Augustdorf. Das Bekenntnis, das fünfmalige Gebet am Tag, Fasten, Pilgern und Almosen. Dieses sind die fünf Säulen des Islam, die im Kirchweg gepredigt werden. Dort befindet sich in einem unscheinbaren Gebäude eine Moschee. Ihr Eigentümer ist die Türkisch-Islamische Gemeinde zu Augustdorf, die seit 1997 besteht.
Tüncer Sahin ist Vorsitzender des Vereins, der aus einem Detmolder türkisch-islamischen Verein hervorgegangen ist. Ein Imam (Vorbeter) leitet die Gemeinde. Dieser sei für mehrere Jahre tätig und nehme die Aufgaben eines Pfarrers wahr. Nachdem der letzte Augustdorfer Imam im vergangenen Jahr zurück in die Türkei gegangen sei, sehnt sich die 115 Familien umfassende Gemeinde nach einem neuen.
Nun sei es endlich soweit, erklärt Abdullah Caliskan, stellvertretender Vorsitzender der Detmolder Gemeinde, die mit der Augustdorfer freundschaftlich verbunden ist. Der Glaube sei für Muslime ein wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens.
Zentraler Punkt im Glaubensverständnis sei Allah als Schöpfer und sein Gesandter Mohammed, der als Vorbild und nicht als Heiliger gesehen werde. Auch an Jesus glauben die Muslime, allerdings sei er in ihren Augen ein Prophet unter 124.000 weiteren, der nicht am Kreuz gestorben sei, jedoch wiederkommen werde.
„Allah hat immer dann Propheten gesendet, wenn auf der Erde etwas aus dem Ruder lief", sagt Sahin. Der Koran stehe im Mittelpunkt des Glaubens. In ihm seien die Suren (Erläuterungen) und die Sunan (Handlungsanweisungen) enthalten, die nach der Lehre direkt vom Propheten Mohammed geschrieben wurden.
Im Paradies warten die Jungfrauen
Das Glaubensleben in der Gemeinde sei sehr ausgeprägt. So werde samstags und sonntags Koranunterricht für Schüler angeboten. Und natürlich werde jeden Tag fünf Mal in der Moschee gebetet. Zu den Gebeten kämen zwischen zehn und 30 Gläubige. „Am Freitag, unserem Heiligen Tag, sind meistens 150 Personen anwesend", sagt Sahin.
Frauen und Männer beten dabei in abgetrennten Räumen, „damit keine unzüchtigen Gedanken während des Verbeugens entstehen", so Caliskan. Die täglichen Gebete dauern nur zehn bis 15 Minuten, dagegen nehme der Hauptgottesdienst knapp anderthalb Stunden in Anspruch. Sündenvergebung oder Beichte kennen Muslime nicht. Die Sünden mache jeder persönlich mit Allah aus.
Zu den Sünden zählten Homosexualität und Ehebruch, aber auch das einfache Wegwerfen von Zigaretten auf der Straße. „Ob Allah vergibt oder nicht, liegt in seiner Hand. Wir können das nicht beurteilen", sagt Caliskan. Wichtig sei, dass man seine Sünden bereue. Darum gelte auch, dass man denjenigen, der einen Fehler begangen habe, nicht aus der Gemeinschaft ausstoßen dürfe.
Auch die Taufe sei Bestandteil des Glaubens. Allerdings nicht mit Wasser oder Handauflegung: in das rechte Ohr des knapp drei Wochen alten Säuglings werde ein dreimaliger Gebetsruf gesprochen.
Nach der Lehre des Islam ziehe ein Mensch, der vorbildlich gelebt hat, nach dem Tod in das Paradies ein. Je nachdem wie viel Gutes er vollbracht hätte, erwartet den Verstorbenen dort eine bestimmte Anzahl an Jungfrauen – inklusive der eigenen Ehefrau.
Attentäter, die ihre Taten mit dem Koran rechtfertigen würden, handelten laut Caliskan falsch: „Das ist gegen den Koran." Man dürfe nie selbst angreifen, sondern sich nur verteidigen. Für die Gläubigen sei die „Offenheit zwischen Muslimen und Nichtmuslimen das Wichtigste".
Dachverband setzt auf Integration
Insgesamt 940 türkisch-islamische Gemeinden gehören in Deutschland zum Dachverband der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (ditib). Der Verfassungsschutz bestätigt auf Nachfrage der LZ, dass der Verband, anders als oft in Berichten dargestellt, „kein Beobachtungsobjekt" sei.
Der Verband gilt unter Islamexperten als türkeifreundlich und gleichzeitig progressiv. Pfarrerin Claudia Schreiber, ehemalige Ansprechpartnerin für Islamfragen in der Lippischen Landeskirche, bescheinigt der ditib, eine enge Verbindung zu den Gemeinden zu pflegen. Sie selbst habe gute Erfahrungen mit dem Verein gemacht, der jetzt einen Dialogbeauftragten für OWL habe. „Ich habe keinen Extremismus im Kreis Lippe festgestellt", so Schreiber. Laut Meinung der Expertin habe sich der Dachverband in den vergangenen Jahren positiv verändert.
„Ditib ruft zur Integration auf", sagt Schreiber. Allerdings sei laut der Expertin die emotionale Verbindung vieler Muslime mit ihren Heimatländern auch stärker als allgemein angenommen. Es sei wichtig, nicht von der Dachorganisation auf einzelne Gemeinden zu schließen, denn jede sei anders. „Es ist wichtig, die Probleme gemeinsam zu lösen", fordert Schreiber.
Ein Schritt in die richtige Richtung sei bereits getan. Seit 2010 können Studenten an den Universitäten in Münster, Osnabrück, Frankfurt am Main, Tübingen und Erlangen-Nürnberg Islamische Theologie studieren. Ziel ist es, Lehrer für den islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen zu qualifizieren. Neuer Beauftragter für Islamfragen in der Evangelischen Landeskirche ist Pfarrer Dieter Bökemeier.