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Digitalisierung im Auto: Warum VW in seinen Fahrzeugen jetzt Werbung anzeigt

Matthias Schwarzer

VW zeigt im Cockpit seiner Fahrzeuge Werbe-Pop-ups an. Eine Standardeinstellung ist das nicht, doch mehrere Hersteller experimentieren. - © Ole Spata/dpa
VW zeigt im Cockpit seiner Fahrzeuge Werbe-Pop-ups an. Eine Standardeinstellung ist das nicht, doch mehrere Hersteller experimentieren. (© Ole Spata/dpa)

Bei Netto gibt es gerade Dallmayr-Kaffee im Angebot. Nein, das ist keine Werbe-Info, die dieser Tage über Radio-, Fernseh- oder Onlinewerbung verbreitet wird – sondern offenbar über die Bildschirme in VW-Autos. Auf der Social-Media-Plattform Reddit haben Nutzer Fotos ihrer Autodisplays veröffentlicht, auf denen solche Nachrichten zu lesen sind. In einem anderen Fall erhielt ein Fahrer die Empfehlung, auf einem Kaufland-Parkplatz sein Elektroauto nachzuladen.

Positiv wird die Neuerung nicht gerade aufgenommen. Ein Nutzer auf Reddit malt bereits ein Zukunftsszenario: „Nächster Schritt: der Wagen fährt dich autonom (...) in den McDonald’s Drive-in und lässt dich erst wieder raus, wenn du für mindestens 20 Euro bestellt hast“.

Ganz so weit ist es noch nicht. Die Pop-ups im VW-Display seien keine Standardeinstellung, sondern müssten vom Fahrer explizit aktiviert werden, erklärt ein Konzernsprecher auf Anfrage. Offiziell spricht VW auch nicht von Werbung, sondern von „Live-Empfehlungen?“. Sie beinhalteten in erster Linie Tank- und Ladeempfehlungen, wenn der Akku- oder Tankinhalt unter 20 Prozent sinkt – aber eben auch „Lokale Empfehlungen“, was der Kaffee-Meldung entsprechen dürfte.

Fahrer müssen Datennutzung zustimmen

Für den Service werden natürlich Standortdaten verarbeitet. Genutzt werden laut VW zudem die pseudonymisierte Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) und auch die User-ID. Der Fahrer muss vor Benutzung des Dienstes den Nutzungsbestimmungen zustimmen und die Datenschutzerklärung zur Kenntnis nehmen.

Ein nicht ganz unwichtiges Detail: Die Angebote werden nur bei einer Geschwindigkeit von bis zu drei Kilometer pro Stunde angezeigt – also nicht bei voller Fahrt, sondern zum Beispiel beim Ampelstopp. So soll gewährleistet sein, dass der Fahrer während der Fahrt nicht durch Pop-ups abgelenkt wird.

Der Fahrer muss vor Benutzung des Dienstes den Nutzungsbestimmungen zustimmen. - © Christin Klose/dpa-tmn
Der Fahrer muss vor Benutzung des Dienstes den Nutzungsbestimmungen zustimmen. (© Christin Klose/dpa-tmn)

Dennoch zeigen die Pop-ups, wohin die Reise langfristig gehen kann. Schon Anfang des Jahres hatte die zum Stellantis-Konzern gehörende Automobilmarke Jeep für Aufsehen in den USA gesorgt, weil immer wieder Werbeeinblendungen in Autocockpits aufgetaucht waren, wenn das Fahrzeug im Verkehr oder an einer Ampel anhielt. Die Pop-ups bewarben unter anderem die Garantieverlängerung der Stellantis-Tochter Mopar.

Digitalisierung rückt in den Fokus

Generell scheinen die immer größer werdenden Displays in Fahrzeugen stärker in den Fokus zu rücken: Bei mehreren Herstellern, darunter VW und Mercedes, kann man mittlerweile in Autocockpits Spiele spielen, während man sein Elektrofahrzeug auflädt. In seiner 7er-Reihe hat BMW einen Bildschirm mit einem Durchmesser von 31 Zoll integriert, um Filme genießen zu können. Auch Mercedes kooperierte mit Sony und Imax für ein Kinoerlebnis im eigenen Auto. Beides, sowohl Gaming-Funktionen als auch Filme, ließen sich langfristig natürlich auch problemlos mit Werbung anreichern.

Andere sind schon einen Schritt weiter: Ford hatte Anfang 2023 ein Patent für personalisierte Werbung im Auto eingereicht. Angezeigt werden soll sie auf dem Bildschirm, aber auch mit akustischen Signalen durch die Autolautsprecher. Das Konzept geht weit über die aktuellen Experimente von VW hinaus: Laut dem Patent sollen auch die Geschwindigkeit, die Art der Straße und sogar Gespräche im Innenraum des Fahrzeugs verwertet werden. Ein weiteres Patent von Ford: Kameras im Auto sollen Werbetafeln entlang der Straße scannen und anhand dessen gezielte Werbung im Infotainmentsystem ausspielen.

Offen ist, ob diese Ideen tatsächlich jemals den Weg ins Auto finden – und ob Kundinnen und Kunden da wirklich noch mitspielen würden. Ford selbst hatte damals erklärt: „Das Einreichen von Patentanmeldungen in großen Unternehmen ist normal, um neue Ideen zu schützen und ein robustes Portfolio an geistigem Eigentum aufzubauen. Die beschriebenen Ideen sollten nicht als Hinweis auf unsere Geschäfts- oder Produktpläne angesehen werden.“

Autobauer suchen zusätzliche Einnahmequellen

Ungewöhnlich ist die Entwicklung nicht. Seit Langem versuchen Autobauer, neben dem reinen Autoverkauf zusätzliche Einnahmequellen zu finden. So hat BMW vor einigen Jahren versucht, seinen Kundinnen und Kunden die Sitzheizung per Abo-Modell zu verkaufen. Nach Protesten wurde das Konzept wieder eingestampft.

Beim Thema Werbung ist der Konzern diesmal vorsichtiger: Stephan Durach, Senior Vice President Connected Company Development bei BMW, hatte das Auto auf einer Konferenz im Jahr 2023 als „letzten privaten Raum“ bezeichnet und der Idee eine Absage erteilt. „Angenommen, man verkauft den Bildschirm, um einen Werbespot abzuspielen – das sehe ich nicht“, zitierte damals das Magazin „Mediapost” den Manager.

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