Drei bewegenden Geschichten über Menschen in Situationen, die ihr Leben verändern - Stoff für einen intensiven Leseabend. Für den war jetzt die Schauspielerin Grit Asperger zu Gast in der Stadtbücherei.
Blomberg. Wie kann man das Grauen von Verfolgung, Folter und Denunziation überleben? Wie kann man darüber berichten - ohne die Wahrheit zu verfehlen? Die Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller hat sich mit ihrem Roman "Atemschaukel" dieser Aufgabe gestellt. Und sie hat ein Meisterwerk geschaffen, das mit starken Bildern und dem präzisen Blick auf den Lageralltag die grauenvollen Erfahrungen zugänglich macht.
Der Roman erzählt die fiktive autobiografische Geschichte des Leo Auberg, der den Aufenthalt im ukrainischen Konzentrationslager Nowo-Gorlowka überlebt hat. Es sind vor allem die Erfahrungen des Hungers, die Herta Müller in immenser Eindringlichkeit schildert. Grit Asperger lässt die intensiven Bilder in den Köpfen der Zuhörer entstehen, indem sie den Text mit großer emotionaler Zurückhaltung interpretiert.
Ganz anders ihre facettenreiche Präsentation der beiden anderen Romane. "Du stirbst nicht" von Kathrin Schmidt erzählt die Geschichte einer Frau, die nach einer Hirnblutung im Krankenhaus aus der Bewusstlosigkeit erwacht und sich langsam ihre Welt zurückerobert. Ihr Erinnerung ist nur bruchstückhaft. Was da zutage tritt, konfrontiert die Protagonistin Helene mit einem Leben, das vieles in Frage stellt. Sie entdeckt Brüche in ihrer Biographie, auch verdrängte Leidenschaften. Helene durchlebt einen wichtigen Heilungsprozess, bis sie schließlich in ihrer neuen Gegenwart ankommt. Hier kommt Grit Asperger der Geschichte - für die Kathrin Schmidt im vergangenen Jahr mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde - und ihrer Hauptfigur ganz nah und macht sie für das Publikum auf berührende Weise greifbar.
Weinen und Lachen liegen in der dritten Geschichte dicht beieinander. "Das etruskische Lächeln" des spanischen Autors José Luis Sanpedro erzählt, wie der alte italienische Widerstandskämpfer Salvatore Roncone im Endspurt seines Lebens die Liebe noch einmal ganz neu für sich entdeckt. Sein ganzes Leben hat er als Bauer im kalabrischen Süden verbracht. Nun muss er zu seinem Sohn nach Mailand ziehen. Dort entdeckt der alte Patriarch nie geahnte Seiten an den Menschen und an sich selbst. Auch wenn diese Geschichte vom Ende eines Lebens erzählt, ist sie federleicht, voller Humor, aber auch ganz nah an menschlicher Verletzlichkeit. Grit Asperger gelingt es wunderbar, die Figuren des Salvatore und der Ortensia lebendig werden zu lassen. Sie schlüpft geradezu in sie hinein, gibt ihnen Stimme, Gesicht und Leben. Ihre vielseitige Darstellungskraft bescherte den Zuhörern eine großartige Lesung mit vielen Facetten.