Frauenwahlrecht in Lippe

Detmold. Vor 100 Jahren hatten Frauen in Sachen Politik einen schweren Stand. Zwar hatten sie sich das Wahlrecht erkämpft, wurden von vielen Männern anfangs aber als politisch unreif abgetan. Sie müssten sich erst einarbeiten, hieß es. Als am 26. Januar 1919 die erste demokratische Wahl zum lippischen Landtag anstand, traten nur wenige Kandidatinnen an. Wer waren die Frauen der ersten Stunde?

Auguste Bracht : Sie war die Pionierin unter den weiblichen Abgeordneten in Lippe und schaffte es auf Anhieb in den lippischen Landtag. Die Wäschenäherin, 1875 als Tochter eines früheren Sozialdemokraten in Oerlinghausen geboren, war im sozialdemokratischen Milieu verwurzelt. Sie gehörte zu den ersten Frauen, die sich gewerkschaftlich organisierten. &bdquo;Als Vorsitzende des Wäschearbeiterinnenverbandes schien sie prädestiniert, die Belange der Frauen in der Politik zu vertreten", erklärt Detmolds Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink in &bdquo;Revolution in Lippe – 1918 und der Aufbruch in die Demokratie".

Sie habe Probleme der Demobilmachung thematisiert, da einige Frauen auf ihre Erwerbstätigkeit angewiesen waren und ihre Stellen nicht einfach an zurückkehrende Männer abtreten konnten, ohne in finanzielle Not zu geraten. Gleichzeitig habe sie die Frauen, soweit möglich, aber eher in der Familie und bei der Kindererziehung gesehen. Bei der nächsten Landtagswahl am 23. Februar 1921 wurde sie nicht wieder aufgestellt.

Clara Lüken : Clara Lüken (1871-1941) aus Heiligenkirchen rückte 1920 für die Deutsche Volkspartei in den lippischen Landtag nach, nachdem ein Abgeordneter verstorben war. Die Tochter eines Medizinalrates aus Oldenburg war laut Sunderbrink eine typische Vertreterin des Bildungsbürgertums in der Kaiserzeit. Als sich die Universitäten 1908 für Frauen öffneten, ließ sich die Lehrerin beurlauben und schrieb sich für ein Studium in Göttingen ein. Danach übernahm sie die Leitung des Lehrerinnenseminars in Detmold. Von 1920 bis 1928 saß sie für die Deutsche Volkspartei im Landtag und brachte sich laut der Stadtarchivarin insbesondere in die anfangs wichtigen Verfassungsfragen ein.

Margarethe Schweichler : Margarethe Schweichler war zwar keine Abgeordnete, aber eine wichtige Figur in der Phase des Umbruchs. Einige Frauen aus dem Umfeld der Deutschen Demokratischen Partei riefen laut Sunderbrink für den 17. November zu einer Frauenversammlung in Detmold auf, bei der die Kauffrau Margarethe Schweichler (Leiterin der Lippischen Telefon-Werke) und der Schriftleiter der Lippischen Landes-Zeitung, Max Staerke, über Probleme der Zeit wie die Demobilmachung informierten. Es folgte die Gründung eines Detmolder Frauenrates mit acht Mitgliedern des liberalen Bürgertums und Schweichler als Vorsitzender. Das Gremium bot sich dem Volks- und Soldatenrat, der die Übergangsregierung bildete, als Berater in Bezug auf die &bdquo;weiblichen Volksinteressen" an, wurde aber nicht als solcher anerkannt. Wenige Wochen später erfolgte die Auflösung. Bei der Landtagswahl 1919 gehörte Margarethe Schweichler neben acht weiteren Frauen zu den Verliererinnen – was Sunderbrink vor allem auch auf die schlechten Listenplätze, die sie von den Parteien erhielten, zurückführt.

Luise Rinsche : &bdquo;Die schlechten Chancen für ein politisches Mandat für die Frauen änderte sich bis zur Auflösung des Lippischen Landtags 1933 nicht", berichtet die Stadtarchivarin. Lediglich zwei Frauen aus dem sozialdemokratischen Umfeld schafften es noch in das Parlament. Marie Kraft aus Detmold (1921-1928) und Luise Rinsche aus Pivitsheide (1929-1932). Letztere hatte 1909 nicht nur zusammen mit anderen den SPD-Ortsverein in Pivitsheide gegründet, sondern nach dem Ersten Weltkrieg auch den dortigen Stützpunkt der Arbeiterwohlfahrt ins Leben gerufen– um der sozialen Not zu begegnen. Vor eineinhalb Jahren ist ihr in ihrem Heimatort eine Straße gewidmet worden, der Luise-Rinsche-Weg zwischen der Straße &bdquo;Am Langen Grund" und der Kusselstraße.

Und heute?: Aus der ersten Möglichkeit zur politischen Teilhabe, die sich 1918 für die weibliche Bevölkerung ergab, ist eine Selbstverständlichkeit geworden. Frauen gehen zur Wahl und engagieren sich parteipolitisch. Faktisch ist ihr Anteil in den meisten Gremien aber immer noch gering – wie jüngst auch eine Ausstellung im Rathaus am Markt gezeigt hat. Im Kreistag beträgt er 32 Prozent, im Stadtrat 24 Prozent. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 27 Prozent. &bdquo;Von gleichberechtigter demokratischer Teilhabe sind wir weit entfernt. Gute Politik braucht gleichermaßen die Erfahrungen, das Wissen und die Kompetenzen von Frauen und Männern", hat Detmolds Gleichstellungsbeauftragte Regina Homeyer in diesem Zusammenhang erklärt.

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