Sie leben im Müll: Dieser 88-jährige Salzufler sammelt für Kinder auf den Philippinen

Bad Salzuflen. Drei Bilderbücher. Ein Glas Honig. Ein biblischer Kalender, ein Heftchen mit Losungen, beides von der &bdquo;Steyler Mission“. Dazu ein gerahmtes Foto, das eine Gruppe Kinder auf den Philippinen zeigt. Daneben ein Zettel mit einer Bankverbindung. All das hat Friedrich Jittenmeier auf dem Tisch seines Wohnzimmers in Schötmar drapiert. Es sind, sozusagen, seine Arbeitsutensilien als Spendensammler.

&bdquo;Das hier ist die Bankverbindung von Pater Heinz Kulüke“, sagt der Mann im freundlich-bunt gesteiften Pullover und zeigt auf den Zettel. &bdquo;Das Spendengeld geht direkt auf sein Konto. Ohne Umwege. Das ist mir wichtig.“ Und somit direkt zu den Bedürftigen: den jungen Prostituierten und den sogenannten &bdquo;Müllkindern“, die in der Millionenstadt Cebu auf der gleichnamigen Insel auf den Deponien leben. Ihnen will der 88-Jährige so dringend helfen.

Ein Carepaket der Hoffnung Im Jahr 1946 war Jittenmeier fünf Jahre alt. Der verlorene Krieg sorgte in Deutschland für Hunger und Not. Kurz vor Weihnachten, erzählt er, habe er auf dem Küchentisch ein Päckchen entdeckt und seine Mutter gefragt, woher das komme. &bdquo;Was ist da drin, und von wem?“ Ein Carepaket sei das, habe die Mutter erklärt, abgeschickt von einer Baptistengemeinde in den USA, gefüllt mit &bdquo;wunderbaren, schönen Keksen“, wie Jittenmeier sich erinnert. &bdquo;So etwas kannten wir Kriegskinder gar nicht.“ Das Paket, so hört man heraus, wurde für ihn zu einem Zeichen der Hoffnung.

Diese Anekdote ist wohl wichtig, um zu verstehen, dass es in Jittenmeier &bdquo;Klick“ machte, als er vor sieben Jahren besagten Pater Kulüke kennenlernte. Friedrich Jittenmeier - &bdquo;ich bin kein strenger Katholik!“, möchte er festhalten - war mit seiner Frau nach Sankt Augustin bei Bonn gereist, dem Sitz der Steyler Mission, die weltweit Bildungs-, Gesundheits- und Sozialprojekte in benachteiligten Regionen unterstützt.

Der Theologe mit der geerdeten Ausstrahlung zog ihn in seinen Bann. &bdquo;Tut etwas in Eigenverantwortung“, habe der Pater gesagt. Kulüke reduziere die Bibel auf die Bergpredigt und die Geschichte vom Heiligen Samariter. Darin sei alles Wesentliche enthalten, erzählt Jittenmeier. Das beeindruckte ihn.

Der Auftrag des Samariters Viele Wochen lang habe Pater Kulüke selbst auf dem Müllberg geschlafen, habe &bdquo;Ratten so groß wie Katzen“ erlebt, folgte der Essenz und dem Auftrag des Samariter-Gleichnisses: Nächstenliebe macht keine Unterscheidung zwischen Herkunft, Religion oder Sympathie. Und auch: Nächstenliebe besteht im Tun.

Das steht im Kern von Jittenmeiers Aktivitäten. Er selbst möchte im Rahmen seiner Möglichkeiten denen, die es am nötigsten haben, helfen. Wenn er mit dem Honig, den sein Schwiegersohn in Münsterland produziert, den Bilderbüchern der befreundeten pensionierten Lehrerin Gisela Ruthenberg und dem Missionskalender zu seinen &bdquo;mehr als 100 Kunden“ loszieht, hat er die Müllkinder im Sinn.

Der Erlös der Bilderbücher geht zu 100 Prozent an Pater Kulükes Hilfsprojekt, in dessen Rahmen unter anderem Häuser für die Familien aus den Slums gebaut werden. Den Betrag für Jittenmeiers Honige runden seinen Kunden meist gern auf. Seit sieben Jahren geht das so. Euro um Euro kam so recht mühevoll zusammen, stets auf Wunsch mit Spendenbescheinigung. Gleichzeitig wuchs Jittenmeiers Kontaktnetz.

Mit Vorträgen zu neuen Spendenhöhen So kam mit einem Mal eine neue Ebene hinzu: die Vorträge. Mit denen erreicht Jittenmeier seit einem Jahr neue Menschengruppen und - er formt mit den Händen eine Art Trichter und senkt die Stimme, wenn er darüber spricht - ganz neue Spendensummen. Höhere. Viel höhere! Seine Augen strahlen, wenn er davon spricht.

Doch um sich derart aus seiner Komfortzone heraus und vor ein großes Publikum zu wagen, brauchte es für den ehemaligen Textil-Handelsvertreter ein wenig Anschub. Für den sorgte maßgeblich sein Salzufler Nachbar Karl-Heinz Wallbaum, erzählt Jittenmeier. Denn als das Angebot von Pfarrer Matthias Schmidt von der Kiliansgemeinde Schötmar kam, dort über die Slums von Cebu zu sprechen, fühlte er sich zunächst etwas überfordert. &bdquo;Ich hatte so etwas ja noch nie gemacht!“

Wallbaum, der ihn schon länger auf seinen &bdquo;Honig-Runden“ begleitete, sprach ihm Mut zu. &bdquo;Da bekommst du viel mehr Geld zusammen“, habe er Jittenmeier das Kern-Argument schlechthin geliefert. &bdquo;Und die in Cebu brauchen es und können damit etwas anfangen!“ Außerdem, meinte Pfarrer Schmidt, Jittenmeier solle doch einfach so beherzt von &bdquo;seinen“ Müllkindern sprechen, wie er es in der gemeinsamen Wandergruppe am Kaffeetisch getan habe, das würde reichen. Und der Plan ging auf.

Vom Dom bis zum Gymnasium &bdquo;Es füllt mich aus“, sagt Jittenmeier heute über seine inzwischen zahlreichen Auftritte mit der Präsentation, die er rund um den Film &bdquo;Der Priester auf dem Müll“ konzipiert hat. Ob bei der Baptisten-, Liebfrauen- oder der Gemeinde Bergkirchen Bad Salzuflen, in der Reha-Klinik seiner Frau in Bad Seebruch, bei den Salzufler Stenografen, bei der Kolpingsfamilie St. Michael in Oerlinghausen/Greste, im Religionsunterricht des Brandes-Gymnasiums oder im Paderborner Dom: Stets stellt Jittenmeier auch seine Spendenbox auf. Bald wird er auf Einladung des Grünen-Bundestagsabgeordneten Robin Wagener sprechen.

&bdquo;Ich gehe in Eigeninitiative meinen Weg - mit Erfolg“, fasst er, der als Jugendlicher selbst Missionar werden wollte, zusammen. Gut 200 Spenderinnen und Spender, darunter immer wieder auch solche, die 500 oder gar 1000 Euro überweisen, zählt er bis heute, dabei kam insgesamt die Summe von 7.000 Euro zusammen. &bdquo;Eine Woche vor Weihnachten gehen die gesammelten Spenden des letzten Jahres auf den Weg nach Cebu, Philippinen“, plant Jittenmeier.

&bdquo;So schlecht sind die Menschen gar nicht!“ Im Kontakt mit anderen sei ihm eine humanistische Grundhaltung wichtiger als Religiosität, egal welcher Konfession. &bdquo;Man spricht heute oft von den kalten Menschen“, sagt er. &bdquo;Aber wenn ich die Reaktionen auf meine Vorträge sehe, dann denke ich: Verflixt noch mal, so schlecht sind die Menschen gar nicht.“

Er glaubt, dass die meisten von der Flut von Nachrichten und Impulsen aus dem Internet überfordert seien. Das bedeute jedoch nicht, dass die Menschen kein Herz mehr hätten für das Schicksal anderer. &bdquo;Ich sehe bei meinen Zuhörern oft Tränen in den Augen, können Sie sich das vorstellen?“ Deshalb will der rüstige Spendensammler auch im kommenden Jahr weitermachen. &bdquo; Ich lasse keinen Stress zu: Zwei Vorträge im Frühjahr und Sommer, zwei weitere in Herbst und Winter sind als Pensum ok.“

Für ihn sei es in Ordnung, wenn manch einer ihn für ein wenig verrückt halte. &bdquo;Ich sehe das so, wie es Nietzsche ausgedrückt haben soll: Die Verrückten sind die, die die Welt ,ver-rücken’ - ins Positive.“

Das Hilfsprojekt Dr. Heinz Kulüke, geboren 1956 im Emsland, ist Priester des Ordens der Steyler Missionare (SVD). Nach einer Ausbildung zum Elektriker und einem Theologiestudium wurde er 1986 zum Priester geweiht. Seit über zwei Jahrzehnten engagiert er sich für Kinder und Familien, die in Slums, auf Mülldeponien oder in Rotlichtvierteln auf der Insel Cebu leben. Tausende Kinder erhalten so Zugang zu Kindergarten, Schule und Berufsausbildung. Der Bau von Wohnsiedlungen und Gemeinschaftsdörfern – etwa das &bdquo;San Pio Village“ –, soll Familien dauerhaft Perspektiven bieten und menschenwürdige Lebensbedingungen schaffen. Eine große Rolle spielen zudem die medizinische Versorgung, Ernährungshilfe, soziale Betreuung und Schutzangebote für besonders gefährdete Gruppen (z.B. Straßenkinder, Prostituierte). Kulükes Engagement wurde 2011 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Spendenmöglichkeit Entweder über die Steyler Mission , www.steyler-mission.de , oder direkt an Pater Kulüke - Jittenmeier gibt auf Anfrage per E-Mail an honigkaiser37@gmx.de sehr gern die entsprechende Kontoverbindung weiter.

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