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Getötete Julia R.: Freispruch und Psychiatrie für den Angeklagten

2730ÿ dpa

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Der wegen Totschlags angeklagte Oerlinghauser sitzt zwischen seinem Verteidiger Carsten Ernst aus Bielefeld und dem Justizbeamten Reinhard Kleesiek. - © Gunter Held
Der wegen Totschlags angeklagte Oerlinghauser sitzt zwischen seinem Verteidiger Carsten Ernst aus Bielefeld und dem Justizbeamten Reinhard Kleesiek. (© Gunter Held)

Oerlinghausen/Detmold. Die Zuschauerbänke im Saal 165 des Detmolder Landgerichts sind wieder voll besetzt. Anhaltend groß ist das Interesse der Öffentlichkeit am Prozess gegen Dieter O. (Name geändert), der im vergangenen Juni seine 31 Jahre alte Freundin umbrachte, indem er ihr auf einem Feld in Leopoldshöhe mit insgesamt drei Schnitten mit einem Messer die Kehle aufschlitzte.

Gegen 16.20 Uhr verkündet Karsten Niemeyer, Vorsitzender Richter am Landgericht, am Mittwoch „im Namen des Volkes" das Urteil: Freispruch bei gleichzeitiger Einweisung auf unbestimmte Zeit in die forensische Psychiatrie Eickelborn.

Ein Raunen geht durch die Zuschauerreihen, die Schwester des Opfers Julia R. schüttelt mit dem Kopf, kämpft mit den Tränen. Erst nachdem Niemeyer die Urteilsbegründung vorgelesen und dann die Verhandlung geschlossen hat, bricht sich vereinzelt der Unmut über das Urteil Bahn: „Verrecke", ruft einer der Zuschauer in Richtung Dieter O..

Der ist zum letzten Verhandlungstag in Jeans und schwarzem T-Shirt erschienen, über dem er ein offenes rot-schwarz kariertes Hemd trägt. Die Haare hat er zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden, an beiden Handgelenken sind Armbänder zu sehen. O. hört das Urteil scheinbar unbeteiligt. Nach kurzer Besprechung mit seinem Anwalt Carsten Ernst nimmt er es an.

Das Gericht war dem Ansinnen sowohl des Staatsanwaltes Kristoffer Mergelmeyer als auch des Verteidigers gefolgt. In seiner Urteilsbegründung erklärte Niemeyer, dass strafrechtlich ein Mord passiert sei. Der Angeklagte habe die Tat geplant, sich dafür extra aus dem Internet ein Messer gekauft. Außerdem habe er einen Schlafsack zum Transport der Leiche sowie einen Spaten im Auto mitgeführt.

Auch der Tatbestand der Heimtücke sei erfüllt, denn das Opfer Julia R. habe nicht damit rechnen können, dass der Angeklagte sie töten wollte. Dafür spreche auch, dass die beiden wohl unmittelbar vor der Tat im Auto noch Sex gehabt hätten und dann nackt – Julia R. war nur mit einem Slip bekleidet – ausgestiegen wären, um sich abzukühlen. Dabei habe Dieter O. das Messer mitgenommen. Julia R. habe sich anfangs noch gewehrt und dem Täter selbst Verletzungen zugefügt.

Allerdings, so Niemeyer, folge das Gericht dem Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens von Bernd Roggenwallner. Der hatte dem Angeklagten paranoide Schizophrenie attestiert. Typisch für diese Art psychischer Erkrankung sei, dass der Kranke zwar zum Zeitpunkt der Tat nicht schuldfähig sei, aber dennoch in der Zeit nach der Tat Überlegungen anstelle, um von sich als Täter abzulenken.

Mit diesem Ergebnis des Gutachters wollten sich die Anwälte der Nebenklägerinnen, Anke Reese und Christine Habetha, nicht zufriedengeben. Habetha beantragte, einen zweiten Gutachter hinzuzuziehen. Als Argument nannte sie, dass Dieter O. „über Monate" die Geschichte der Tötung auf Verlangen aufrechterhalten habe.

Erst am ersten Verhandlungstag, nachdem er durch Akteneinsicht erfahren habe, dass Zeugen das Opfer Julia R. als nicht selbstmordgefährdet charakterisierten, sei er mit der Geschichte des Paralleluniversums gekommen, dessen Herrscher ihm befohlen habe, Julia R. zu töten. Diese Stimme habe ihm gesagt, dass er Höllenqualen leiden werde, wenn er die Tat nicht begehe. Wenn er aber Julia R. töte, bekäme er seine persönliche Freiheit wieder. Der Antrag wurde jedoch vom Gericht abgelehnt.

Habetha schließt eine Revision nicht aus. „Schließlich gibt es heiliggesprochene Sachverständige in Deutschland nicht."

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