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Bad Salzuflen

Fachleute untersuchen den "Aha-Effekt"

Karlfrid Hebel-Haustedt und Dr. Thomas Redecker über eine Tagung zum "Zauber" der Psychotherapie

Dem Wissen mittelalterlicher Heiler auf der Spur: Psychologin Dr. Cordula Eckert, Chefarzt Dr. Thomas Redecker sowie Karlfrid Hebel-Haustedt, Psychologischer Ausbildungsleiter der Klinik Flachsheide (von links). - © Foto: Rademacher
Dem Wissen mittelalterlicher Heiler auf der Spur: Psychologin Dr. Cordula Eckert, Chefarzt Dr. Thomas Redecker sowie Karlfrid Hebel-Haustedt, Psychologischer Ausbildungsleiter der Klinik Flachsheide (von links). (© Foto: Rademacher)

Bad Salzuflen. 200 Ärzte und Psychotherapeuten haben am Wochenende in der Klinik Flachsheide getagt. Karlfrid Hebel-Haustedt und Dr. Thomas Redecker erklären im Interview den ungewöhnlichen Titel des Symposiums. Darüber hinaus gehen die Organisatoren der Fachtagung, die den Titel "Zauber im Wandel" trug, auf den Zusammenhang zwischen modernen TV-Formaten und psychischen Schwierigkeiten ein.

Was hat "Zauber" mit Psychotherapie zu tun?

Karlfrid Hebel-Haustedt: Obwohl man viele Wirkfaktoren kennt, kann man nicht immer erklären, warum die Therapie in einem Fall schief läuft und im anderen Fall eine zauberhafte Wendung nimmt. Es gibt eine Fülle von Einzelfällen, in denen der Therapeut eine Nebenbemerkung macht oder irgend etwas geschieht, von dem man nicht annimmt, dass es eine Wirkung hat, und dabei im Patienten aber doch einen Aha-Effekt auslöst.

"Zauber" klingt aber so, als gäbe es keine Erklärung.

Hebel-Haustedt: Teilweise lässt sich die Wendung erklären, teilweise bleibt sie magisch. Aber genau das wollen wir herausbekommen, vor allem im Blick auf Misserfolge.

Dr. Thomas Redecker: In der Psychotherapie wirkt oft etwas in der Beziehung zwischen Arzt und Patienten, das schwer zu beschreiben ist, aber menschliche Beziehungen ausmacht. Und das ist der Zauber einer Therapie. Es ist ein Glück, in einem Heilungsmoment dabei zu sein. Da gibt es eine lange Tradition: Auch die Magier, die Hexen, die Druiden, die Merlins waren Heiler. Diese Aspekte werden in der Psychotherapie und der Medizin wiederentdeckt.

Hebel-Haustedt: Es gibt Untersuchungen, wonach der tibetanische Pillendreher oder der Medizinmann im Busch bei chronischen Erkrankungen genauso erfolgreich ist wie unsere moderne Medizin. Die Beziehung zwischen Patient und Heiler, in der die Hoffnung auf Heilungserfolg entsteht, spielt eine Rolle. Da gibt es etwas wenig Fassbares, das aber wirkt - und das wirkt auch in unserer Psychotherapie. Wissenschaft sollte neugierig sein und untersuchen, was da passiert. Da kann auch ein Schatz gehoben werden.

Im Titel der Tagung taucht auch der "Wandel" auf. Warum?

Hebel-Haustedt: Psychotherapie wirkt. Das war vor 30 bis 40 Jahren noch nicht allgemein anerkannt. Durch Studien wurde dann aber gezeigt, dass sie in etwa 80 Prozent der Fälle mehr Nutzen bringt als Kosten verursacht. Heute geht es um die Frage: Wie wirkt Psychotherapie genau, und warum hilft sie manchen Patienten und wirkt bei anderen nicht? Inzwischen ist klar, dass die Beziehung zwischen Therapeut und Patient ein wichtiger Wirkfaktor ist. Meist sind schon die ersten fünf oder zehn Minuten entscheidend. Da spielt die Sympathie eine wichtige Rolle - ich brauche ein hohes Maß an Vertrauen. Ein wichtiger Faktor ist eben die Fähigkeit, im Patienten die Hoffnung auf Erfolg zu wecken.

Die Gesellschaft wandelt sich, die Menschen haben heute andere Probleme als vor 30 Jahren. Müssen Sie dann in der Psychotherapie auch andere Methoden anwenden?

Hebel-Haustedt: Die Methoden haben sich nicht grundsätzlich geändert. Es sind einige hinzugekommen, so haben wir in der Traumatherapie neue Techniken. Wir haben heute mehr Patienten mit narzisstischen Problemen, mit Selbstwertstörungen. Da gibt es zwei Ausprägungen: das Gefühl, der "Loser" zu sein, und das Gefühl, alles zu können. Beides ist eine Verkennung der Realität. Die mediale Welt verlangt viel Aufmerksamkeit, das Soziale und Solidarische geht zurück. Der Einzelne hat große Erwartungen, und ihm wird da auch etwas vorgegaukelt - denken Sie an "Deutschland sucht den Superstar".

Manche Inhalte der elektronischen Medien schlagen also auf die seelische Gesundheit durch?

Hebel-Haustedt: Ja. Jugendlichen wird vermittelt, auch sie könnten ein Star sein. Es gibt oft eine hohe Diskrepanz zwischen dem Wollen und dem Können. Da muss man wieder auf den Boden der Tatsachen kommen, und es ist wichtig, die Therapie für den Patienten nicht zu kränkend zu gestalten. Narzissten neigen dazu, kleine Fortschritte sofort zu entwerten - nach dem Motto: Ich bin immer noch nicht im Fernsehen. 

Das Interview führte LZ-Redakteur Jens Rademacher.

Fachtagung
Organisatoren des Symposiums "Zauber im Wandel - Vielfalt oder Norm"waren der "Weiterbildungskreis Psychosomatische Medizin und Analytische Psychotherapie" mit Karlfrid Hebel-Haustedt und der Vorsitzenden Dr. Cordula Eckert sowie die Median-Klinik Flachsheide mit Chefarzt Dr. Thomas Redecker. Rund 200 Ärzte und Psychotherapeuten aus dem ganzen Bundesgebiet haben an der Tagung teilgenommen, Vorträge gehört und Seminare besucht.

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