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ZDF-Dokumentation über ehemalige Sahara-Geisel Rainer Bracht aus Detmold

Ingo Kalischek

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Abenteurer: Auf seinem geländetauglichen Motorrad bereiste Gerüstbauer Rainer Bracht fast sämtliche Länder Afrikas. - © Privat
Abenteurer: Auf seinem geländetauglichen Motorrad bereiste Gerüstbauer Rainer Bracht fast sämtliche Länder Afrikas. (© Privat)

Detmold. Sie gilt als die längste Geiselnahme der deutschen Geschichte: 2003 wurden 32 Touristen in der Sahara von Islamisten entführt – unter ihnen der Detmolder Motorradfahrer Rainer Bracht. Für eine Geisel endete die Gefangenschaft tödlich. Alle anderen überlebten die 177 Tage in der Wüste. Das ist 14 Jahre her. Rainer Bracht hatte mit den Ereignissen abgeschlossen, wie er sagt. Doch jetzt musste er sich die Bilder erneut vor Augen rufen – für eine 45-minütige Dokumentation des ZDF.

Interview: In der neuen ZDF-Dokumentation spricht Rainer Bracht über die Geiselnahme. - © Screenshot ZDF History
Interview: In der neuen ZDF-Dokumentation spricht Rainer Bracht über die Geiselnahme. (© Screenshot ZDF History)

In dem Film erinnert er sich mit drei ehemaligen Geiseln an die Zeit während der Gefangenschaft. Einen Tag lang hatte er dafür in Berlin bei den Dreharbeiten verbracht. Das Ergebnis wurde am Sonntag ausgestrahlt und wird heute um 12 Uhr auf dem ZDF-Kanal ZDF Info wiederholt. Vorab sehen durfte Bracht die Dokumentation nicht – und war entsprechend gespannt. Mit dem Ergebnis ist er zufrieden. „Der Film ist nett gemacht", sagt Bracht. Gut gefielen ihm die Comicbilder, anhand derer das Geiseldrama wiedergeben wird. Aber auch Filmmaterial der Entführer selbst ist erstmalig zu sehen. „Die Geiselnehmer hatten damals ein Mitglied, das gefilmt hat", erinnert sich der heute 60-jährige Bracht.

Die Dokumentation gibt dadurch präzise Einblicke, wie die Geiselnehmer so ticken. Einige ließen sich nach dem Überfall auf den „eroberten" Motorrädern der entführten Touristen fotografieren. „Die Mitglieder haben sich charakterlich stark voneinander unterschieden", erinnert sich Bracht. Einige seien fundamentalistisch, ernst und still; andere zugänglich und interessiert gewesen. Todesangst vor den Entführern habe Bracht nicht gehabt. Sie seien auf Lösegeld aus gewesen, nicht aber auf das Töten der Geiseln.

Dennoch war eine Mitgefangene wegen eines Hitzschlags ums Leben gekommen. Einige Entführer hatten daraufhin Tränen in den Augen – und sich tausendmal entschuldigt. Auch dem damaligen Anführer der Islamistengruppe mit dem Namen „Al Para" schien die Aktion über den Kopf zu wachsen: „Der wusste gar nicht, mit wem genau er über ein Lösegeld verhandeln sollte." Auch in der Landschaft hätten sich die Entführer nicht ausgekannt – mit der Folge, dass Wasserstellen oft Mangelware waren.

Am Flughafen: Die freigelassenen Sahara-Geiseln 2003. - © dpa
Am Flughafen: Die freigelassenen Sahara-Geiseln 2003. (© dpa)

In der Dokumentation kommt auch der damalige Leiter des Krisenstabs, Jürgen Chrobog, zu Wort. „Der hat damals gute Arbeit geleistet", lobt Bracht.

An einem Punkt widerspricht er ihm aber: „Im Film heißt es, dass die Behörden lange Zeit nicht wussten, wo wir gefangen gehalten wurden. Das glaube ich nicht", sagt Bracht. Damals habe er schon nach kurzer Zeit regelmäßig Hubschrauber in der Nähe kreisen gesehen. „Das Militär wusste schnell, wo wir waren", glaubt der Detmolder.

Gefreut habe er sich über die Aussage in der Dokumentation, dass die Region in der algerischen Sahara damals als sicher gegolten habe. Unter anderem CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hatte den Touristen damals indirekt Leichtsinnigkeit unterstellt. „Der hat keine Ahnung", sagt Bracht.

Unter den 32 Geiseln befanden sich 16 deutsche Männer. Aufgeteilt wurden sie damals in zwei Gruppen. Mit einem Großteil der Mitgefangenen habe Bracht heute noch immer Kontakt. „Wir treffen uns jedes Jahr im August."
Anders sei es in der zweiten Gruppe: „Die waren von Anfang an zerstritten." Innerlich aufgewühlt habe ihn die Dokumentation nicht. Aber: „Wenn ich in den Nachrichten von anderen Geiselnahmen erfahre, dann komme ich schon noch ins Grübeln", offenbart Bracht.

Die Geiselnahme hat seine Leidenschaft für unberührte Landschaften nicht beeinträchtigt. Bracht reiste anschließend durch Syrien, Marokko und den Oman. Heute reizen ihn jedoch mehr Reisen nach Osteuropa.

Information
Doku im TV
Die Dokumentation „Entführt in der Wüste" mit Rainer Bracht ist heute von 12 bis 12.45 Uhr auf dem ZDF-Kanal ZDF Info zu sehen.
Wer den Termin verpasst, hat die Möglichkeit, den Film nachträglich online in der ZDF-Mediathek zu sehen: www.zdf.de/
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