Bad Salzuflen/München/Paris. Für viele wirkt es wie ein Traum: Mit 60 Jahren über einen der bedeutendsten Laufstege der Welt zu gehen, Seite an Seite mit internationalen Stars wie Kendall Jenner, Helen Mirren oder Heidi Klum, und das auch noch ohne jegliche Modelerfahrung. Für Gina Drewalowski aus Bad Salzuflen ist dieser Traum Ende September wahr geworden – passenderweise an ihrem 60. Geburtstag. Sie strahlt, lacht, interagiert mit dem Publikum, bewegt sich so, wie man es aus ihren Videos im Netz kennt, als sie den Laufsteg der L’Oréal-Fashion-Show in Paris betritt. Sofort zieht sie die Blicke auf sich, nimmt die Bühne für sich ein, ganz ohne überinszenierten Glanz. Für ein paar Sekunden schafft sie es, dem großen Modezirkus die Schwere zu nehmen, und zeigt, was sie auf Instagram längst verkörpert: Schönheit ist alterslos, Authentizität und Energie zählen mehr als eine Zahl im Pass. „Das Alter sagt nichts darüber aus, wie man zu leben hat", sagt Drewalowski im Gespräch. „Viele Frauen glauben, mit 50 oder 60 sei es zu spät, noch einmal etwas Neues zu wagen oder weiterhin etwas aus sich zu machen. Aber das stimmt einfach nicht. Ich möchte ihnen zeigen: Lass die Leute reden, mach das, was du willst. Egal, wie alt du bist." Getreu dem Motto: Das Alter ist kein Hindernis. Eine der erfolgreichsten Creatorinnen über 50 Drewalowski zählt mittlerweile zu einer der erfolgreichsten deutschen Creatorinnen über 50. Mehr als 900.000 Menschen folgen ihr auf Instagram, ihre Videos erreichen regelmäßig Millionen Aufrufe. Gestartet ist ihre späte Influencer-Karriere mit einem Experiment vor etwas mehr als zwei Jahren, am 1. Dezember 2023. Damals setzte sie sich das Ziel – einen Adventskalender aus 24 Reels. Nicht, um berühmt zu werden, sondern um sich selbst zu disziplinieren, wie sie sagt. Und: „Ich wollte herausfinden, ob die Fragen, die mir ältere Frauen seit Jahren stellen, vielleicht mehr Menschen interessieren: Wie bleibe ich fit? Wie ernähre ich mich? Wie pflege ich mich? Wie bleibe ich sichtbar?" Das Konzept funktioniert. Ihre Reichweite wird täglich größer. Schon nach zwei Monaten hatte sie 10.000 Follower. Heute hat eines ihrer Videos sogar mehr als 55 Millionen Aufrufe. „Reichweite ist aber nicht alles. Für mich ist wichtig, dass meine Botschaft ankommt. Ich will Frauen über 50 zeigen, dass sie nicht unsichtbar sind, sondern sichtbar, kraftvoll und lebendig. Ich möchte zeigen, dass man auch mit 50, 60 oder 70 sexy sein darf, wenn man das will." Ein Clip ist dabei ein ganz entscheidender. Entstanden ist er in München. In dem Video tanzt Drewalowski in einem kurzen Kleid über eine Münchner Straße, um sich warm zu halten. „Schreib mein Alter dazu", sagte sie damals ganz selbstbewusst zu ihrem Videografen. Und das tat er. Seither ist der Schriftzug „Ich bin " gepaart mit dem aktuellen Alter von Drewalowski ihr Markenzeichen und ihre Botschaft zugleich. Ihre Community, 89 Prozent davon sind Frauen, zeigt, dass ihr „Feel-Good-Content" Wirkung hat: Frauen schreiben ihr, dass sie den Job gewechselt, sich die Haare kurz schneiden lassen oder sogar eine Wohnung auf Mallorca gekauft haben. „Sie treffen Entscheidungen, die lange in ihnen schlummerten", sagt sie. „Das macht mich stolz." Karriere bei Brax Drewalowski ist die Ehefrau von Wolfgang Drewalowski (76), dem langjährigen CEO der des Herforder Modeunternehmens Brax. Doch auch sie selbst machte Karriere: Drei Jahrzehnte lang war sie selbst Teil des Unternehmens, in den 1990er-Jahren arbeitete sie als Stylistin bei ProSieben und kleidete die Nachrichtensprecher ein. Sie studierte zudem in München an der Ludwig-Maximilians-Universität Kommunikationswissenschaften, BWL sowie Markt- und Werbepsychologie. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Gina Drewalowski (@ginadrewalowski) Heute arbeitet die 60-Jährige mit drei Videografen zusammen. Zudem erhält sie Unterstützung von ihrer Familie. „Mein Mann hält mir den Rücken frei, er ist so etwas wie mein Chief Financial Officer." Tochter Helena übernehme das Management. „Ohne meine Familie würde das alles nicht funktionieren." Sie produziere täglich Videos, reise viel – und bleibe doch bewusst geerdet. „Es gibt bei mir immer noch eine ganz private Gina", sagt sie. „Wenn ich eingeladen bin, muss keiner Angst haben, dass ich etwas poste." Ihr Lebensmittelpunkt liegt beruflich in München, die Verbindung Ostwestfalen und Lippe bleibt über Familie und Freundschaften aber bestehen. Auch den „Willen zur Bestleistung" aus ihrer Zeit beim Modeunternehmen Brax habe sie nie vergessen. Vielleicht eigene Beauty-Marke Und wie geht es nun nach der großen Parisshow weiter, zu der sie übrigens vor allem dank ihrer Instagram-Seite vom Veranstalter eingeladen wurde? Ab ins Modelbusiness? „Es geht bei mir nicht ums Modeln. L’Oréal hat mir die Chance gegeben, meine Botschaft auf die große Bühne zu bringen, und dafür bin ich dankbar. Wenn ich als Person, also als eigene Marke, als Model angefragt werde, dann ist das eine Ehre, aber für eine klassische Modelkarriere habe ich jetzt schon zu viele Projekte." Derzeit stehen mehrere neue Vorhaben im Raum. Sie könne sich vorstellen, mal eine Beauty-Marke herauszubringen, auch der Weg ins Fernsehen oder das Schreiben eines Buches seien denkbar. Zudem denkt sie über ein Community-Treffen nach. „The sky is the limit – oder wie Elon Musk denkt: the universe is a pretty big place", sagt sie und lebt genau das jeden Tag vor.