Erst Besatzer, dann Beschützer: Das dachten die Briten über die Bad Salzufler

Bad Salzuflen. Nachdem die britischen Besatzer am 2. Mai 1945 in Bad Salzuflen einrückten, änderte sich nicht nur das Stadtbild – große Teile der Innenstadt und des Kurareals waren den Briten vorbehalten und stellenweise von einem drei Meter hohen Zaun umgeben –, es war auch Schluss mit den Jahren nationalsozialistischer Indoktrination, auch wenn die Bad Salzuflerinnen und Bad Salzufler erst langsam den Weg zur Demokratie fanden.

Mit der britischen Besatzungszeit von 1945 bis 1950 hat sich die Detmolder Historikerin Petra Wissbrock auseinandergesetzt. Sie wird dazu am kommenden Mittwoch, 22. Januar, um 18.30 Uhr in der Buchhandlung Maschke (Osterstraße 48) referieren. Unsere Redaktion hat vorab mit ihr gesprochen.

Dass die Briten sich Bad Salzuflen ausgesucht haben, um hier einen großen Teil ihrer Verwaltung zu installieren, darunter vor allem Dienstleistungen für die britische Armee wie Post und Verpflegung, sei natürlich kein Zufall, sondern noch während des Krieges geplant gewesen.

&bdquo;In Kurorten wie Bad Salzuflen befand sich ohnehin keine relevante Rüstungsindustrie, dafür aber attraktive Häuser und Unterkünfte, sodass man auf eine Bombardierung verzichtete“, sagt Wissbrock. Denn die britischen Offiziere hatten je nach Rang ein Anrecht auf eine genau festgelegte Zahl von Schlafzimmern und Dienstboten. Dafür eigneten sich unter anderem die Villen der Stadt, die kurzerhand beschlagnahmt wurden.

Zwar handelte es sich bei vielen der Briten eher um zivile Verwaltungsbeamte, denen aber der Form halber ein militärischer Rang verliehen wurde. Die eigentlichen Truppen waren dagegen in Kasernen in Herford und Lemgo stationiert.

Gute Demokraten &bdquo;Aber Bad Salzuflen war ein Standort des Zentrums der Control Commission for Germany“, sagt Wissbrock. Die Kommission setzte die britische Besatzungspolitik um. &bdquo;Sie war auch für die Re-Demokratisierung zuständig“, sagt Wissbrock.

Die Deutschen sollten zu guten Demokraten werden. Das gestaltete sich aber nicht so einfach. Zwar entwickelte sich zwischen den britischen Verantwortlichen und dem neugegründeten Stadtrat mit der Zeit eine gute Zusammenarbeit, wie Wissbrock recherchiert hat. Die Briten blieben aber skeptisch, was den Mentalitätswandel der breiten Bevölkerung betraf, wie sie in internen Dokumenten schrieben. Wissbrock: &bdquo;Darin heißt es, dass die Deutschen zwar taten, was man ihnen sagte, ihre Grundhaltung sei aber passiv und negativ.“

Bei vielen Deutschen sei verankert gewesen, dass der Staat alles regele, so wie sie es aus dem Nationalsozialismus kannten. Wissbrock: &bdquo;Individuelle Verantwortung war vielen fremd.“

Auch der Blick auf diejenigen Deutschen, die mit den Besatzern zusammenarbeiteten, war seitens der übrigen ehemaligen Volksgenossen häufig von Argwohn geprägt, wie die Wissenschaftlerin sagt. Zwar war es durchaus lukrativ, für die Briten zu arbeiten – etwa als Fahrer oder Hausmädchen –, denn es gab ein regelmäßiges Gehalt und man hatte Zugang zu Lebensmitteln.

Aber die übrige Bevölkerung war neidisch, weil einige deutsche Mitarbeiter der Briten auch in den für die Armee reservierten Zonen leben durften, unter oft privilegierten Bedingungen. &bdquo;Als sich der britische Militärapparat später verkleinerte und deutsche Mitarbeiter entlassen wurden, hatten diese oft Probleme, einen Job zu finden.“

Verräter Wurden diese Menschen eher als Verräter betrachtet, galt dies nicht für diejenigen Salzufler, die zu den Veranstaltungen und Cocktailempfängen der Briten eingeladen wurden. Sie galten als wichtig, die Einladungen waren heiß begehrt. Die Briten seien sich dessen durchaus bewusst gewesen und machten damit Politik.

Ansonsten lebten Briten und Deutsche aber nebeneinander her, auch weil physische Barrieren – Zäune und Wachtposten – zwischen Besatzern und Besetzten standen. &bdquo;Es gab wenig Berührungspunkte“, sagt Wissbrock.

Dennoch: Es entwickelten sich Liebesbeziehungen zwischen britischen Männern und deutschen Frauen. Aber auch das rief Missgunst hervor. &bdquo;Tommy-Hure war eines der Schimpfwörter für diese Frauen“, sagt Wissbrock. Ob es eher Pragmatismus war, um der nackten Not zu entkommen, Abenteurerlust oder tiefe Zuneigung, lasse sich wissenschaftlich schwer beantworten, sagt Wissbrock.

Demnächst wird sie auch noch nach London fahren, um weitere britische Quellen über Bad Salzuflen zu sichten. Was auffällt, sei, dass die Briten in ihren offiziellen Berichten durchaus auch mit beißendem Humor die Lage beschrieben. &bdquo;Das ist ganz anders als in der üblichen Behördensprache, wie man sie in Deutschland kennt.“ Übrigens: Als sich Anfang der 1950er-Jahre Russland als der neue Feind herauskristallisierte, änderte sich die Wahrnehmung der Briten durch die Deutschen. Wissbrock: &bdquo;Sie wurden von Besatzern zu Beschützern.“

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