachen Profitabilität &bdquo;auf einem guten Weg“. Mit anderen Worten: Die Richtung stimmt, aber die Gewinnzone wurde bis dahin noch nicht erreicht.

Zum gleichen Zeitpunkt machten Schweizer und Christmann deutlich, dass jeder Geschäftsbereich von Oetker längerfristig profitabel sein müsse und dementsprechend regelmäßig überprüft werde. Ansonsten könne man sich grundsätzlich vorstellen, jedes Geschäft auch wieder zu verkaufen. Der Fall des Getränkeherstellers Bionade ist noch in guter Erinnerung: Die durch ihre Limonaden zur Kultmarke aufgestiegene Firma war 2009 mehrheitlich von Oetkers Getränke-Sparte Radeberger übernommen worden, keine zehn Jahre später 2018 aber schon wieder an den Wettbewerber Hassia weiterverkauft.

Auch von anderen prominenten Tochterunternehmen hatte die Oetker-Gruppe sich in den vergangenen Jahren getrennt. 2017 war die bis dahin größte Konzernsparte, die Reederei Hamburg Süd, an den dänischen Weltmarktführer Maersk verkauft worden, 2020/2021 wurde das Bankhaus Lampe an den chinesischen Fosun-Konzern und seine deutsche Banktochter Hauck-Aufhäuser abgegeben.

Oetker betont: keine Verkaufspläne Die &bdquo;Lebensmittel-Zeitung“ hat nun berichtet, dass für die Flaschenpost rund ein Jahr lang Investoren gesucht worden seien. Doch diese Suche, in deren Rahmen angeblich Mitgesellschafter gefunden werden sollten und sogar über einen Börsengang nachgedacht worden sein soll, ist dem Bericht zufolge jetzt auf Eis gelegt worden. Für einen finanziellen Einstieg habe es am Markt nur &bdquo;verhaltenes Interesse“ gegeben. Gründe für die Zurückhaltung sollen ein ungünstiges Marktumfeld, das sich nach dem Liefer-Boom in der Corona-Zeit offenbar wieder abgekühlt hat, aber auch die schwache Performance des Lieferdienstes gewesen sein. Flaschenpost-Sprecherin Sabine Angelkorte erklärte dazu, ihr Unternehmen äußere sich nicht zu solchen Spekulationen. Doch d as Unternehmen wolle den bundesweit rund 20.000 Mitarbeitenden auch künftig &bdquo;eine sichere Perspektive bieten und in ganz Deutschland langfristig zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.“ Um sich zukunftssicher aufzustellen, seien mehrere Maßnahmen umgesetzt worden, darunter &bdquo;die Umstellung der Logistik auf ein Zentrallager sowie die Elektrifizierung der Lieferflotte“.

In der Oetker-Zentrale hieß es, es gebe keinerlei Pläne, die Flaschenpost komplett oder in Teilen zu veräußern. Das Tochterunternehmen habe sich in Umsatz und Profitabilität erfreulich positiv entwickelt – die Optimierung von Vertrieb und Logistik gehöre aber zur Unternehmensentwicklung ebenso dazu wie die Erschließung neuer Standorte. Zuletzt sei im November in Bonn ein neuer Standort mit 300 neuen Arbeitsplätzen eröffnet worden.

Flaschenpost wurde 2012 als Getränkelieferant in Münster gegründet und war nach einer vorübergehenden Unterbrechung bis 2020 kräftig gewachsen. Versprochen wird eine Belieferung innerhalb von 120 Minuten. Seit Ende 2020 gehört Flaschenpost zur Oetker-Gruppe und liefert auch im Raum Bielefeld. Über die Summe, die Oetker vor mehr als vier Jahren zahlte, wurde Stillschweigen vereinbart – verschiedenen Berichten zufolge handelt es sich um einen Kaufpreis zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro.

Spekulationen über Gründe für Schließung in Düsseldorf 2021 wurde der Getränkesofortlieferdienst zum Online-Supermarkt umstrukturiert. Die Expansion ist rasant und aufwendig vorangetrieben worden: Oetker zufolge verfügt das Tochterunternehmen inzwischen über mehr als 30 Standorte. Rund 200 deutsche Städte können demnach mit einer wachsenden Palette an Lebensmitteln beliefert werden – von mehr als 5.000 verschiedenen Produkten ist die Rede. Der Umsatz hat sich den Berichten zufolge zwischen 2019 und 2023 von 93 Millionen auf 510 Millionen Euro mehr als verfünffacht.

Im Oktober 2024 wurde aber die geplante Schließung des Düsseldorfer Lagers bekannt gegeben. Der Standort im Düsseldorfer Hafengebiet sei wegen &bdquo;schlechter Verkehrsanbindung“ und &bdquo;ungünstiger Infrastruktur“ nicht zukunftsfähig, hieß es offiziell. Über die Hintergründe gibt es allerdings verschiedene Mutmaßungen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist überzeugt, dass es der Flaschenpost und ihrem Mutterkonzern darum geht, die Gründung starker Betriebsräte zu verhindern, um die Kosten etwa für das Personal gering halten zu können. In Fachmedien wurde hingegen spekuliert, dass Flaschenpost versuchen könnte, die Liefergebiete wieder zu vergrößern, um die Lieferlogistik inklusive der Fahrzeuge besser auslasten und die Effizienz so steigern zu können.

Angestellte in Bielefeld wollen einen Betriebsrat Laut einer Bilanz aus dem Sommer dieses Jahres konnte der durchschnittliche Bestellwert der Kunden im vergangenen Jahr konsequent gesteigert werden. Auf der anderen Seite gibt es eine wachsende und kapitalkräftige Konkurrenz durch andere Lieferdienste wie &bdquo;Picnic“ vom Edeka-Verbund.

Im November machte das Unternehmen Schlagzeilen, weil die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Bielefeld die Wahl eines Betriebsrates anstießen. Dieser soll im ersten Quartal dieses Jahres stehen. Derzeit sind am Standort Bielefeld etwa 430 Menschen beschäftigt.

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