Warum die Großenmärper jetzt wieder wissen, was die Stunde geschlagen hat

Blomberg-Großenmarpe. Schon seit mehr als einem Jahrhundert steht in Großenmarpe an der Alten Poststraße ein Unikum: Ein Glockenturm ohne Kirche. Doch auch wenn das Gotteshaus dazu fehlt, die Dorfbewohner lieben ihr Wahrzeichen, das da einsam in den Himmel ragt. &bdquo;Der Turm gehört einfach dazu“, sagt Ortsvorsteher Peter Siegmann. Und dass die große Stundenglocke und die kleine Totenglocke plötzlich verstummt waren, wollte die Dorfgemeinschaft nicht auf Dauer hinnehmen.

Doch der Reihe nach. Wo heute der Glockenturm in den Himmel ragt, stand lange eine 1476 erbaute Friedhofskapelle. &bdquo;Die ist Anfang des 20. Jahrhunderts abgerissen worden“, weiß Timo Möller. &bdquo;Und dann hat man 1906 einen neuen Glockenturm gebaut, eigentlich in der Absicht, später auch noch eine Kapelle dazu zu bauen. Doch daraus ist nichts geworden.“ Der Abriss, der historischen Akten zufolge bereits 1888 diskutiert worden war, geschah &bdquo;hauptsächlich, um die Licht und Wärmeverhältnisse im angrenzenden Schulgebäude zu verbessern“, heißt es in der Beschreibung des Denkmalamtes Münster.

Es habe mehrere Gutachten dazu gegeben, und die Debatte sei auch in der Presse ausgetragen worden. Das belegt auch ein Artikel in der Lippischen Landes-Zeitung vom 17. März 1906, in dem es hieß: &bdquo;In den unteren Schichten des Volkes ist der Unwillen darüber sehr groß. Leider sind sie nicht in der Lage gewesen, das zu verhindern, denn in dem Gemeindeausschuss haben zirka 25 Herren der ersten und zweiten Klasse die Mehrheit und die 150 Angehörigen der dritten Klasse sind ohnmächtig, Beschlüsse dieser Art zu verhindern.“

Wer soll das bezahlen? Immerhin: Ein Stein aus der alten Friedhofskapelle wurde im Turm verbaut und ist auch heute noch am Aufgang zum Glockenstuhl zu sehen. Zwei Glocken taten hier ihren Dienst, eine große für die Stundenschläge und eine kleine, hellere, die als Totenglocke diente. Vor allem Letztere bedeutet den Großenmärpern viel: &bdquo;Das ist auch heute noch wichtig für die Dorfbewohner“, erzählt der Ortsvorsteher. &bdquo;Die Leute bekommen dann mit, wenn jemand gestorben ist - und wissen dann ziemlich bald auch, wer.“

Mit dem Ersten Weltkrieg war das aber zunächst vorbei: Wie in vielen Orten wurden auch hier die Glocken requiriert und eingeschmolzen, um Munition herzustellen. Doch die Kirchengemeinde sorgte eines Tages für Ersatz, und die beiden Glocken taten ihren Dienst, die Turmuhr zeigte zuverlässig die Zeit an. Doch auch der beste Uhrenmotor gibt irgendwann den Geist auf. Für die evangelische Kirchengemeinde Istrup-Cappel, zu der auch Großenmarpe gehört, war der Turm hauptsächlich ein Kostenfaktor mit wenig Bedeutung für die Seelsorge.

Die Kirchengemeinde bot der Dorfgemeinschaft den Turm zum Kauf an. &bdquo;Aber wie hätten wir das machen sollen? Der Dorfausschuss ist je kein Verein, und die anderen heimischen Vereine haben aufgrund ihrer Satzung andere Aufgaben als den Erhalt des Turmes“, erläutert Timo Möller.

Andererseits trieb den SPD-Ratsherrn die Sorge um, was passiert, wenn der Turm von Privatleuten gekauft würde. &bdquo;Wir wollten ja nicht, dass er abgerissen wird, und so habe ich bei der Stadt nachgefragt, ob sie den Turm für denkmalwürdig hält.“ Die wiederum setzte sich mit der Denkmalschutzbehörde in Münster in Verbindung: Der Turm wurde unter Schutz gestellt, er sei &bdquo;als symbolischer Ortsmittelpunkt zu verstehen, auch wenn er sich geografisch nicht mittig im Ort befindet“.

Um es kurz zu machen: Am Ende verkaufte die Kirchengemeinde den mittlerweile denkmalgeschützten Turm mit dem Gelände, auf dem er steht, an die Familie, die auch die Alte Schule samt Grundstück gekauft hat.

Bürger lieben ihre Glocken Für die Dorfgemeinschaft ein Glücksfall: Die neuen Eigentümer hatten nichts dagegen, dass sie sich um die Reparatur der Turmuhr des Glockengeläuts kümmerte. Ulrich Wicke, Elektromeister aus Istrup, kümmerte sich ums Geläut, während die Firma HEW Elektromotoren aus Herford, spezialisiert auf Turmuhren, feststellte: Der Motor ist hin. Ein Ersatz schlug mit 3000 Euro zu Buche. Kurzerhand beschloss der Dorfausschuss, eine Spendenaktion zu starten. &bdquo;Das Geld kam binnen kurzer Zeit zusammen“, erzählt Timo Möller. &bdquo;Es hat von April bis Juli gedauert, dann war der Motor repariert.“ Nicht zuletzt habe auch eine Förderung aus der Bürgerstiftung Blomberg geholfen.

Und nun schlagen sie wieder, die beiden Glocken: &bdquo;Wir läuten samstags um 18 Uhr das Wochenende ein und sonntags um 18 Uhr wieder aus“, erzählt Peter Siekmann. &bdquo;Und ansonsten schlägt die Stundenglocke zwischen 7 und 22 Uhr zu jeder Viertelstunde ein, zwei oder drei Mal und dann zur vollen Stunde die Stundenzahl.“

Viele Dorfbewohner hätten sich auch schon bedankt, so auch das Ehepaar A. Hilker, das sogar in einem Brief an die LZ schrieb: &bdquo;Welch ein Ohrenschmaus.“ In Gesprächen mit alteingesessenen Großenmärpern höre man die Freude über diese unerwartete Wendung. &bdquo;Die Stille tagein - tagaus war doch irgendwie bedrückend. Jetzt wieder ein gewohntes Geräusch - der Klang der Glocken!“ Hinter solch einer Aktion stecke viel Arbeit: &bdquo;Ein herzlichen Dankeschön.“

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