

Augustdorf (lnw). Wenn Verteidigungsminister de Maizière am Mittwoch bekannt gibt, welche Bundeswehr-Standorte verkleinert oder aufgegeben werden, hat die Ungewissheit ein Ende - auch im lippischen Augustdorf. Hier wäre der Abzug der Soldaten ein Schreckensszenario.
9.600 Einwohner, fünf Kindergärten, vier Schulen, zwei Sportplätze, ein Freibad, einige Kirchen, eine Bücherei, ein Jugendtreff, ein "attraktiver Grillplatz" und der größte Heeresstandort der Bundeswehr. Das lippische Augustdorf am Rande des Teutoburger Waldes hat viel zu verlieren, wenn Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch bekannt gibt, welche Standorte kleiner werden, welche ganz wegfallen. Für den Ort wäre ein Abzug ein Schlag ins Kontor.
"Katastrophe" ist das häufigste Wort, das den Menschen in Augustdorf zu diesem Szenario einfällt. Auch dem Bürgermeister liegt es auf den Lippen, doch er will nicht zu schwarz malen. "Das wäre ein großer Verlust an Wirtschaftskraft und Lebensqualität", sagt Andreas Wulf von der CDU nur.
"Wir sind eine Nothaushaltskommune"
Das fängt an bei den Steuereinnahmen. "Ich freue mich zusammen mit meinem Kämmerer, dass die Bundeswehr viele Bereiche privatisiert hat", sagt Wulf. Das bedeutet nämlich, dass die Kommune Gewerbesteuer kassiert. Eine Summe will er nicht nennen, "Steuergeheimnis".Dazu kämen bei einem Abzug die Probleme mit den leer stehenden Gebäuden der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne. "Eine gewerbliche Umnutzung dürfte schwierig werden." Außerdem würden im Ort hunderte Wohnungen leer stehen, die jetzt noch von Soldaten und deren Familien genutzt werden.
Die kleine Kommune hat einen Etat von weniger als 15 Millionen Euro im Jahr und gibt jetzt schon über zwei Millionen Euro mehr aus, als sie einnimmt. "Wir sind eine Nothaushaltskommune", sagt der Bürgermeister. "Ein Abzug der Soldaten würde die Lage nochmals verschärfen." Auch die Industrie- und Handelskammer Lippe spricht von einer Katastrophe. "Eine Schließung wäre sowohl für die Gemeinde Augustdorf als auch für die Region Ostwestfalen-Lippe dramatisch", sagt Hauptgeschäftsführer Axel Martens. Er rechnet mit einem Kaufkraftrückgang von zwei bis vier Millionen Euro für den Einzelhandel allein im Ort. Und mit kräftigen Einbußen für das Handwerk.
9.600 Einwohner, 4.000 Soldaten
Bevor die Bundeswehr 1957 nach Augustdorf kam, wohnten hier 2.000 bis 3.000 Menschen, sagt Wulf. Ein Jahr später wurde ein ganzes Wohnviertel gebaut, dazu kam ein Freibad. Auch das soziale Leben im Ort würde sich ohne die Soldaten drastisch ändern. Viele von ihnen seien überdurchschnittlich aktiv in Vereinen, Gemeinden und im Stadtrat.Um die 4.000 Soldaten sind am Standort Augustdorf stationiert.
Herzstück ist die Panzerbrigade 21 "Lipperland". Brigadegeneral Dirk Backen gibt sich vorsichtig optimistisch. "Hier ist nicht der Pessimismus ausgebrochen." 15 Millionen Euro hat die Bundeswehr in den letzten fünf Jahren am Standort investiert, weitere 20 Millionen Euro werden gerade verbaut. Zusätzliche 85 Millionen Euro waren mittelfristig geplant, aber jetzt wird erstmal abgewartet.
Thomas Erfkamp will sich einen Abzug der Bundeswehrsoldaten lieber gar nicht ausmalen. "Für uns wäre das eine Katastrophe", sagt der Betreiber der einzigen Tankstelle in Augustdorf, nur wenige hundert Meter vom Kasernentor. Er macht die Hälfte seines Umsatzes mit der Bundeswehr. "Dann könnte ich die Tankstelle dichtmachen." Ähnlich sieht es in der Pizzeria "Malefiz" aus. Die Hälfte der Gäste trägt Tarnanzug. Auf dem Tresen liegt eine Werbung für die Pizza-Hotline: "Ohne Mampf kein Kampf". Die Frau hinter dem Tresen sagt: "Das wäre ein erheblicher Einschnitt, für alle hier im Umkreis."