Diagnose Brustkrebs und die Folgen: „Ich bin durch die Hölle gegangen“

Bad Salzuflen. Man sieht ihnen die Krankheit nicht an. Aber Irmgard Kaiser (51) und Leyla Hoffmann (45) haben harte Monate und teilweise sogar Jahre hinter sich. Beide haben die Diagnose Brustkrebs erhalten. Beide haben diesen Schlag auf ihre ganz eigene Art gemeistert. Aktuell absolvieren sie eine Reha in der Salzetalklinik. Der dreiwöchige Aufenthalt soll ihnen helfen, wieder auf die Beine zu kommen, zu sich und zurück ins Leben zu finden.

Ein Montagvormittag im Büro von Dr. Birgit Leibbrand. Sie ist Ärztliche Direktorin der Klinik und Chefärztin der onkologischen Abteilung. Eine große Pflanze, eine Wand im Retro-Look, auf dem Tisch stehen Kaffee und Kekse. &bdquo;Danke für den geschützten Raum“, sagt Leyla Hoffmann. Nicht immer könne oder wolle sie so offen ihre Geschichte erzählen. Heute tut sie es. Auf ihrem T-Shirt steht &bdquo;happiness“ – Glück.

Leyla Hoffmann ist erst 37 Jahre alt, als sich ihr Leben für immer verändern wird. 2014 stellt sie eine Brusteinziehung fest, denkt zunächst an nichts Böses, vielleicht eine Druckstelle? Im Januar 2015 geht sie wie jedes Jahr zur Vorsorge und erwähnt ihre Entdeckung. Ihr Frauenarzt macht einen Ultraschall. &bdquo;Plötzlich änderte sich die Atmosphäre im Raum, ich merkte, wie erschrocken er war“, erinnert sich Leyla Hoffmann. Der Tumor ist bereits gut zwei Zentimeter groß. Erst als sie nach dem Termin ihren späteren Mann anruft, realisiert sie langsam, welche Diagnose sie gerade erhalten hat.

Der Krebs macht alle Zukunftsplanungen zunichte Leyla Hoffmann lebt in Freudenberg, im Kreis Siegen-Wittgenstein. Sie arbeitet damals als Verkäuferin, die Hochzeit steht an, es sind Kinder geplant. Doch der Krebs sollte alles ändern. &bdquo;Sie müssen mit dem Schlimmsten rechnen. Aber die Heilungschancen sind groß“, soll ihr Arzt gesagt haben.

Vier Tage nach dem Termin beim Frauenarzt folgt eine Biopsie. &bdquo;Das Warten auf das Ergebnis, das waren die schlimmsten Tage“, erzählt Hoffmann. Dann steht fest: Der Tumor ist bösartig. Weil sich diverse Herde in der Brust befinden, entscheidet sich Hoffmann für die Amputation. &bdquo;Ich war wie in einer Blase, es passierte so viel in kürzester Zeit. Ich konnte das alles gar nicht richtig fassen.“

Ihr Mann bleibt stark und ist ihr damit eine große Stütze, das weiß sie heute. Die Krankheit hat das Paar noch enger zusammengeschweißt. Auch, wenn sie sich manchmal ein bisschen mehr Mitgefühl gewünscht hätte. &bdquo;Ich bin durch die Hölle gegangen.“

Ärzte raten Hoffmann zum Schwangerschaftsabbruch Zwei Tage nach der OP erfährt Leyla Hoffmann, dass sie in der vierten Woche schwanger ist. Ihr wird zum Abbruch abgeraten – sie könne sonst die antihormonelle Therapie nicht machen. Eine Chemotherapie könnte ebenfalls nicht in &bdquo;normaler“ Form stattfinden.

Leyla Hoffmann hadert mit sich, sie hat sich so lange ein Kind gewünscht. Aber nicht unter diesen Bedingungen. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Nicht mit der Angst, ihr Kind könnte ohne Mutter aufwachsen. Am Ende entscheidet sie sich für die Gesundheit und gegen das Wunschkind. &bdquo;Das war der schlimmste Schlag von allen.“

Leyla Hoffmann wirkt heute stark, unglaublich gefasst, wenn sie davon erzählt. Aber sie berichtet auch, wie sie in den Jahren nach der Entscheidung von Trauer und Schuldgefühlen übermannt wird, sie fällt in eine Depression. Sie feiert ihre Traumhochzeit, versucht erneut schwanger zu werden. Es klappt nicht. Sie geht wieder arbeiten, aber die alte Routine, sie kann das nicht mehr.

2019 beginnt sie eine Umschulung zur Verwaltungsangestellten, die sie im vergangenen Jahr abschließt, ist bereits im neuen Beruf tätig und fühlt sich langsam besser. Dann entdeckt sie im vergangenen Frühjahr ein Rezidiv an ihrer amputierten Brust. Der Krebs ist wieder da.

Die Odyssee geht von vorne los, sie wird operiert, fährt zur Reha nach Föhr, ist jetzt in Bad Salzuflen. &bdquo;Unter Gleichgesinnten zu sein, das tut gut“, sagt Leyla Hoffmann.

Diagnose ist extrem belastend Eine von ihnen ist Irmgard Kaiser. &bdquo;Wenn ich manche Geschichten hier so höre, dann bin ich fast dankbar, dass ich so gut durchgekommen bin“, sagt sie. Aber einfach, das war es auch für sie nicht. &bdquo;Die Diagnose ist extrem belastend“, sagt sie.

Die 51-Jährige lebt mit ihrem Mann im Kreis Borken und ist als Verwaltungsangestellte tätig. Im vergangenen November geht sie zur Vorsorge, lässt ein Mammografie-Screening machen – dabei entdecken die Ärzte einen Knoten in ihrer Brust. Er wird entfernt, doch zunächst ist unklar, ob bereits weitere Organe vom Krebs befallen sind. &bdquo;Sich zu fragen, ob da noch mehr ist, die Warterei – das war die schlimmste Zeit“, sagt auch Kaiser.

Und dann die Entscheidung, ob sie eine Chemotherapie machen soll oder nicht. Soll sie auf Nummer sicher gehen und die Nebenwirkungen auf sich nehmen? Aber macht es wirklich Sinn? Muss es sein? &bdquo;Es war eine Zumutung, das entscheiden zu müssen“, sagt Irmgard Kaiser. Sie erinnert sich an den Silvesterabend. &bdquo;Ich ziehe das jetzt durch“, habe sie zu ihrem Mann gesagt. Die Entscheidung war gefallen. &bdquo;Ab diesem Moment ging es mir besser.“

Und Irmgard Kaiser zieht es durch. Die Chemotherapie, den Haarausfall, sie schafft sich eine Perücke an. &bdquo;Ich wollte anfangs nicht, dass man sieht, dass ich krank bin“, sagt sie. Später lernt sie, besser damit umzugehen. Lässt die Perücke auch mal weg. &bdquo;Irgendwann war es mir egal.“ Im September bringt sie noch eine Bestrahlung hinter sich – und ist jetzt zur Reha in Bad Salzuflen.

Für die Eltern ist die Diagnose am schlimmsten Am schlimmsten sei die Diagnose für ihre Eltern gewesen, sagt Irmgard Kaiser. Sie hat Tränen in den Augen, wenn sie davon erzählt. Aber dann hatte die Krankheit doch noch ihr Gutes: Irmgard Kaiser konnte die vergangenen Monate viel Zeit mit ihrem ebenfalls kranken Vater verbringen, vor Kurzem ist er gestorben. Die Reha, sie ist für Kaiser auch ein Abschluss der vergangenen Monate. &bdquo;Hier kriege ich den Kopf frei“, sagt sie und blinzelt eine Träne weg.

Beide Frauen hat die Krankheit verändert. &bdquo;Ich bin nicht mehr die Leyla, die ich früher war“, sagt Hoffmann. &bdquo;Eine solche Schockdiagnose ändert das ganze Leben.“ Nach der Reha will sie sich noch eine Auszeit nehmen. Nicht gleich wieder arbeiten wie beim letzten Mal. &bdquo;Ich möchte mich ganz auf meinen Körper und meine Gesundheit konzentrieren“, sagt sie.

Zurück in den Alltag, ein bisschen Normalität. Das wünscht sich Irmgard Kaiser, wenn sie in diesen Tagen nach Hause kommt. Aber sie hat gelernt, sich künftig mehr Zeit zu nehmen. Weniger zu arbeiten, auch mal Nein zu sagen. Auf ihren Körper zu hören. Wieder zu leben. &bdquo;Der liebe Gott hat gewollt, dass ich diese Krankheit bekomme“, sagt Irmgard Kaiser. Ich denke, es sollte so sein.“

Sport, Ernährung und Gespräche zum Kampf gegen den Krebs Drei Wochen verbringen die Brustkrebspatientinnen standardmäßig in der Reha in der Salzetalklinik an der Alten Vlothoer Straße – so auch Irmgard Kaiser (51) und Leyla Hoffmann (45). 113 onkologische Betten gibt es hier, pro Jahr laufen laut Dr. Birgit Leibbrand, Ärztliche Direktorin und Chefärztin der onkologischen Abteilung, gut 1800 onkologische Heilverfahren. Etwa 1000 von ihnen sind Fälle von Brustkrebs.

Dabei geht es für die Patienten in der Rehabilitation vor allem darum, sich auf eine Rückkehr in den Alltag vorzubereiten. &bdquo;Und darum, in der Verarbeitung der Krankheit sicherer zu werden und Entscheidungen zu reflektieren“, weiß Leibbrand.

Ein Schwerpunkt der Reha sei die körperliche Komponente. &bdquo;Nach einer langen Phase der Inaktivität ist gerade die körperliche Aktivierung so wichtig“, weiß Leibbrand. Irmgard Kaiser hat ihre Nordic-Walking-Stöcke mitgebracht, sie kommt gerade von einer Runde. &bdquo;Ich laufe gerne, das macht mir Spaß“, sagt sie. Aber auch Gymnastik oder Übungen an Sportgeräten in einem der Trainingsräume werden den Patienten angeboten.

"Der Tag ist gut ausgefüllt" Hinzu kommen Methoden zur Entspannung wie Qi Gong, Yoga oder Autogenes Training. Und: Tipps zur richtigen Ernährung und Informationen zur Nachsorge der jeweiligen Krebserkrankung. In Einzel- und Gruppengesprächen können sich die Patienten auch die psychischen Folgen der Erkrankung von der Seele reden. &bdquo;Der Tag ist gut ausgefüllt, man hat immer etwas zu tun“, sagt Irmgard Kaiser.

Ihr tue es gut, sich in der Reha einmal ausschließlich auf sich konzentrieren zu können. Und auch der Austausch mit Gleichgesinnten, vor dem sie zugegebenermaßen anfangs ein wenig Bammel hatte, tue ihr doch gut. &bdquo;Außenstehende wissen oft nicht so gut mit der Diagnose umzugehen“, hat sie beobachtet. Die Gespräche, das Miteinander – das helfe den Patienten auch, sich weniger zu isolieren, sagt Birgit Leibbrand.

Frauen lassen Vorsorge wegen Corona sausen Eine von acht Frauen erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs – es ist bundesweit die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Wird er rechtzeitig erkannt, kann er gut behandelt werden. Der Oktober steht als Brustkrebsmonat im Zeichen des Themas.

Frauen zwischen 50 und 69 Jahren haben alle zwei Jahre Anspruch auf eine Mammografie-Früherkennungsuntersuchung. Dr. Birgit Leibbrand rät dringend dazu, Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch zu nehmen. Zudem sei die Selbstuntersuchung wichtig.

Aktuell sei der Trend zu beobachten, dass Brustkrebs immer später diagnostiziert werde. &bdquo;Aufgrund von Corona nehmen viele die Vorsorgeuntersuchungen nicht wahr“, sagt Leibbrand.

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