Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Richter beklagen Verrohung der Gerichte

Dirk-Ulrich Brüggemann

  • 2
Auch das Landgericht Detmold sieht das ganze mit Sorge. - © Symbolbild
Auch das Landgericht Detmold sieht das ganze mit Sorge. (© Symbolbild)

Detmold. In deutschen Gerichtssälen wird der Umgangston immer rauer. Gerade in Verfahren, in denen die Angeklagten nicht durch einen Rechtsbeistand unterstützt werden, beobachten die Richter zunehmendes Abgleiten in Vulgärsprache.

„Wir registrieren immer häufiger eine Verrohung der Sprache", sagte Uwe Wacker, Vizepräsident des Sozialgerichtes in Detmold. Wacker meint damit nicht nur den Umgangston in den Verhandlungssälen seines Sozialgerichts, sondern auch die Form schriftlicher Eingaben, die die Gerichte erreichen. Die Schwelle zur Beleidigung sei niedriger geworden. „Wir werden es nicht hinnehmen, wenn gegenüber dem Gericht Beleidigungen ausgesprochen werden", sagt der Vizepräsident und betont, dass „diese Fälle an die Staatsanwaltschaft weitergeben werden".

Wackers Richterkollegin Katrin Kornfeld bestätigt den veränderten Ton. „In der Richterschaft setzen wir die Schwelle zur Beleidigung hoch an", sagt Kornfeld und erklärt, dass im Gerichtssaal immer der individuelle Verhandlungsfall im Vordergrund steht. „Krasse Entgleisungen müssen wir aber weitergeben." Die Sozialgerichte spürten natürlich „den Frust der Kläger", die oft im Streit liegen mit den zuständigen Jobcentern, sagte Wacker. Die Richter wollen für die Nöte der Betroffenen ein offenes Ohr haben. Noch seien es eher Einzelfälle, die die Schwelle zur Strafbarkeit überschreiten. „Gerade Worte, die auf elektronischem Wege versandt werden, sind aber schnell beleidigend."

Auch der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa aus Bielefeld, weiß von verbalen Angriffen auf Richter. Ein Angeklagter habe ihm gewünscht, er solle von einem Einbrecher erschlagen werden, damit endlich ein „anständiger Richter" die Stelle übernehme. „Man muss der Gesellschaft klarmachen, dass anonyme Verunglimpfungen feige sind", sagte Gnisa, der Direktor des Amtsgerichts Bielefeld ist, kürzlich im Gespräch mit dieser Zeitung.

Mit großer Sorge sieht der Präsident des Landgerichts Detmold, Rainer Mues, das Treiben der „Reichsbürger", die die Gerichte mit bis zu 100 Seiten starken Faxen belästigen. „Ernsthafte Anträge sind nicht zu erkennen."

Kommentar: Frust im Gerichtssaal

von Dirk-Ulrich Brüggemann

Im Namen des Volkes – mit diesen Worten beginnt ein Richter in Deutschland mit der Urteilsverkündung und macht so deutlich, dass die Rechtsprechung vom Volke ausgeht. Menschen, die in Deutschland leben, haben also Gerichte, ihr Personal und die Entscheidungen zu akzeptieren, ohne Wenn und Aber.
Leider ist in den Gerichtssälen immer häufiger festzustellen, dass Angeklagte es nicht für nötig halten, sich von ihren Plätzen zu erheben, wenn die Richter den Saal betreten.

Bei Prozessen, in denen die Kläger oder Angeklagten nicht zwingend einen Verteidiger haben müssen, kommt es zunehmend zu Entgleisungen und Beleidigungen, bestätigen zahlreiche Richter. Dies wollen die Betroffenen jetzt nicht mehr hinnehmen und geben das ungebührliche Verhalten mit Recht an die Staatsanwaltschaft weiter.
Seinem Frust im Prozess freien Lauf zu lassen, erkauft sich der Beleidiger zu einem hohen Preis. Eine Verurteilung ist häufig die Folge. Stil und Form im Schriftverkehr mit der Justiz vermissen die Gerichtsmitarbeiter ebenfalls.
Auch Bedrohungen werden registriert. Manche gehen gar an die Privatanschriften. Das müssen sich Richter nicht gefallen lassen. 

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2025
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.