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Premiere der Detmolder Stadtführung "Hexen-Lumpen-Trunkenbolde"

Raphael Bartling

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Archivfoto: Musikalische Untermalung, während seiner Hexenführung gibt Henning Diekmann auch zum Thema passende Lieder zum Besten. - © Raphael Bartling
Archivfoto: Musikalische Untermalung, während seiner Hexenführung gibt Henning Diekmann auch zum Thema passende Lieder zum Besten. (© Raphael Bartling)

Detmold. "Wir sind heute nicht zum Spaß hier, sondern beschäftigen uns mit einem ernsten Thema", sagt Henning Diekmann alias Henning der Türmer und blickt eindringlich in die Runde. Die Leute sind gekommen, um an seiner Führung "Hexen – Lumpen – Trunkenbolde" teilzunehmen. Genauer gesagt der Premiere davon.

Treffpunkt um den in eine altertümliche Kluft gehüllten Stadtführer ist nahe der Rathaustreppe. Zu seiner Zeit im 18. Jahrhundert – Diekmann bleibt in seiner Rolle – sei dort, wo heute der Brunnen steht, noch ein Friedhof gewesen. Straftäter jedweder Güte seien damals für ihre Vergehen noch gepfählt oder gevierteilt worden. Das größte Thema jener Jahre sei jedoch die Hexenverfolgung gewesen.

Links zum Thema
    Weitere Termine
    Die nächsten Führungen zum Thema "Hexen – Lumpen – Trunkenbolde" finden an den Freitagen, 23. Juni, 7. Juli sowie 4. August statt. Treffpunkt ist um 17 Uhr an der Rathaustreppe. Weitere Termine und Informationen bei der Tourist-Information oder hier.

Vor diesem Hintergrund hat Stadtführer Henning Diekmann seinen neuen Erlebnisgang arrangiert. Diesen bietet er in zwei verschiedenen Ausführungen an. "In der einen geht es mehr um das Thema Alkohol, in der anderen lege ich den Schwerpunkt auf Hexen und deren Verfolgung. Ich habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, mal eine Führung dazu zu machen."

Vom Marktplatz aus wandert die Gruppe in Richtung Schülerstraße. Dort berichtet der Türmer von Irrglauben der damaligen Zeit. So seien etwa Osterfeuer als Teufelsbeschwörungen denunziert und damals Unerklärliches sei als Hexenwerk verurteilt worden. 21 Hexenprozesse habe es in Detmold selbst gegeben, viele weitere wurden in Brake abgehalten. In 99 Prozent der Fälle wurde sogar gefoltert.

An der Hofapotheke erzählt Diekmann die Geschichte des Lemgoer Apothekers Daniel Wellmann, der auf Geheiß von Graf Simon VII. die erste Detmolder Apotheke gründen sollte. Das Geschäft lief schleppend an und Wellmann musste, um über die Runden zu kommen, seine zweite Apotheke in Lemgo weiterführen. Alsbald wurde er von den Bürgern als fliegender Werwolf deklariert, der nachts zwischen den Arzneiläden hin und her geflogen sein musste. Denn: Zwei Geschäfte zur selben Zeit zu führen war für damalige Verhältnisse unglaubwürdig.

Als "Henning der Türmer" führt Henning Diekmann Besucher durch Detmold. - © Raphael Bartling
Als "Henning der Türmer" führt Henning Diekmann Besucher durch Detmold. (© Raphael Bartling)

Diekmann: "Die Leute dachten damals, dass es dabei mit dem Teufel zugeht. Als 80-Jähriger wurde Wellmann in Lemgo der Wasserprobe unterzogen und schließlich zum Tode mit dem Richtschwert verurteilt." Hinter der Erlöserkirche berichtet der Türmer eingehender von der archaischen Wasserprobe – dem Hexenbad – mit der Leute der Zauberei überführt wurden, falls sie nach einem Wurf in kaltes Wasser wieder an der Oberfläche auftauchten.

Am Grabbe-Haus geht es mit der Geschichte der 52 Zauberkinder weiter. Von 1654 bis 1676 wurden dort Kinder aus der gesamten Grafschaft wegen angeblicher Hexerei eingekerkert und gefoltert. Die Kosten der Unterbringung wurden durch kirchliche Kollekten gedeckt. Dann führt Diekmann die Gruppe über die Krumme Straße, wo einst Löwen freigelassen wurden, zurück auf den Marktplatz. Mit zahlreichen "Hexenliedern" rundet er seine Stadtwanderung ab.

Der Arbeitskreis Hexenverfolgung erinnert an die Opfer aus dem 17. Jahrhundert

Von Karolina Schmidt

Detmold. "Wir gedenken der Opfer, um daraus für heute zu lernen", erklärte Martin Hankemeier, Sprecher des Arbeitskreises Hexenverfolgung und Pastor im Ruhestand. Zusammen mit stellvertretender Bürgermeisterin Christ-Dore Richter erinnerte er an den Wasserterrassen an die Hexenverfolgung in Detmold von 1599-1669 und appellierte an einen sensiblen Umgang mit den Mitmenschen.

"22 Opfer hat es in Detmold gegeben", berichtet Hankemeier. Immerhin musste jemand Schuld gehabt haben, wenn es im 17. Jahrhundert zu Missernten, Krankheiten und Tod kam. "Es musste also Menschen geben, die vom Teufel besessen waren", erklärte Hankemeier. Die Kirchen forderten die Todesstrafe für Zauberer und Hexen, und zwar nach ihrer Interpretation der Bibel. Folter gehörte zum Prozess dazu.

Gedenken mit Banner: Martin Hankemeier, Sprecher des Arbeitskreises Hexenverfolgung, mit der stellvertretenden Bürgermeisterin Christ-Dore Richter. - © Karolina Schmidt
Gedenken mit Banner: Martin Hankemeier, Sprecher des Arbeitskreises Hexenverfolgung, mit der stellvertretenden Bürgermeisterin Christ-Dore Richter. (© Karolina Schmidt)

In der "Blomberger Erklärung" vom 13. Mai 2012 haben die lippischen Kirchen erklärt, dass die Hexenverfolgung ein Missbrauch des christlichen Glaubens gewesen sei: "Voller Scham denken wir an ihre Leidensgeschichte. Die Menschenwürde der Opfer ist unzerstörbar", heißt es dort. Seitdem wird an diesem Tag der Opfer gedacht.

"Wir erleben, dass sich Geschichte wiederholt", sagte Richter. "Überall gibt es heute noch religiöse Begründungen für Krieg. Wir müssen uns einsetzen, dass sich die Hexenverfolgung heute nicht unter einem anderen Namen wiederholt", ergänzte Hankemeier. Ein Banner und ein Blumenkranz erinnerten an die Opfer. Valentinian Zelle begleitete zudem auf der Trompete. Im Anschluss stellte Hankemeier zwei Entwürfe für ein Denkmal vor, welches der Arbeitskreis überlegt zu errichten.

Eine Woche vor der Gedenkfeier hatte es bereits einen Stadtrundgang gegeben, bei welchem sich 60 Interessierte ein Bild davon machten, wo genau die Hexenverfolgung in Detmold stattfand. Der Arbeitskreis Hexenverfolgung in Detmold ermöglichte diesen Rundgang sowie die Gedenkfeier in Kooperation mit der Lippischen Landeskirche, dem Stadtarchiv, der Volkshochschule, dem Lippischen Heimatbund und der Stadt.

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