Detmold-Berlebeck. Mit jedem Ausgrabungsjahr erscheint die Falkenburg-Ruine imposanter. Die Sanierung der Oberburg ist abgeschlossen. Mauerreste künden von herrschaftlichem Anspruch und kriegerischen Zeiten.
Versetzen wir uns einmal zurück in die Zeit um 1400. Ein Reiter nähert sich der Burg. Den Großteil der Strecke legt er im Schussfeld der Befestigungen zurück. Er kann in der mächtigen Nordmauer drohend das Geschütz sehen, das seit 1398 auf der Burg nachgewiesen ist. Vielleicht ragt auch noch der Wurfarm eines Schleuderkatapults über die Mauerkrone, dessen Plattform noch heute zu sehen ist.
Am Ende des letzten steilen Anstiegs – immer noch bietet der Ankömmling der Burgbesatzung die nicht durch einen Schild geschützte rechte Seite dar – muss er eine Zugbrücke und drei massive Torbauten passieren. Dann endlich steht er vor dem letzten Tor zur herrschaftlichen Oberburg.
20 Zentimeter starke Eichenbohlen, mit Eisen beschlagen – so stellt sich Grabungstechniker Thomas Pogarell dieses Tor vor. Die Spuren auf den Lagersteinen der Drehzapfen deuten darauf hin. Pogarell gräbt mit seinen Helfern die Burg aus – seit 2005 ist er hier tätig. Er steht in der Torkammer genau auf dem Geländeniveau, auf dem auch unser Reisender vor 600 Jahren gestanden hat.
Vermutlich blickte der in dem dunklen Torbau zunächst auf ein Fallgitter, das bei Bedarf heruntergelassen werden konnte und danach auf eine Reihe stattlicher Repräsentativbauten: den Palas rechterhand, 35 Meter lang, zwölf Meter breit. Oder ein dreistöckiges Wohngebäude links neben dem Tor, bei dem nicht nur der aus dem Kamin ziehende Rauch Wärme und Behaglichkeit verspricht.
"Alle Gebäude hier kann man sich mit farbiger Fensterverglasung vorstellen", sagt Thomas Pogarell. Eine Wissenschaftlerin erforscht allein diese Funde und hat festgestellt, dass schon im 13. Jahrhundert Glas verbaut wurde – sehr früh im Vergleich zu anderen Burgen. Ebenfalls recht früh werden viele Räume der Burg bereits beheizt – durch Kamine oder Kachelöfen, entsprechende Keramik haben die Archäologen gefunden.
Für Pogarell unterstreicht das klar die Ambitionen der Bauherren – Bernhard II. zur Lippe und sein Sohn Hermann II. – beziehungsweise ihrer Nachfolger. "Sie wollten mit den Fürsten des Reiches gleichziehen."
So wird unser Reisender nun vielleicht in eine Halle geleitet, deren Dach auf Säulen ruht. Ein älteres Wohngebäude ist dazu umfunktioniert worden. Einige Jahrzehnte später wird hier hastig eine weitere Geschützplattform aufgebaut; mit der Soester Fehde (1444 bis 1449) ist einmal mehr der Krieg ins Land gekommen.
Wer heute die Oberburg besichtigt, erhält ein vollständiges Bild aller Bauphasen, die Grundmauern sind von Euwatec-Mitarbeitern saniert worden. Thomas Pogarell, Grabungsleiter Johannes Müller-Kissing und ihre Helfer haben sich der Unterburg zugewendet und auch dort bereits ein Gebäude vollständig ergraben, das im Keller einst wohl einen Kerker barg. Die Befunde zeigen: Die Fenster waren vergittert, eine Tür mit schwerem Riegel versperrte den Ausgang.
Die mittlerweile freigelegte Kellertreppe liegt völlig schief. Thomas Pogarell geht davon aus, dass sie mit einem Teil des Gebäudes abgerutscht ist, als der hier angefüllte Hang ins Rutschen kam. Ausgerechnet deshalb, weil wohl der unmittelbar daneben liegende Brunnen abgerissen und verfüllt wurde. "Vermutlich war er trocken gefallen und nicht mehr notwendig." 1460 hat die Herrschaft die Burg verlassen, für die Restbesatzung reicht eine Zisterne.
Viel gäbe Pogarell darum, den bis zu 120 Meter tiefen Brunnen komplett auszugraben. Doch dazu fehlen Mittel und Möglichkeiten, eine Spezialfirma müsste ran. Stattdessen konzentriert sich das Team nun darauf, die teilweise abgerutschte Ringmauer zu rekonstruieren. Dabei sind weitere Keller von anderen Gebäuden aufgetaucht. "Es gibt ein reiches Betätigungsfeld hier", stellt Pogarell mit einem Blick in die Runde fest.