Bad Salzufler sieht auf dem Güterbahnhof von Gottesberg brutalste Attacken

Bad Salzuflen. Die LZ-Serie mit den Fluchtgeschichten der Leserinnen und Leser hat auch die Erinnerungen von Manfred Hielscher wieder aufflammen lassen. Der 91-Jährige stammt aus Gottesberg (heute Boguszów) in Niederschlesien, im Osten des Waldenburger Berglandes. Manfred Hielscher lebte mit seinen Eltern direkt an der Eisenbahnlinie, im letzten Haus vor dem Güterbahnhof. Dort ereigneten sich seiner Erinnerung zufolge furchtbare Dinge.

&bdquo;Wir wohnten 300 Meter entfernt, im dritten Stock und hatten einen direkten Blick auf den Bahnhof“, erzählt er. Schon während des Krieges mussten er und seine Familie mit ansehen, wie SS-Offiziere dort auf Menschen einprügelten: &bdquo;Die waren so radikal, die haben die Menschen einfach zusammengeprügelt, manche sogar totgeschlagen.“

Munition explodiert in der Hand Manfred Hielscher, Anfang April 1933 geboren, hat die Bilder noch im Kopf. Zumal sich vieles wiederholt habe, als wenig später die Rote Armee vorrückte. Zuvor aber ereignet sich noch etwas sehr Einschneidendes: &bdquo;Im Herbst 1944 explodierte an unserer Bahnlinie ein Munitionszug.“ Einer seiner Freunde sei mit anderen Jungs zur Unglücksstelle gelaufen und habe etwas aufgehoben - mit fatalen Folgen: &bdquo;Es ist in seiner Hand explodiert, und er ist gestorben.“

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Als russische Soldaten den Ort acht Kilometer von Waldenburg entfernt erreichten, hätten die Bewohner neben Waffen auch Radios und Fotoapparate abgeben müssen: &bdquo;Bei Todesstrafe“, wie es geheißen habe. Die ständigen Vergewaltigungen hat er als knapp Zwölfjähriger vor allem so empfunden, dass &bdquo;immer und überall Frauen gelaufen sind und versucht haben, sich zu verstecken“. &bdquo;Die Soldaten haben einen richtigen Sport daraus gemacht“, schildert er seine furchtbaren Erinnerungen.

Als später die Polen in den Ort gekommen seien - die neu angesiedelten Bewohner kamen zum Teil aus an die Sowjetunion gefallenen Gebieten östlich der Curzon-Linie , heißt es auf &bdquo;Wikipedia“ - hätten zunächst Akademikerfamilien ihre Häuser verlassen müssen, darunter zum Beispiel Lehrer; und natürlich die Rentner: &bdquo;All die, die nicht von Nutzen waren.“ Apotheker und Ärzte hätten zunächst noch bleiben dürfen.

Essen durch den Zaun verteilt Manfred Hielschers Vater war Bergmann. Nur eine Frage der Zeit, bis die Familie ebenfalls vertrieben wird. Mitnehmen kann sie fast nichts, untergebracht wird sie auf einem eingezäunten Schulgelände in Waldenburg: &bdquo;Da kamen immer Deutsche, und haben uns durch den Zaun was zu essen zugesteckt“, erinnert sich der 91-Jährige. Drei Wochen dauert es, bis die Vertriebenen in Güterzügen abtransportiert werden.

Die Hielschers landen zunächst in Waschleithe im Erzgebirge: &bdquo;Dort meinte man, meinen Vater im Bergbau einsetzen zu können. Aber der war durch den Steinstaub schon viel zu krank.“ Der kalte Winter setzt der Familie sehr zu: &bdquo;Wir hatten ja nur, was wir bei der Vertreibung tragen konnten - und es gab nichts zu brennen.“ Manfred Hielscher spricht von schlimmen Erfrierungen.

Später wagt er den Grenzübertritt, möchte aus der DDR flüchten - und es gelingt ihm zu Fuß. In Bockum-Hövel bei Hamm kommt er bei einem Onkel unter, der ist Bergmann. Er bezieht ein kleines Zimmer und macht eine Lehre als Gärtner. Nach Lippe zieht er später wegen der Arbeit. In seinem Haus in Wülfer lebt er schon seit vielen Jahrzehnten. Von der schlesischen Heimat erzählen einige Wandmalereien, die er in seinem Keller angefertigt hat - zum Beispiel das Bild vom Hochwald (Chełmiec) dem 851 Meter hohen Berg, ein erloschener Vulkan, den Manfred Hielscher mit seiner Heimat verbindet. Ein passendes Gedicht zum Hochwald kann er noch heute aufsagen.

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