Detmold. Es war das Lieblingsjagdschloss von Fürst Leopold IV., dem Vater von Dr. Armin Prinz zur Lippe. Heute hat auf dem Gelände das westlichste Kloster der Russisch-Orthodoxen Kirche seinen Sitz. Die Rede ist von Schloss Götschendorf in der Uckermark, das der letzte regierende Fürst Lippes 1910/11 erbauen ließ. <br /><br />Ein Zufallsfund im Internet hat den Kunsthistoriker Dr. Thomas Dann auf die Spur des Schlosses gebracht. In einem Artikel in der Zeitschrift „Die Woche“ von 1915 wurde das Haus am Kölpinsee beschrieben, in dem Fürst Leopold „das zwanglose Leben eines Landedelmannes“ führte. <br />Aber warum erwarb ein lippischer Fürst 1200 Hektar Land vor den Toren Berlins und ließ sich dort ein Schloss errichten? Dafür gab es gleich drei gute Gründe, wie Dann herausgefunden hat. „Zum einen war die Uckermark eine hochinteressante Jagdgegend. Alle, die etwas auf sich hielten, haben damals dort gejagt. Außerdem erinnerte die liebliche Landschaft Fürst Leopold an seine Kindheit in Posen. Und in Berlin saß der Kaiser, sozusagen sein Chef. Es ging ihm auch um die politische Nähe.“<br /><br />Die Summe von 1,4 Millionen Mark, die allein das Land gekostet habe, habe Fürst Leo-pold, genau wie den Bau des Schlosses, aus seiner Privatschatulle bezahlt – „darum musste er es nach der Revolution 1919 nicht abgeben“, berichtet Dann. Das Haus selbst, dem der Kunsthistoriker einen zurückhaltenden Historismus attestiert, wurde nach einem Entwurf des Architekten Albert Wehe in nur zwei Jahren von Berliner Handwerkern gebaut. „Es war modern ausgestattet, mit Zentralheizung und elektrischem Strom. Die Einrichtung war schick, etwas jagdlich, aber auch funktionell. So war das Bett der Herrschaften aus Metall, das galt als gesund und bakterienfrei.“<br /><br />Dreimal pro Jahr reiste Fürst Leopold fortan nach Schloss Götschendorf: im Frühjahr, im Sommer mit der Familie und im Herbst – zur Zeit der Hirschbrunft – zur Jagd. Er ließ ein Schiffchen bauen, mit dem die Familie über den Kölpinsee schipperte – das Bootshaus krönte ein kleiner Teepavillon, „das war ein Messestand einer Herforder Weinhandlung gewesen, den Fürst Leopold erworben hatte“, erzählt Dann. <br /><br />Und der Fürst betrieb Landwirtschaft, vermarktete Holz, baute Gemüse an, das in einer Konservenfabrik verarbeitet wurde. „Er hat alles versucht“, so der Kunsthistoriker. Letztlich jedoch erfolglos: Nachdem der Fürst noch einige Missernten eingefahren hatte, konnte er Götschendorf nicht länger halten. 1924 verkaufte er es an Thyssen – womit die wechselvolle Historie des Hauses begann. So gehörte das Schloss 1943 zum Anwesen Carinhall und war das Gästehaus von Hermann Göring. Nach 1945 wurde es als Tagungs- und Schulungsheim der Nationalen Volksarmee genutzt.<br /><br />Nach der Wende war es für kurze Zeit ein Schlosshotel – „aber es kam niemand“, so Dann. Bis 2007 stand es leer. Seither gehört das Anwesen der Russisch-Orthodoxen Kirche, ein Abt lebt dort und vier Novizen. Es soll ein Tagungs- und Begegnungszentrum werden – „das ist aber noch nicht fertig. Das Geld aus Russland kommt immer in Wellen“, sagt Dann. „Und weil es das westlichste Kloster der Russisch-Orthodoxen Kirche ist, lässt sich Putin regelmäßig über den aktuellen Stand unterrichten.“<br /><br />So war das Jagdschloss nur relativ kurz in fürstlich-lippischem Besitz – „aber es war in der Familie stets sehr präsent“, sagt der Kunsthistoriker. Und darüber hinaus: Jüngst habe ihn ein Lipper im Baumarkt auf seine Götschendorf-Forschungen angesprochen. „Der Mann sagte, seine Großeltern hätten sich dort kennen gelernt“, erzählt Dr. Thomas Dann. „Sie waren als Bedienstete von Fürst Leopold dort.“